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# taz.de -- Schwanger in vielen Zimmern: Was glauben Sie, was da drin ist?
> Zwischenmenschliche Grenzüberschreitungen sind in der Schwangerschaft
> nochmal besonders unangenehm. Zeit für eine Klarstellung.
Bild: Was ist da wohl drin – ein Überraschungsei?
Zwischenmenschliche Grenzüberschreitungen sind immer anstrengend, aber wenn
man schwanger ist, gehen sie oft auch noch sehr nah. Hormone und so. Man
verliert nicht nur ständig den Faden und überlegt, was man gerade tun
wollte – nein, manchmal heult man auch schneller und öfter und überhaupt
können die Emotionen an manchen Tagen üppiger ausfallen. Wobei, ich habe
Glück, die Schwangerschaftshormone beeinflussen mein Wesen nicht so stark –
meine Familie fragt hier ja keiner.
Also – wo war ich – ach ja: zwischenmenschliche Grenzüberschreitungen. In
meiner Beobachtung gibt es zwei Arten von Schwangeren: Die einen, die in
ihrem Körper auf magische Weise genug Platz machen können für ihr Kind und
die auch im letzten Trimester noch ein wohlgeformtes Bäuchlein vor sich
hertragen, das ihnen erlaubt, immer noch in ihren eigenen Klamotten
rumzulaufen oder Geeignetes in jedem Laden zu finden.
Wenn ihr Körper eine Wohnung wäre, könnte man sagen, sie haben eine Ecke
für jemanden freigeräumt, vielleicht ein kleines Zimmer. Das sind gemeinhin
die Schwangeren, die wir in Prospekten sehen, in Film und Fernsehen. Die
dann von Leuten genervt werden, wieso ihr Bauch „so klein“ sei.
Und dann gibt es die anderen Schwangeren, zu denen auch ich gehöre. Die,
deren Körper kein Zimmer frei hat, weil er alle selbst belegt. Weshalb hier
gnadenlos drangebaut wird. Aber nicht so viktorianischer Wintergarten –
eher so dreistöckig mit privatem Eingang. Garage. Und beheizbarem
Außenpool. Die, denen schon im 7. Monat die Umstandshose zu eng wird. Lang
lebe die Umstandsjogginghose, die sich stetig ausdehnt wie ein eigenes
kleines Universum.
## Ein Überraschungsei?
Alles gut, solange man nur zoomt und das Haus nicht verlässt. Aber ab und
zu trifft man ja auch während einer Pandemie Leute auf der Straße, die man
kennt und die einem dann auf die Dehnungslöcher zwischen den Knöpfen des
Mantels starren. Manchmal teilt man sich der erweiterten Familie auch per
Video oder Foto mit. Und dann kommt es: „Boah!“ „Du bist ja schon dick.“
„Wie viele Kinder sind da drin, höhöhö?“ „Wow, das Kind muss ja späte…
morgen kommen, sonst platzt du doch.“
Letztens hab ich tatsächlich angefangen zu heulen nach so einem Satz. Nicht
so sehr weil es mich traurig gemacht hat, sondern weil ich stinkwütend
wurde. [1][Was denken die Leute denn], was da drin ist im achten oder
neunten Monat? Ein Überraschungsei, in dem ein bis zum Geburtstermin klein
zusammengefaltetes Kind ruht, dass sich dann spontan selbst aufbläst?
Nein, Mann! Hier sind im neunten Monat 45cm 3-Kilo-Kind drin. Dazu ein Kilo
Gebärmutter, etwa 700 Gramm Plazenta, und ein Kilo Fruchtwasser. Und da
reden wir noch gar nicht über das zusätzliche Blut, die Wasser- und
Fetteinlagerungen. Und ja, das ist alles normal, in allen Variationen –
kein Grund, jedes Mal auszuflippen und alle Manieren über Bord zu werfen,
sobald eine Schwangere den Weg kreuzt.
13 Apr 2021
## LINKS
[1] /Ratschlaege-in-der-Schwangerschaft/!5358283
## AUTOREN
Saskia Hödl
## TAGS
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Body Positivity
Feminismus
Schwangerschaft
Gesundheitspolitik
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Schwerpunkt Rassismus
Frauen
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