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# taz.de -- Fragwürdige Auftragsvergabe: Kurzer Draht und lange Leitung
> Hat Niedersachsen den Auftrag für die Impfhotline vorschnell an die Firma
> Majorel vergeben? Zum Organisations-Chaos kommen Zweifel am Verfahren.
Bild: Das Scheitern mit Ansage bei der Impfhotline stieß Vielen sauer auf
Hannover taz | Mit den verzweifelten Beschwerden und absurden Anekdoten von
Menschen, die versuchen, an einen [1][Impftermin] zu kommen, lassen sich
mittlerweile Bücher füllen. Nirgendwo lief das auf Anhieb rund. Eine
[2][groß angelegte Recherche des NDR und der Süddeutschen Zeitung ] belegt
allerdings: Es gab schon eine Reihe von Bundesländern, in denen es noch
unrunder lief als in anderen.
In Niedersachsen sorgt nun vor allem für Aufregung, dass jetzt der Verdacht
im Raum steht, die Auftragsvergabe für die schwer erreichbare Impfhotline
sei nicht sauber gelaufen. Hat sich das federführende Gesundheits- und
Sozialministerium vorschnell und aufgrund persönlicher Kontakte auf den
Anbieter Majorel aus Wilhelmshaven eingeschossen? Wurden andere Anbieter
gar nicht hinreichend in Betracht gezogen?
Von Anfang an stand die Impfhotline unter keinem guten Stern. Schon bevor
sie startete, sagte der Leiter des Krisenstabs Heiger Scholz sinngemäß: Die
wird dem Ansturm erst einmal sowieso nicht gewachsen sein. Dieses Scheitern
mit Ansage war damals schon vielen Menschen sauer aufgestoßen.
Jetzt stellt sich heraus: Anderswo ist der beauftragte Anbieter genau
deshalb abgelehnt worden. In Baden-Württemberg zum Beispiel. Majorel hatte
dort ein Angebot unterbreitet: 100 Vollzeitmitarbeiter*innen sollten
im Callcenter die Terminanfragen abarbeiten. „Uns war klar, dass das nicht
reicht“, erklärte ein Sprecher des Sozialministeriums in Stuttgart dem NDR.
Baden-Württemberg wählte einen Anbieter, der fünfmal so viele
Mitarbeiter*innen stellte.
## Schwacher Personalansatz
Niedersachsen ging dagegen mit 150 Callcenter-Mitarbeiter*innen an den
Start. Das sind genug, um 20.000 Anfragen am Tag zu bearbeiten –
impfberechtigt waren zu diesem Zeitpunkt aber allein schon 450.000
Menschen. Und das sind nur die, die in die Prioritätsgruppe 1 fallen – also
über 80 Jahre alt sind und nicht in einer Senioreneinrichtung leben. Nicht
wenige von ihnen haben wohl gleich mehrere Angehörige für den Telefondienst
eingespannt: Von 700.000 Anrufversuchen allein in der ersten Stunde war
damals die Rede.
Mittlerweile ist der Mitarbeiterstamm auf 650 bis 700 Callcenter-Agents
aufgestockt worden, 900 sollen es Ende April sein. Immerhin sind mit den
über 70-Jährigen und diversen besonders gefährdeten Berufsgruppen nun auch
noch einmal erheblich mehr Impfberechtigte im Spiel.
Das Sozialministerium tut nun so, als sei dies von vorneherein der Plan
gewesen: „Natürlich waren die 150 nicht unsere Zielvorgabe, aber mehr war
zu diesem Zeitpunkt eben nicht möglich“, erläuterte die
Ministeriumssprecherin in der Landespressekonferenz am Mittwoch.
Das habe zum einen daran gelegen, dass die Strukturen so kurzfristig
aufgebaut werden mussten, und zum anderen daran, dass der Arbeitsmarkt
nicht mehr hergegeben habe. Nun hat Majorel selbst dafür gesorgt, dass der
Arbeitsmarkt das hergibt: Die Firma schließt drei ihrer vier Callcenter in
Brandenburg und kündigt dort bis zu 1.000 Mitarbeiter*innen.
In Niedersachsen wird die Impfhotline an verschiedenen Standorten beackert,
hauptverantwortlich ist die Majorel Wilhelmshaven GmbH mit Sitz in
Schortens, im strukturschwachen Friesland.
## Waren persönliche Kontakte ausschlaggebend?
Dort residiert die Firma im Technologie Centrum Nordwest (TCN), einem
Gewerbepark, der aus der Abwicklung der AEG Olympia AG hervorging. Das TCN
wiederum ist ein Baby des Landtagsabgeordneten Holger Ansmann (SPD), der
dort über Jahrzehnte bis Oktober 2020 als Geschäftsführer fungierte.
Ansmann ist gleichzeitig Vorsitzender des Gesundheitsausschusses im
niedersächsischen Landtag. Er hat auch den Kontakt zwischen der Firma und
dem Sozialministerium hergestellt. Schon am 11. November gab es ein erstes
Gespräch, am 14. Dezember war der Vertrag in trockenen Tüchern.
Das ist der Punkt, der bei der Opposition für Misstrauen sorgt. „Nichts
gegen ein schnelles und offenes Verfahren in dieser Situation – natürlich
kann man hier nicht auf die Ergebnisse einer EU-weiten Ausschreibung
warten“, sagt Meta Janssen-Kucz (Grüne), die sich als gesundheitspolitische
Sprecherin ihrer Fraktion schon seit dem vergangenen Jahr mit der Thematik
befasst. „Aber trotzdem muss man doch transparent machen, wie diese
Entscheidung zu Stande gekommen ist.“
Doch die Informationen dazu rückt das Ministerium allenfalls
scheibchenweise heraus. Noch am Montag hieß es, es seien keine anderen
Anbieter für das Gesamtpaket in Betracht gezogen worden. Am Mittwoch hieß
es dann, es habe andere Bewerber gegeben, man habe auch die übliche
Markterkundung durchgeführt – aber am Ende habe Majorel als einziger
Anbieter alle Kriterien erfüllen können.
## Gab es eine Markterkundung?
Dass dies in anderen Bundesländern anders aussähe, läge daran, dass diese
zum Teil mehr als einen Anbieter für verschiedene Teilaufgaben nutzten. In
Niedersachsen habe man Wert darauf gelegt, alles in eine Hand zu geben –
auch um Reibungsverluste in der Kommunikation zu vermeiden.
Für Meta Janssen-Kucz ist das als Erklärung immer noch nicht ausreichend:
„Ich möchte wissen, wann diese Markterkundung stattgefunden hat, wann
welche Angebote vorlagen und ob die Kriterien auch anderen Anbietern
gegenüber klar kommuniziert worden sind“, sagt sie. Eine entsprechende
Anfrage im Landtag sei in Vorbereitung.
26 Mar 2021
## LINKS
[1] /Corona-Politik-und-Kritik/!vn5760030
[2] https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Impfchaos-in-Niedersachsen-Wer…
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
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Dilek Kalayci
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