# taz.de -- Hessen nach der Kommunalwahl: Schwarz-Grün oder Linksbündnis? | |
> Im Frankfurter Stadtparlament sind die Grünen nun stärkste Kraft. Von | |
> ihren Entscheidungen könnte ein bundesweites Signal ausgehen. | |
Bild: Kommentar zu den Grünen in Frankfurt? Beim Klimastreik am 19. März auf … | |
FRANKFURT A. M. taz | Für die Frankfurter Grünen ist nach der Wahl vor der | |
Wahl: Schließen sie [1][ein Bündnis mit der CDU], wenn nötig erweitert um | |
die FDP? Oder streben sie als neue stärkste Kraft die Führungsrolle in | |
einem Reformbündnis an, ohne CDU? Im Herbst stellt sich im Bund | |
möglicherweise genau diese Frage. | |
In Frankfurt am Main müssen die Grünen jetzt schon entscheiden, wie sie mit | |
ihrem langjährigen Partner, der CDU, und neuen Koalitionsmöglichkeiten | |
umgehen. Bei der Kommunalwahl vor gut einer Woche, am 14. März, erhielten | |
sie 24,6 Prozent der Stimmen und stellen seitdem [2][mit insgesamt 23 | |
Sitzen die größte Fraktion der Stadtverordnetenversammlung im Frankfurter | |
Römer.] | |
Nach einer kontroversen Debatte innerhalb der Partei gab es am Montag eine | |
erste Weichenstellung: Die Anwesenden bestätigten die vom Grünen-Vorstand | |
nominierte achtköpfige Verhandlungsdelegation – obwohl ihr in den | |
Diskussionen unterstellt worden war, eine grün-schwarze Koalition zu | |
bevorzugen. Im nächsten Schritt werden die Frankfurter Grünen jetzt mit | |
CDU, SPD, FDP, Linken und der neuen paneuropäischen Partei Volt sprechen. | |
Doch von vorn, mit einem kleinen Einblick in die digitale Sitzung der | |
Frankfurter Grünen von vor zwei Tagen. „So viele waren wir noch nie“, sagt | |
die Versammlungsleiterin Miriam Dahlke, 32, am Montag. Sie spricht aus | |
einem Raum der Grünen Jugend, den der Parteinachwuchs „Politiklabor“ nennt | |
– und es könnte keine bessere Bezeichnung für den hessischen Landesverband | |
geben, in dem seit jeher mit allen möglichen Konstellationen experimentiert | |
wird. | |
## Kommt jetzt das nächste Experiment? | |
In Hessen tolerierten die Grünen als bundesweit erste eine SPD-geführte | |
Landesregierung. Hier gab es die erste rot-grüne Koalition und den ersten | |
grünen Minister. Daneben entstand zudem eine Tradition schwarz-grüner | |
Bündnisse wie in Frankfurt und Darmstadt. Und schlussendlich wurde in | |
Hessen 2013 die erste schwarz-grüne Landesregierung in einem Flächenland | |
gebildet. | |
Kommt jetzt etwa das nächste grüne Experiment? Im Frankfurter | |
Stadtparlament hätte die bisherige schwarz-rot-grüne Regierungskoalition | |
eine klare Mehrheit. Es gibt aber auch Optionen für Mitte-links-Koalitionen | |
– und selbst ein Linksbündnis mit der SPD und der Linken unter der Führung | |
der Grünen ist rechnerisch möglich. Dafür plädiert zum Beispiel der | |
Frankfurter DGB-Chef Philipp Jacks und bezeichnet dies als Chance für die | |
soziale Wohnungspolitik. | |
Führende Grüne sehen das jedoch eher skeptisch. Der grüne | |
Bundestagsabgeordnete Omid Nouripour nutzt seine Redezeit für eine Attacke | |
auf den bisherigen Koalitionspartner SPD. Er fordert ein Ende von | |
„Dauerstreit“ und „Kneipenschlägerei“ und spielt damit auf die ein oder | |
andere öffentliche Auseinandersetzung an, die sich Oberbürgermeister Peter | |
Feldmann, SPD, und die Dezernenten von CDU und Grünen zuletzt lieferten. | |
Der frühere grüne Fraktionsvorsitzende im Römer und heutige Büroleiter der | |
grünen Wissenschaftsministerin, Manuel Stock, erinnert in seinem | |
Redebeitrag an den Flirt von SPD und FDP vor fünf Jahren. Die jüngsten | |
Appelle der SPD-Spitze, mit einem neuen Bündnis für eine Wende in der | |
Stadtpolitik zu sorgen, tut er ab: „Es geht denen nicht um uns Grüne, | |
sondern um Machterhalt“, sagte er. | |
## Die Neuen machen Druck | |
Weniger deutlich argumentieren die Grünen-PolitikerInnen, die im Römer | |
selbst Verantwortung tragen. „Völlig ergebnisoffen“ gehe sie in die | |
Sondierungen, versichert Spitzenkandidatin Martina Feldmayer während der | |
Versammlung mehrfach. „Ich bitte um Vertrauen, nicht um Misstrauen“, sagt | |
sie. | |
Auch sie habe gehört, sagt Feldmayer, was über die Verhandlungsgruppe | |
kolportiert werde. Doch mit Aussagen wie „Das sind Leute, die schon immer | |
Schwarz-Grün gewollt haben“ werde von außen versucht, einen Keil in die | |
Partei zu treiben. Als Landtagsabgeordnete gehört Feldmayer zudem der | |
grünen Regierungsfraktion an. | |
Doch die innerparteiliche Opposition ist von der Ergebnisoffenheit nicht | |
überzeugt. Sie fordert eine Politikwende – und damit eine mögliche Abkehr | |
von der Zusammenarbeit mit der CDU. Der Seckbacher Kommunalpolitiker Ingo | |
Stürmer ist einer von ihnen. „Frankfurt neu denken“, hätten die Grünen | |
plakatiert. „Wir müssen Frankfurt wirklich neu denken, mit neuen Köpfen“, | |
wirbt er für den Antrag, mit dem er den eigenen Parteivorstand unter Druck | |
gesetzt hat. | |
Viele Mitglieder der neuen Fraktion sind Neulinge im Stadtparlament. | |
Stürmers Antrag sieht vor, dass die Neuen in der Verhandlungsdelegation | |
stärker vertreten sind. Er berichtet von seinen Erfahrungen an den | |
Infoständen: „Wir kennen euch und wählen euch, aber was ihr in Land und | |
Stadt macht, ist zu lasch!“, zitiert er angeblich unzufriedene WählerInnen | |
mit dem schwarz-grünen Kurs. Er fordert einen klare Positionierung in | |
Sachen Klimaschutz, bei der Verkehrswende und der Wohnungspolitik. Die CDU | |
ist da nicht eingeplant. | |
Von der Entscheidung in Frankfurt hängt einiges ab. Enttäuscht sie die | |
Fridays-for-Future-Bewegung oder hält sie Kurs mit den grünen Idealen? | |
Bricht sie mit der CDU, hätte das sicher auch Auswirkungen auf die | |
schwarz-grüne Regierungskoalition in Wiesbaden. Und für den | |
Bundestagswahlkampf wäre das natürlich auch ein starkes Signal. | |
Am Montag gab es eine klare Mehrheit für den Vorstand und seine | |
Verhandlungsdelegation. Als Zugeständnis an die unruhige Basis hatte der | |
Vorstand einen Vertreter der Grünen Jugend und mit Tina Zapf eine neue | |
Stadtverordnete in seinen Personalvorschlag mit aufgenommen. Zapf gehört in | |
Mainz zur Führungsmannschaft einer Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP, | |
die nach einem fulminanten Wahlerfolg vor einer Neuauflage steht. | |
„Wir verhandelt ergebnisoffen“, verspricht Vorstandssprecherin Beatrix | |
Baumann. | |
24 Mar 2021 | |
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## AUTOREN | |
Christoph Schmidt-Lunau | |
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