# taz.de -- Begegnung auf der Parkbank: Eine Dosis Hoffnung | |
> Auch wenn wir glauben, dass nichts geschieht, ist schon etwas im Prozess. | |
> Das zeigt sich in der Natur. Und seit geimpft wird auch bei den Menschen. | |
Bild: Längst entwickelt sich etwas Neues unter den kahlen Ästen: Park in Gels… | |
Vor zwei Wochenenden wollte ich morgens in dem Park joggen, der mein | |
Zuhause ist, den ich vom Laufen und Spazierengehen, durch alle Jahreszeiten | |
und seit vielen Jahren kenne. Ich wurde am Tor von einem Schild mit neu | |
eingeführter Maskenpflicht überrascht. Ich hatte keine Maske dabei. Ich | |
lief wieder nach Hause. Die Plötzlichkeit, mit der ich nicht in den Park | |
konnte, betrübte mich in dem Moment. Das Wetter war grau und die Pandemie | |
erschien wie ein langer, unbestimmter Weg, dessen Ende sich immer wieder | |
verschob. | |
Doch so vieles kann sich schnell ändern. Und oft, wenn man den Eindruck | |
hat, dass sich nichts bewegt, wandelt sich gerade dann alles um einen | |
herum. Es verändert sich im Verborgenen. So wie sich im Winter längst schon | |
innerlich alles unter den toten Ästen und der harten Erde entwickelt, ohne | |
dass wir es sehen. Und dann steht man staunend vor den ersten Blüten und | |
fragt sich: Wo kommt das jetzt her? Wie konnte das so schnell geschehen? | |
Diese Woche war ich wieder im Park. Die Sonne schien, ich saß auf einer | |
Bank und las. Um mich herum saßen die Menschen jeweils einzeln auf ihren | |
Bänken. Corona hat etwas Besonderes geschaffen. Wir ziehen uns alle in | |
unseren Raum zurück. Unser Radius wird enger und gleichzeitig brauchen wir | |
mehr Platz. Jeder braucht jetzt eine Bank für sich, um genug Abstand zu | |
halten. | |
Plötzlich schauten alle in den Himmel. Dort musste ein Flugzeug | |
Kondensstreifen gemalt haben. Viele kleine Kondensstriche standen in der | |
Luft, die zusammen die Worte eines neuen Video-on-Demand-Dienstes bildeten. | |
Die Schrift stand lange unbeweglich im Himmel und löste sich nicht auf. Als | |
wäre die Werbung fest in die Luft gestanzt worden. | |
Mir fiel ein, dass gar keine Kondensstreifen mehr zu sehen sind, seitdem | |
weniger Flugzeuge fliegen. Der weite Himmel ohne die Spuren des Reisens. | |
Dafür jetzt mit Spuren der Werbung. Was noch alles mit dem Raum passieren | |
würde, fragte ich mich. Was verändert sich um uns, ohne dass wir es spüren? | |
Da kam eine ältere, etwa 80-jährige Dame auf mich zu. „Darf ich mich zu | |
Ihnen setzen“, fragte sie. Ich sah sie an. Die Frau war klein, etwas | |
Zackiges, Energisches umgab sie. Ich hätte sie gern neben mir gehabt. Doch | |
die Bank war nicht lang. Wenn wir hier nebeneinandersäßen, würden wir nicht | |
1,50 Meter Abstand zueinander halten können. Ich überlegte schon die Bank | |
für sie zu räumen: „Haben Sie denn keine Angst, dass ich sie anstecken | |
könnte?“, fragte ich sie. | |
Ohne zu antworten, setzte sich die Frau ganz selbstverständlich hin. Sie | |
schien keine Erlaubnis zu brauchen. „Ich bin geimpft“, sagte sie dann. Sie | |
lächelte fein. Sie wirkte fast stolz. | |
„Ich bin geimpft.“ Der Satz schien alles für sie zu bedeuten: Ich bin | |
geimpft. Lassen Sie mich heran. Ich bin gewappnet. Es ist vorbei. Ich | |
schaute sie an, wie sie da auf der Bank saß und sich die Sonne ins Gesicht | |
scheinen ließ. Wie sie sich an mich herantraute und sich selbstverständlich | |
ihren Platz nahm. Sie schien gar nicht sprechen zu wollen. Sie wollte hier | |
einfach sitzen. Da sie weniger Abstand brauchte, erweiterte sich ihr Raum. | |
Sie konnte wieder in die Nähe kommen. | |
Es hatte etwas Hoffnungsvolles, wie sie sich benahm. Das erste Mal nahm ich | |
konkret wahr, was Impfungen verändern können. Wie sich das Verhalten eines | |
Menschen damit wandelt. Ich stellte mir vor, wie es sein würde, wenn viele | |
Menschen so wie die Frau sein würden. Was dann wieder möglich wäre. Was | |
dann damit wieder anfinge. | |
Schließlich erhielt ich einen Anruf und stand auf. Ich ging telefonierend | |
durch den Park. Als ich zum Ausgang steuerte, sah ich die Frau wieder. Sie | |
saß nun auf einer anderen Bank – neben einem anderen Menschen. Ich musste | |
lächeln. Es war, als würde sie die Nähe suchen, den Kontakt, wie ein Kind, | |
das ein Geschenk bekommen hat und es nun ausprobieren will. So vieles | |
ändert sich um uns. Auch wenn wir glauben, dass nichts geschieht, ist schon | |
längst etwas im Prozess. Klein und unsichtbar schiebt sich langsam etwas | |
nach vorn. | |
7 Mar 2021 | |
## AUTOREN | |
Christa Pfafferott | |
## TAGS | |
Kolumne Zwischen Menschen | |
Schwerpunkt Coronavirus | |
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