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# taz.de -- Rheinland-Pfalz' bayerische Wurzeln: Prosit dem Ketchup-Heinz
> „Bayern und Pfalz, Gott erhalt’s“: Von der unerwiderten Liebe des
> Freistaats zur einst verlorenen Pfalz – und der besten Trinkstube
> Münchens.
Bild: Die Pfälzer Weinstube in München hat kein Bier, aber 60.000 Weine im An…
Es ist laut, es gibt Brot im Plastiksackerl, dazu Schwartenmagen, und im
Keller lagern konstant 60.000 Weine. Ambivalente Voraussetzungen für den
Verlauf einer lebenslangen Liebe. Wir sind bis jetzt zusammen, die Pfälzer
Residenz Weinstube und ich. Jedes Mal wird ihr gehuldigt, so wie der
Münchner Odeonsplatz und die dortigen einst königlichen Gemäuer, die
Residenz, passiert sind. Gerade ist es fad zwischen uns, aber das liegt nur
an der Corona.
Als Exilbayerin, die es seit mehr als 20 Jahren im blutleeren Berlin
aushält, zieht es mich gern in die heiligen Hallen und Stuben jener
gescheiterten Idee von Größe. Eigentlich ist diese Weinstube nämlich eine
Art Vereinsgaststätte zur lukullischen Pflege des Phantomheimwehs nach den
einst so freiheitlich fortschrittlichen Schwestern und Brüdern der Pfalz –
wie etwa den Kallstadter Familien Trump und Ketchup-Heinz. Darauf einen
reifen Riesling aus dem Paradiesgarten Deidesheim, wie wir der Karte
entnehmen.
Träger der Münchner Weinstube ist der Landesverband der Pfälzer in Bayern.
Gegründet nach 1945, hatte er einst tatsächlich das Ziel, die Pfalz nach
Bayern „heimzuholen“. Formal und verwaltungstechnisch waren beide
Landstriche bis Kriegsende nämlich verbandelt. Mit den von Anfang an
sprudelnden Gewinnen aus der „Pfälzer Weinprobierstube“ wollte man im
Auftrag der damaligen bayerischen Staatsregierung die Propaganda
finanzieren – zur Auslösung der Pfalz aus dem neuen Bundesland
Rheinland-Pfalz. Für ein 1956 initiiertes Volksbegehren votierten dort aber
nur schlappe 7,6 Prozent – zum Volksentscheid über die Rückkehr der Pfalz
zu Bayern kam es nie mehr.
Bavaria, die enttäuschte Liebhaberin, schmollte nur kurz: Noch heute sitzt
der oder die jeweilige bayerische Landtagspräsident:in dem Bund der
Pfalzfreunde vor, es gibt die Pfalzstiftung und besagten Landesverband der
Pfälzer. Darauf einen „Nulleinser“ Forster Ungeheuer aus Großer Lage
gewachsen als Spätlese mit 95 Grad Öchsle!
Bier schenkt die Pfälzer Weinstube aus Prinzip nicht aus, und die Legende
dazu geht so: Der deutsche Prokopfweinkonsum ist in München am höchsten.
Ein Prosit auf die Pfalz.
Über 700 Jahre, von 1214 bis 1945, steckte man dynastisch und dann
staatlich unter einer Decke. Den hallenden Viersäulensaal der Weinstube, in
dem, vom Ministerialdirigenten mit Hut auf dem Kopf und Dackel unterm Tisch
bis zur Spielerfrau privat alles sitzt, trinkt, angenehm blöd daherredet
und die Zeit vergisst, ziert das Konterfei von Max I. Joseph, erster König
von Bayern und waschechter Pfälzer. Zuvor hatte das Haus Wittelsbach eine
bayerische und eine pfälzische Linie. 1777 aber starb die bajuwarische aus.
Folge: Bis zum Ende der Monarchie 1918 kamen alle Regenten aus der Linie
Pfalz-Zweibrücken.
Professor Karsten Ruppert weiß mehr dazu im Vorwort von „Die Pfalz im
Königreich Bayern“: „Kein Landesteil war zwischen 1816 und 1918 so schwer
in das Königreich der Wittelsbacher zu integrieren und hat es zugleich so
stark geprägt wie der ‚Bayerische Rheinkreis‘, der 1837 in ‚Pfalz‘
umbenannt wurde. Diese erstaunliche Rolle konnte er spielen, weil er
aufgrund seiner fast zwanzigjährigen Zugehörigkeit zu Frankreich als der
damals wohl fortgeschrittenste Teil Deutschlands an die bayerische
Monarchie gefallen war und dieser Stand der Modernisierung auch nicht
angetastet wurde“. Sind wir nicht alle Pfälzer?
Darauf einen letzten Schoppen und Spiegel-Lektüre von 1953. Darin heißt es,
dass der damalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Altmeier nicht
mehr gegen eine „Weinreise“ sei, „und so setzte sich ein Omnibus mit
bayerischen Abgeordneten in Richtung Pfalz in Bewegung, der rückwärtig mit
der Aufschrift versehen wurde: ‚Bayern und Pfalz, Gott erhalt’s!‘“
5 Mar 2021
## AUTOREN
Harriet Wolff
## TAGS
Schwerpunkt Landtagswahl in Rheinland-Pfalz
Bayern
Geschichte
Kolumne übrigens
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