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# taz.de -- Urteil zu Polizeieinsatz in Ellwangen: Mit Kabelbinder gefesselt
> Die Polizeirazzia in einer Geflüchtetenunterkunft in Ellwangen im Mai
> 2018 war rechtswidrig, urteilt das Verwaltungsgericht Stuttgart.
Bild: Alassa Mfouapon vor Beginn des Prozesses im Saal des Verwaltungsgerichts …
Stuttgart taz | Tumultartige Szenen in der Landeserstaufnahmestelle (LEA)
in Ellwangen bewegten im Mai 2018 die Republik. Hunderte Flüchtlinge hatten
damals einen Einsatzwagen der Polizei umringt und damit verhindert, dass
ein Togoer abgeschoben werden konnte. Angeblich sei ein Einsatzwagen
beschädigt worden, wofür sich aber keine Belege fanden. Horst Seehofer
wusste trotzdem sofort, wie er den Fall zu beurteilen hat: „Das, was dort
geschehen ist, ist ein Schlag ins Gesicht der rechtstreuen Bevölkerung“,
sagte der Innenminister damals, die Flüchtlinge hätten das „Gastrecht“
missbraucht.
Die damalige Einschätzung des Innenministers trifft, wie sich jetzt zeigt,
eher [1][auf den martialischen Polizeieinsatz zu, der ein paar Tage später
in der LEA Ellwangen] stattgefunden hat und nun in einem Urteil des
Stuttgarter Verwaltungsgerichts als „rechtswidrig“ bezeichnet wird. 500
Polizeibeamte hatten am 3. Mai 2018 eine Razzia durchgeführt und dazu die
Geflüchteten teils gewaltsam aus ihren Wohnräumen gebracht und auf den
Gängen stundenlang mit Kabelbinder gefesselt festgehalten.
Die Polizei rechtfertigte den Einsatz damit, nach Waffen gesucht zu haben,
fand jedoch außer einer kleinen Menge Marihuana nichts Anstößiges. So war
der 360.000 Euro teure Einsatz offenbar eher eine von Seehofer und seinem
Landeskollegen Thomas Strobl angefeuerte Machtdemonstration der Beamten,
die das Gericht nun für unzulässig erklärte.
Unterstützt von verschiedenen Initiativen hatte Alassa Mfouapon gegen die
Polizeimaßnahme geklagt. Der Kameruner, in seiner Heimat laut seinem Anwalt
aus religiösen und politischen Gründen verfolgt, war 2016 mit Frau und
Kindern nach Europa geflüchtet. Die Familie wurde in Libyen getrennt, sein
zweijähriger Sohn ist im Mittelmeer ertrunken. Seit 2017 wohnte Mfouapon in
der Landeserstaufnahmestelle. Der 31-Jährige war wegen seiner guten
Englisch- und Französischkenntnisse Dolmetscher und Sprecher der
Flüchtlinge und auch für die Leitung der LEA eine Vertrauensperson. Dass
ihn [2][die Bild-Zeitung] und [3][die AfD-Politikerin Alice Weidel damals
zum „Rädelsführer“] der Flüchtlinge abgestempelt hatten, auch dagegen hat
sich Mfouapon erfolgreich juristisch gewehrt. Beim Polizeieinsatz im Mai
war auch er aus dem Bett gerissen und gefesselt worden.
Allerdings wollte die Kammer nicht feststellen, dass eine
Flüchtlingsunterkunft wie eine private Wohnung behandelt werden muss. Eine
juristische Frage, die wohl noch höhere Gerichte beschäftigen wird. Dann
nämlich hätten die Beamten für ihren Einsatz einen Durchsuchungsbeschluss
gebraucht.
Alassa Mfouapon zeigt sich mit dem Urteil wenigstens teilweise zufrieden.
Es sei ein Fortschritt, dass das Gericht die Stimme der Flüchtlinge gehört
habe. Allerdings will er trotzdem gegen das Urteil Berufung einlegen. Denn
mit seiner Klage war er auch gegen seine Abschiebung vorgegangen, die er
noch im gleichen Jahr des Polizeieinsatzes hinnehmen musste. Damals war
Mfouapon nach Italien zurückgeschoben worden, konnte aber 2018 wieder
einreisen. Seitdem läuft sein Asylverfahren.
22 Feb 2021
## LINKS
[1] /Neuer-Blick-auf-Vorfall-in-Unterkunft/!5500584
[2] /Alassa-M-gegen-die-Bild-Zeitung/!5570612
[3] /Gefluechteter-wehrt-sich-gegen-Fake-News/!5616940
## AUTOREN
Benno Stieber
## TAGS
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Geflüchtete
Ellwangen
Razzia
Schwerpunkt Coronavirus
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Ellwangen
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