| # taz.de -- Osnabrück verliert 14 Millionen: Das Greensill-Desaster | |
| > Durch die Überschuldung der Bremer Privatbank Greensill hat Osnabrücks | |
| > Haushalt schwere Schäden erlitten. Wie groß war die eigene Schuld? | |
| Bild: Ein Millionengrab für Osnabrück und weitere Kommunen: die Greensill-Bank | |
| Osnabrück taz | 14 Millionen Euro sind keine Peanuts, vor allem nicht als | |
| Verlust. Weil es dazu noch eine chronisch klamme Stadt wie Osnabrück | |
| getroffen hat – Gesamtkreditvolumen über 230 Millionen – ist der Zorn groß | |
| auf die inzwischen geschlossene Bremer Greensill-Bank. „Was da | |
| schiefgegangen ist, war nicht vorherzusehen“, verteidigt sich | |
| Finanzvorstand Thomas Fillep (SPD). Die „strategische Ausrichtung des | |
| städtischen Anlagengeschäfts“ sei „Risiken meidend und auf Sicherheit | |
| bedacht“. | |
| Vielleicht sind immerhin Teile der 14 Millionen noch zu retten. Aber ob bei | |
| Greensill, bei der sie liegen, noch was zu holen ist, steht in den Sternen. | |
| Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hat über | |
| Greensill jüngst ein Veräußerungs- und Zahlungsverbot verhängt, wegen | |
| drohender Überschuldung. Mittlerweile ist die Bank geschlossen. Gegen sie | |
| läuft eine Bafin-Klage wegen Bilanzmanipulation. | |
| Osnabrück hält bei den Privatbankiers von Greensill drei Termingeldanlagen. | |
| Die Behauptung des Stadtkämmerers, aufgrund des „sehr guten Ratings“ habe | |
| man von einer „sehr sicheren Anlageform“ ausgehen müssen, bleibt nicht | |
| unwidersprochen. „Schon weit bevor der letzte, größte Betrag von 11,5 | |
| Millionen Euro Mitte November 2020 zu Greensill ging, gab es klare | |
| Anzeichen dafür, dass sich die Bank negativ entwickelt“, sagt etwa Michael | |
| Hagedorn, finanzpolitischer Sprecher der Osnabrücker Grünen. „Wir müssen | |
| jetzt aufklären, was da abgelaufen ist.“ | |
| Die 2019 beschlossene „Finanzrichtlinie 2.0“ der Stadt Osnabrück gestattet | |
| auch Anlagen bei Kreditinstituten, „die über ein Rating bis BBB+ verfügen�… | |
| also „Lower medium range“, nurmehr Durchschnitt, und genau dorthin war | |
| Greensill von Scope Ratings, Berlin, Mitte September 2020 herabgestuft | |
| worden, von A–. | |
| „The outlook on all ratings“, hatten Scope Ratings ihrer Bewertung | |
| hinzugefügt, „is negative.“ Hagedorn: „Und genau das ist entscheidend! D… | |
| war also am untersten Limit des Erlaubten, mit dem Risiko der | |
| Verschlechterung!“ Jede städtische Anlage müsse zwingend kapitalerhaltend | |
| sein. | |
| „Gegen aktiven Betrug ist kein ordentlicher Kaufmann gefeit“, sagt Fillep | |
| und lastet die Schuld mangelnder Prüf- und Informationsarbeit der Bafin an. | |
| Hätte man früher vom Anfangsverdacht des Bilanzbetrugs gewusst, hätte die | |
| Stadt ihr Engagement „selbstverständlich zurückgefahren“. Die 11,5 | |
| Millionen waren ein Liquiditätsüberschuss, und der musste irgendwohin, | |
| möglichst unter Vermeidung von Verwahrentgelt, von negativen Zinsen. | |
| Wirklich hohe Zinsen hätte es für sie beim Bremer Bankhaus übrigens gar | |
| nicht gegeben: 0,02 Prozent. „Man muss nicht um jeden Preis jeden Zins-Euro | |
| mitnehmen“, sagt Wulf-Siegmar Mierke, Ratsherr der Unabhängigen | |
| Wählergemeinschaft (UWG). „Sicherheit geht vor.“ Jetzt gelte es, unbedingt | |
| herauszufinden, „wer was wann gewusst hat“. | |
| Warum Osnabrück das Geld nicht der Sparkasse Osnabrück gegeben hat, deren | |
| Träger sie zur Hälfte ist? „Tja!“, sagt Mierke und lässt eine demonstrat… | |
| Pause entstehen. „Bei Greensill hätten alle Signale auf Rot gehen müssen. | |
| Eigentlich deponiert man sein Geld ja bei der Bank seines Vertrauens.“ Und | |
| dann überlegt er, was Osnabrück mit diesem Geld alles hätte tun können: „… | |
| Kitas und Schulen hätte es viel Gutes bewirken können. Oder im | |
| Sozialhaushalt.“ | |
| Viele Fragen sind jetzt offen. Eine der kritischsten: Hatten Finanzmakler | |
| ihre Hand im Spiel – womöglich gar gegen eine Vergütung? „Am Ende müssen | |
| wir dann auch über die Verantwortlichkeiten reden“, sagt Hagedorn. „Da | |
| geht’s ja nicht um die Portokasse!“ | |
| Auch die SPD-Ratsfraktion will „alle Karten auf den Tisch“ haben. Den | |
| Schuldigen hat sie schon ausgemacht, und es ist nicht der | |
| SPD-Finanzvorstand: „Hat die Bankenaufsicht versagt?“, fragt | |
| Fraktionsvorsitzende Susanne Hambürger dos Reis: „Wurden Anleger bewusst | |
| getäuscht? Können die Kommunen Schadensersatz einfordern?“ | |
| Man gehe von „krimineller Energie“ aus und wolle „sicherstellen, dass | |
| Osnabrück zukünftig vor solchen finanziellen Risiken besser geschützt ist“. | |
| Gut wäre das. Schließlich stürzt Osnabrück in Sachen Bankgeschäfte nicht | |
| zum ersten Mal ins Desaster. Durch allzu großen Zockermut eines Vorgängers | |
| kam Fillep schon vor Jahren durch Kredite von fast 50 Millionen Schweizer | |
| Franken in Bedrängnis – nach einem Sturz des Euro wurden sie teurer und | |
| teurer. Zur Greensill-Pleite äußert er sich lieber nur schriftlich; die | |
| mehrfache Anfrage der taz zum direkten Gespräch lief ins Leere. | |
| Eins allerdings ist gut: Von Eigenlob-Worten wie „Mit Vollgas dabei, unsere | |
| Finanzen zu verbessern“, „Kalkulieren mit ruhiger Hand und ausgewogenem | |
| Verstand“ und „Weiter klug konsolidieren“ dürfte sich Stadtkämmerer Tho… | |
| Fillep in Zukunft hüten. Mitte September 2020 hatte er sie noch verwendet, | |
| im Rat der Stadt Osnabrück, in seiner Rede zur Einbringung des | |
| Doppelhaushalts für 2021 und 2022. Heute hören sie sich an wie Ironie. | |
| 11 Mar 2021 | |
| ## AUTOREN | |
| Harff-Peter Schönherr | |
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