# taz.de -- Die Wahrheit: Klos für alle, jetzt! | |
> Tagebuch einer Feiertagsmüden: Unsere Kolumnistin über das Menschenrecht | |
> auf sichtgeschütztes Pinkeln. Und das nicht nur am Frauentag … | |
Ich weiß nicht, ob all jene, die einem mehr oder weniger freiberuflichen | |
Gewerbe nachgehen, meine Erfahrung teilen, aber ich werde von Feiertagen | |
regelmäßig kalt erwischt. Draußen fahren irgendwelche Heiligen gen Himmel, | |
drinnen im Kühlschrank herrscht gähnende Leere und der Supermarkt hat | |
geschlossen. Verdammt! | |
Vorige Woche warnte meine Zeitung, ich bekäme am 8. März leider keine | |
Lieferung, es sei ja Frauentag. Im Rest der Republik durften altmodisch | |
Papier bevorzugende Menschen morgens analog die Schlagzeilen studieren, ich | |
dagegen starrte mit müden Augen auf die App, denn ich lebe in Berlin, das | |
zwischen Belarus und Burkina Faso zusammen mit China, Nordkorea, | |
Tadschikistan und ein paar anderen autokratischen Schurkenstaaten die | |
Frauenrechte mit einem Feiertag begeht. | |
Sollte ich mich freuen? Wie läuft das zum Beispiel bei Kim Jong Un? Kriegen | |
weibliche Dissidenten für ein paar Stunden – „He, es ist Frauentag!“ – | |
Lagerferien? Regnet es Freiheitsrechte? Schokolade? Oder doch eher Prügel? | |
Hierzulande verschickt die Lufthansa eine E-Mail und will mich „auf den | |
Spuren starker Frauen“ nach Mexiko, Paris und St. Petersburg fliegen zu | |
Frida Kahlo, Simone de Beauvoir oder Katharina der Großen. Im | |
Lufthansa-Vorstand sitzen fünf Männer und eine Dame. Köln, der Sitz der | |
Firma, kam als Ziel nicht vor, ich nehme an, dort gibt und gab es zu wenig | |
„starke Frauen“. | |
Ebenfalls per Mail empfiehlt mir das Berliner Spitzenkaufhaus KaDeWe | |
zweideutig „care for yourself“, selbstverständlich mit einem seiner | |
Produkte; ein ähnliches Modell verfolgt ein Klamottendealer, der mir leicht | |
sprachverwirrt „A little cadeau for March 8th“ ans Herz legt. | |
Bei mir könnte man punkten, wenn Berliner Klohäuschen – wie neulich das | |
nagelneue im Ortsteil Wilmersdorf – mir a little Geschenk machten. Dort | |
bietet sich der arglosen Spaziergängerin freie Sicht und freier Eintritt in | |
den Urinalbereich, dummerweise sind die formschönen Schalen für Damen nicht | |
geeignet. | |
An der Rückseite des schick designten Kubus findet sich eine fest | |
geschlossene Tür, daneben die vorbildlich in drei Sprachen abgefasste | |
Bedienungsanleitung, nach der sowohl Münzen als auch Kartenzahlung | |
willkommen sind. Vorne freier Männereintritt mit einer Prise | |
Exhibitionismus, hinten läuft’s zwar im Verborgenen, aber gegen Bares: ein | |
klassischer Fall von Gender Pay Gap. In gewisser Weise ist es verständlich, | |
dass die Herren für lau reingelassen werden, weil sie ja sonst das schöne, | |
neue Örtchen verschmähen und die Bäume am Spielplatz markieren – und das | |
will ja auch keiner. | |
Womit ich hier eine Aufgabe bewerben möchte für hoffnungsvolle | |
Design-Studenten – als praktischer Beitrag zur überhitzten Gender-Debatte: | |
Gratis-Toiletten für alle, denn freier Klozugang ist nicht nur ein Männer- | |
oder Frauen-, sondern ein Menschenrecht. Jetzt seht mal zu, wie ihr das | |
hinkriegt, ohne dass irgendjemand auf die Brille pinkelt. | |
11 Mar 2021 | |
## AUTOREN | |
Pia Frankenberg | |
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