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# taz.de -- Pionierin beim Schlittschuhrennen: Ohne Widerstände übers Eis
> Die holländische Dienstbotin Jitske Gaastra lief als erste Frau 1912 beim
> Elfstedentocht-Rennen mit. Sie wurde gleich zum Star der Veranstaltung.
Bild: Frühe Anerkennung: das Schlittschuhlaufen mussten sich Frauen eher nicht…
Die Geschichten der Pionierinnen in praktisch jeder Sportart handeln immer
auch von Kämpfen, [1][denn widerstandslos ließ das Sportpatriarchat Frauen
nur selten mitmachen.]
Eine Ausnahme ist der niederländische Elfstedentocht, der zwar streng
genommen keine eigene Sportart, aber doch eine der bekannteste
(Amateur-)Sportveranstaltungen der Welt ist. Was auch daran liegt, dass er
so selten stattfinden kann, denn das durch elf friesische Städte führende
Schlittschuh-Rundrennen von Leeuwarden nach Leeuwarden kann nur gestartet
werden, wenn strenger Frost herrscht, Kanäle und Flüsse zugefroren sind. In
diesem Jahr wäre es fast soweit gewesen, aber eben nur fast. Deswegen
bleibt der letzte der insgesamt 15 Elfstedentochts der des Jahres 1997.
1909 hatte die Premiere stattgefunden. Natürlich machten damals nur Männer
mit, aber das sollte sich nur drei Jahre später ändern. Jitske “Jikke“
Gaastra, am 2. Januar 1888 geborene Tochter eines Arbeiters und einer
Näherin, hatte 1909 zugeschaut und war so begeistert, dass sie 1912 auch
starten wollte. Für das große Ereignis hatte sich die damals 24-jährige
Dienstbotin einer reichen Leeuwardener Familie extra zwei Tage
freigenommen. [2][Mit dem heutigen Spektakel,] an dem bis zu 30.000
Menschen teilnehmen, hatte der Elfstedentocht damals nichts zu tun. Gerade
einmal 55 Schlittschuhbegeisterte gingen an den Start. Und das bei äußerst
widrigen Umständen: Tauwetter hatte eingesetzt, es war windig und
regnerisch. Eine Absage wurde von den Organisatoren in Erwägung gezogen.
Die Aktiven sprachen sich aber mit 37 zu 28 Stimmen für das Rennen aus.
„Unter Hurrageschrei“, wie der Leeuwardener Courant berichtete, machte sich
die erste Frau auf den Elf-Steden-Weg. Mit ihrem Bruder Jelle hatte sie
sich akribisch vorbereitet. Und weil die Begeisterung für die Pionierin
immens war, wissen wir sogar, was sie während des Rennens trug: einen
weißen Pullover, einen grünen Rock und eine grüne Mütze sowie Radlerhosen.
Jikkes Mutter hatte ihr außerdem Friese doorloper geborgt, die ab der
Jahrhundertwende populär gewordenen Schlittschuhe mit langen eisernen
Kufen, die unter Straßenschuhen befestigt wurden.
## Bürgermeister an der Strecke
An den Kontrollpunkten wurden die Teilnehmer mit heißem Kakao und
Erbsensuppe versorgt. Ob Jikke dort aber viel Zeit zum Essen und Trinken
blieb, ist fraglich, denn rasch zeigte sich, dass sie der große Star des
Rennens war. Auf jeder Etappe wurde sie von den Bürgermeistern persönlich
begrüßt, dazu erhielt sie Geschenke wie Blumensträuße und in Sloten sogar
eine Silberbrosche mit einem kleinen Schlittschuh.
Der Endpunkt des 1912er Elfstedentocht war unvorhergesehen Sneek. Um 18.06
Uhr kamen Jikke und Jelle im Dunkeln dort an, unter tosendem Applaus und
dem Knall eines abgefeuerten Kanonenschusses. Zu ihrer Enttäuschung
erfuhren sie, dass das Eis auf der weiteren Strecke für nicht mehr
tragfähig erklärt worden war. Die Zuschauer trugen sie auf ihren Schultern
zum Zug nach Leeuwarden, wo ein großer Ball zu Ehren der Elfstedentochtler
stattfand.
Obwohl sie das Rennen nicht hatte beenden konnte, wurde ihr ein goldenes
Ehrenabzeichen überreicht, die Lokalzeitung nannte sie “große Heldin.“ Das
sah man offenkundig auch in anderen Ländern so, in den folgenden Monaten
erhielt sie Fanpost und Geschenke aus aller Welt.
Über das weitere Leben von Jikke ist nicht allzuviel bekannt. Nach dem
Elfstedentocht lernte sie den Schuster Jaap Minderhout kennen, den sie 1917
heiratete. Das Paar zog nach Hilversum, wo es zunächst vier Töchter bekam.
Von den 1920 geborenen Zwillingen Geeske und Ruurdtje überlebte zunächst
nur Ruurdtje, Geeske verstarb im Alter von fünf Tagen aus unbekannten
Gründen. 1925, Jaap war inzwischen in Meppel zum Leiter einer Fabrik
avaniert, wurde Sohn Abraham Jacob geboren. Drei Jahre später musste die
Familie den Tod der inzwischen elfjährigen Ruurdtje verkraften, die an der
damals unheilbaren offener Tuberkulose erkrankt war.
Während des 2. Weltkriegs zog sie zurück nach Friesland, aber auf das
Schlittschuhlaufen verzichtete Jelle weitgehend. In kalten Wintern
kontrolliere sie aber nach wie vor, ob das Eis für einen neuen
Elfstedentocht geeignet sei, erzählte sie 1959 der Frauenzeitschrift
“Margriet“. Vier Jahre später starb Jelle, ihre Tocht-Schlittschuhe sind im
Friesischen Schifffahrtsmuseum ausgestellt.
24 Feb 2021
## LINKS
[1] /Pionierin-des-Radsports-in-Italien/!5727531
[2] https://www.holland.com/de/tourist/reiseziele/provinzen/friesland/elfstadte…
## AUTOREN
Elke Wittich
## TAGS
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Niederlande
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