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# taz.de -- Konflikt um Preisverleihung: Onay will kein Jagdwild sein
> In Hannover eskaliert ein Konflikt zwischen Presse Club und OB Belit
> Onay. Dabei geht es auch darum, wer sich in dieser Stadt so für wichtig
> hält.
Bild: Journalist Rolf Zick (rechts) kennt alle bisherigen Ministerpräsidenten …
Hannover taz | Nun ist ihm also der Kragen geplatzt: „Inakzeptabel und
unverzeihlich“ findet Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay (Grüne) so
einige Dinge, die der aktuelle Vorsitzende des Presse Clubs Hannover,
Jürgen Köster, mit Blick auf das Rathaus von sich gibt. Deshalb will Onay
nun nicht mehr im Kuratorium zur Verleihung des Leibniz-Ringes sitzen und
kündigt die Kooperation der Stadt mit dem Presse Club auf, [1][wie die
Hannoversche Allgemeine (HAZ) zuerst berichtete].
Was der Oberbürgermeister unter anderem so übel genommen hat, sind ein paar
Zeilen in einem [2][Rundschreiben an die Mitglieder des Presse Clubs im
November.] Darin heißt es: „Die Schonzeit ist vorbei! Die Geweihträger
haben keine Chance, wenn auf sie angelegt wird. November ist Jagdzeit im
Tiergarten.“ Und einen Absatz später: „Vorbei mit der Schonzeit für
Oberbürgermeister Onay.“
Nun war dem grünen Stadtoberhaupt möglicherweise gar nicht bewusst, dass er
überhaupt eine Schonzeit genießt: Immerhin bekommt er ja [3][schon seit
Amtsantritt Hassmails und Morddrohungen, die sich gern auch einmal gegen
seine Familie richten.] Onay empfand dies jedenfalls als „Aufruf zur Jagd
auf meine Person“, der ihn zudem an Gaulands Äußerungen nach der
Bundestagswahl erinnerte. Und er mahnte mit dem Hinweis auf den Mordfall
Lübcke, man solle bedenken, „welche Wirkung eine verächtliche Sprache“
habe.
Seiner Empörung schaffte er anfangs allerdings noch bei den
Vorstandsmitgliedern des Presse Clubs Luft und nicht öffentlich. Aus dem
Rathaus hieß es, man habe erwartet, dass die sich distanzieren oder für
eine Entschuldigung sorgen. Doch es passierte: nichts.
Stattdessen legte der kritisierte Presse-Club-Chef nach. In seinem jüngsten
Rundschreiben erzählt er von einem Telefongespräch mit dem Stadtkämmerer
Dr. Axel von der Ohe: „Wir haben festgestellt, dass Stadt Hannover und
Presse Club Hannover auch in Zukunft zusammenarbeiten möchten. Die
angekündigte Einladung zur Tasse Kaffee, die kommen soll, werde ich gerne
annehmen und im Rathaus genießen.“
## Das Problem mit dem Leibniz-Ring-Preisträger 2020
Das wiederum interpretiert man im Rathaus als Signal, dass die Äußerungen
Onays nicht ernst genommen werden und stattdessen der Versuch unternommen
wird, seine Verwaltungsspitze gegen ihn auszuspielen. Das ist keine ganz
abwegige Interpretation, wenn man die Vorgeschichte und handelnde Personen
anschaut. Seinen Ursprung hat dieser Konflikt in der [4][Verleihung des
Leibniz-Ringes an den 99-jährigen Journalisten Rolf Zick] im vergangenen
Jahr.
Rolf Zick hat die Landespressekonferenz mitgegründet, kennt oder kannte
alle elf niedersächsischen Ministerpräsidenten persönlich und steht auch
gern als Zeitzeuge zur Verfügung, um in Schulen über seine Erfahrungen als
Flakhelfer-Ausbilder und Kriegsgefangener zu berichten.
Er ist auch Ehrenvorsitzender des Presse Clubs Hannover und als nun – in
der Pandemie – eine Preisverleihung in eher kleinem Rahmen anstand, hielt
der Vorsitzende Köster es für eine gute Idee, dann doch gleich jemanden aus
den eigenen Reihen auszuzeichnen.
Dummerweise deckte kurz vor der Auszeichnung ein Historiker auf, dass Zick
Mitglied der NSDAP gewesen ist. Der kann sich daran nicht erinnern, was ja
auch anderen Prominenten schon so ging: Walter Jens und Siegfried Lenz, zum
Beispiel. Lange hielt sich das Gerücht, es seien damals Hitlerjungen quasi
en bloc in die Mitgliedskartei der NSDAP überführt worden – das gilt aber
in der Forschung mittlerweile als widerlegt, [5][wie der Historiker Malte
Herwig in der HAZ betonte].
Möglicherweise wäre das eine gute Gelegenheit gewesen, die schwierige Rolle
der wenigen verbliebenen Zeitzeugen zu reflektieren. Immerhin berichtet
hier ein fast 100-Jähriger über Ereignisse, die stattfanden, als er 18 war.
Wer sich je mit der Funktionsweise des menschlichen Gedächtnisses
beschäftigt hat, weiß, dass das nicht ohne Auslassungen oder Verschiebungen
geht.
Doch Zick beharrte darauf, sich nicht erinnern zu können. Eine schwierige
Situation für die zahlreiche Politprominenz, die zur Preisverleihung
eingeladen war. Niemand, der je mit Zick zu tun hatte, hält ihn für einen
verkappten Alt-Nazi, aber die mangelnde Bereitschaft zur kritischen
Auseinandersetzung mit den eigenen Gedächtnislücken enttäuschte.
## Vermeintliche Gewohnheitsrechte und gekränkte Eitelkeiten
Belit Onay suchte persönlich das Gespräch mit dem alten Herren und erklärte
ihm, warum er es unter diesen Umständen schwierig fand, den traditionellen
Eintrag ins Goldene Buch der Stadt zuzulassen. Zu genau diesem
Programmpunkt hatte Presse-Club-Chef Jürgen Köster aber längst eingeladen.
Und er reagierte nun schwer beleidigt, als man ihn zurückpfiff. Auch den
berichtenden Journalisten nahm er übel, dass sie das Thema überhaupt
aufgerührt hatten und damit seine schöne Preisverleihung beschädigten.
Immer wieder kam er in den folgenden Rundschreiben auf das Thema zurück, in
er denen sonst in jovial-onkelhaftem Tonfall darüber plaudert, wie er
früher auf der Schreibmaschine schrieb („war die Zeile voll, klingelte es“)
oder vom Kurzurlaub erzählt („am Tegernsee, wo ich vergangenes Wochenende
war“). Das sagt viel über die Person Köster und das Wesen des Presse Clubs.
In dem finden sich kaum aktive Journalisten, aber viele PR-Leute.
Der Leibniz-Ring, den der Presse Club auch erst seit 2012 vergibt, ging
bisher selten an umstrittene Persönlichkeiten. Das PR-Event sollte eher für
einen Hauch von Glamour und Bedeutung sorgen, in dem sich die Anwesenden –
überwiegend ältere Herren nebst Gattinnen – dann sonnen konnten. Zu den
Preisträgern zählen auch so Harmlosigkeiten wie der (in Hannover
unvermeidliche) Scorpions-Sänger Klaus Meine oder
Deutsche-Komödien-Spezialist Sönke Wortmann.
## Entschuldigung fällt schwer
Der 72-jährige Köster war früher einmal ein gefragter Radiomacher. Er soll
Ende der 80er-Jahre NDR 1 Radio Niedersachsen zu neuen Erfolgen geführt
haben, verließ den NDR aber, weil er nicht unter Lea Rosh arbeiten wollte.
Danach war er kurze Zeit beim Radiosender FFN, gründete dann den
Classic-Rock-Sender „Radio 21“.
Seine regelmäßige „Post vom Vorsitzenden“ wirkt genauso
konservativ-betulich wie die Titel der meisten Clubabende und besteht vor
allem aus dem fleißigen Zurschaustellen seines „Old-Boys-Network“: „unser
Mitglied Joachim König, Chef des Hannover Congress Centrum (HCC)“ hier,
„unser Mitglied Prof. Madjid Samii, Präsident des International
Neuroscience Institut (INI)“ dort.
Mit dem Entschuldigen tut sich Köster erkennbar schwer: „Falls aus meiner
Mail vom 10. 11. 2020 an die Mitglieder des Presse Clubs Hannover die von
Ihnen formulierten Vorwürfe ernsthaft heraus interpretiert werden können,
versichere ich, dass dieses nie meine Absicht war. Dann entschuldige ich
mich in aller Form.“ So zitiert die HAZ seinen Versuch zu retten, was zu
retten ist. Dass Onay sich damit zufrieden gibt, gilt als unwahrscheinlich.
2 Mar 2021
## LINKS
[1] https://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Hannover-kuendigt-Presseclub-Zusa…
[2] https://presse-club-hannover.de/post-vom-vorsitzenden
[3] /Hetze-gegen-neuen-Buergermeister-Onay/!5638490
[4] /Archiv-Suche/!5717758&s=Zick+Leibniz+ring&SuchRahmen=Print/
[5] https://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Interview-zur-Kontroverse-um-Leib…
## AUTOREN
Nadine Conti
## TAGS
Belit Onay
Hannover
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NSU 2.0
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