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# taz.de -- Frühzeitige Impfung gegen Corona: Hobbyretter retten sich selbst
> Der ehemalige Bürgermeister von Langeoog hat als Seenotrettungs-Trainee
> angeheuert. Belohnung für das Hobby: Eine Corona-Impfung.
Bild: Volle Fahrt voraus: Ein Schiff der Seenotretter in der Nordsee
Oldenburg taz | Schnellen Schritts eilt Langeoogs Ex-Bürgermeister zur
„Secretarius“, dem auf der ostfriesischen Insel stationierten Boot der
Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS). Uwe Garrels
trägt einen orangefarbenen Overall und eine lustige bunte Strickmütze – mit
dem Schriftzug „Uwe“. Er zögert kurz, bevor er zum Sprung an Bord ansetzt.
Routinierter sind da DGzRS-Vormann Sven Klette und Rettungsmann Ralf
Heimes. Garrels ist mit Eifer bei der Sache. Das zeigt ein [1][kurzer
Videoclip auf Youtube] vom Tag der Seenotretter Ende Juli 2020. Der
65-Jährige nestelt leicht aufgeregt an seiner [2][Coronamaske], rückt die
Brille zurecht, lächelt und sagt: „Ich bin Uwe, Wattführer und Rentner.“
Der Untertitel weist ihn als Rettungsmann aus.
Das stimmt nicht ganz, wie die DGzRS-Zentrale in Bremen jetzt einräumt.
Garrels ist immer noch in der Ausbildung, ein sogenannter Trainee der
Freiwilligen-Station auf Langeoog. Für einen richtigen Einsatz fehlt ihm
bislang eine wichtige Voraussetzung: Das Seediensttauglichkeitszeugnis.
Eine ärztliche Bescheinigung, die körperliche und geistige Fitness
attestiert und die alle zwei Jahre erneuert werden muss.
Für Vormann Sven Klette keine große Sache: „Das kann jeder so halbwegs
selbst einschätzen“, sagt er, angesprochen auf seinen Trainee Garrels. Der
sei auch schon mal bei Krankentransporten dabei gewesen. Die dafür
erforderliche Qualifikation sei überschaubar, meint Klette unbefangen. „Man
muss sich an Bord auskennen. Man muss wissen, wo die Knöpfe sind.“ Außerdem
habe Garrels unbestreitbare Eigenschaften, die das fehlende Zeugnis
wettmachen: „Er war Wattführer, kennt sich mit Prielen und Tidegewässer gut
aus.“
Antke Reemts, Pressesprecherin der DGzRS in Bremen, erklärt, dass alle 55
Stationen bereits am 23. März 2020 per Mail darüber informiert wurden, dass
„der Nachweis der Seediensttauglichkeitsuntersuchung Coronavirus-bedingt
bis auf Weiteres ausgesetzt ist“. Mittlerweile also fast ein ganzes Jahr.
Nach ihren Informationen seien alle Praxen, die den Nachweis ausstellen
können, gegenwärtig geschlossen.
## Es stellt sich die Frage, ob nur Garrels durchs Raster fiel
Dr. Philipp Langenbuch, Seedienstärztlicher Leiter der Berufsgenossenschaft
Verkehr in Hamburg, widerspricht. „Wir haben im vergangenen Jahr 12.000
Seediensttauglichkeitszeugnisse ausgestellt. Von 60 entsprechend
autorisierten Ärzten hätten 50 ihre Praxen auch während der Pandemie
geöffnet. „Das kann nicht der Grund sein, warum die Bescheinigung nicht
vorgelegt wird.“
Es stellt sich die Frage, ob nur Trainee Garrels durchs Raster fiel oder ob
auch andere der mehr als 1.000 Seenotretter zurzeit nicht im Besitz einer
gültigen Seediensttauglichkeitsbescheinigung sind. Die DGzRS hat im März
vergangenen Jahres außerdem alle Lehrgänge ausgesetzt. Ab Mitte Juni sei
ein eingeschränkter Lehrbetrieb wieder aufgenommen worden, insbesondere im
Bereich der medizinischen Ausbildung.
Aber auch Laien dürfen an Bord der Rettungsboote, ohne Lehrgang und ohne
Seediensttauglichkeitsbescheinigung, bestätigt Reemts. Wenn vom Vormann
entschieden werde, dass Fähigkeiten vorhanden sind, „die gebraucht werden,
um einen Einsatz zu begleiten“.
Ein Trainee wie Uwe Garrels, der mit Mitte 60 noch seine Liebe zum
maritimen Rettungsdienst entdeckt, hat Glück, denn eine Altersgrenze gibt
es nicht. Und seinem neuen Hobby hat er es nun auch zu verdanken, dass er
bereits Anfang Januar gegen Corona geimpft wurde, obwohl er noch gar nicht
dran gewesen wäre.
Seenotretter sind nach der [3][Impfverordnung des Bundes] zwar „mit
höchster Priorität zu impfen“, heißt es von der zuständigen Kreisverwaltu…
in Wittmund. Der Landkreis hat eine Namensliste von der
DGzRS-Freiwilligenstation Langeoog bekommen und dem Impfzentrum in Esens
weitergemeldet. Allerdings hat offensichtlich niemand geprüft, ob die Liste
stimmt.
Ob also alle 19 freiwilligen Rettungsmänner und -frauen etwa im Besitz
eines gültigen Tauglichkeitszeugnisses, nicht langzeitkrank oder
anderweitig belastet sind und damit tatsächlich impfberechtigt. Alle mehr
oder weniger engagierten freiwilligen Langeooger Seeretter wurden genauso
priorisiert wie die zweifellos systemrelevanten DGzRS-Hauptamtlichen, die
etwa Dienst auf den ständig besetzten Rettungskreuzern in Nord- und Ostsee
tun. Gerade weil die Rettungsdienste auf dem Festland noch nicht
durchgeimpft und auch viele ältere Menschen immer noch ohne Corona-Impfung
sind, kann erwartet werden, dass Organisationen wie die DGzRS Impflisten
nach geltenden Kriterien erstellen.
Ob Ex-Bürgermeister und DGzRS-Trainee Garrels aufgrund seines freiwilligen
Engagements also tatsächlich [4][impfberechtigt war, steht infrage]. In
einer umfangreichen Stellungnahme schreibt Garrels, er sei „ohne eigenes
Zutun“ zum Kreis der Impfberechtigten gezählt worden. Sein ausdrücklich als
„höchstpersönlich“ erstellt deklariertes Schreiben wurde übrigens von
DGzRS-Pressesprecherin Antke Reemts ergänzt und geändert. Das zeigt die
digitale Signatur des Dokuments.
Priorisiert geimpft wurde auch eine von Vormann Klettes Töchtern.
Allerdings nicht in Esens, sondern weitab von der rauen Nordsee im
fränkischen Erlangen, wo die 24-Jährige lebt und studiert. Sie ist laut
ihrem Facebook-Profil seit acht Jahren bei der DGzRS. Wann und wie oft sie
im Einsatz war, dazu schweigt die DGzRS – Datenschutz, heißt es.
Die Freiwilligenstation auf der Nachbarinsel Juist kommt übrigens mit
weniger als zehn freiwilligen Rettern aus. Sieben können das Boot fahren,
sie sind geimpft. Langeoogs Vormann Klette hat nach eigenen Abgaben unter
seinen 18 Freiwilligen gerade mal vier Bootsführer für die „Secretarius“.
1 Mar 2021
## LINKS
[1] https://www.youtube.com/watch?v=GkHLuw-bLZs
[2] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746
[3] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/coronavirus/faq-covid-19-impfun…
[4] /Unrechtmaessige-Impfung-gegen-Covid-19/!5747433
## AUTOREN
Christina Gerlach
## TAGS
Seenot
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