# taz.de -- Fettes vor der Fastenzeit: Die Pfannkuchen-Frage | |
> Erdbeermarmelade oder Pflaumenmus? Puderzucker oder Zuckerguss? Karneval | |
> fällt dieses Jahr zwar aus – Fettgebackenes gibt es aber trotzdem. | |
Bild: Ob Berliner oder Pfannkuchen: Hier Vorsicht mit dem Anzug! | |
Karneval fällt dieses Jahr aus den bekannten Gründen aus. Nicht dass das | |
die Berliner und Berlinerinnen besonders interessieren würde, die stehen | |
dem verordneten Frohsinn eher kühl gegenüber. Aber in einer Sache sind sie | |
dann doch an der „fünften Jahreszeit“ interessiert. Denn in dieser gibt es | |
am Rosenmontag und Faschingsdienstag in fast jeder Bäckerei Berliner | |
Pfannkuchen in Hülle und Fülle. | |
Lassen Sie mich an dieser Stelle kurz persönlich werden: Ich tat mich immer | |
schwer mit den Berliner Pfannkuchen in Berlin. Da, wo ich herkomme (was | |
soll’s: Ich bin Schwabe), nennt man den Berliner Pfannkuchen „Berliner“. … | |
ist in meiner Kindheitserinnerung so gut wie immer mit Erdbeer- oder | |
Himbeermarmelade gefüllt und mit Puderzucker bestäubt. Als ich dann nach | |
Berlin zog, in die vermeintliche Welthauptstadt dieser „Berliner“, nannte | |
man die in Fett gebackenen Kugeln plötzlich Pfannkuchen und ich bekam sie | |
viel zu oft mit Pflaumenmus gefüllt und mit Zuckerguss überzogen. Das war | |
aber nicht so, wie sie für mich sein sollten. | |
Aber was soll das überhaupt: dort „Berliner“, hier „Pfannkuchen“? | |
Erdbeermarmelade oder Pflaumenmus, was gehört rein in das Fettgebäck? Und | |
warum sind die Dinger ausgerechnet an Karneval so beliebt? | |
Fangen wir mit der Etymologie an. Wie kam der Berliner Pfannkuchen zu | |
seinen verschiedenen Namen? Bernd Kütscher, Direktor der Akademie Deutsches | |
Bäckerhandwerk in Weinheim, erklärt: „Die Geschichte des Gebäcks geht | |
zurück bis ins 16. Jahrhundert. Die Herkunft ist wie bei vielen | |
Traditionsgebäcken nicht mehr nachvollziehbar. Einer populären Legende nach | |
soll ein Bäcker aus Berlin das Gebäck 1756 erfunden haben, der als Kanonier | |
unter Friedrich dem Großen dienen wollte, sich als wehruntauglich erwies | |
und stattdessen als Feldbäcker die Berliner als Nachbildung einer | |
Kanonenkugel formte und backte. Dies ist aber nur ein Mythos, da das Gebäck | |
schon 1715 erwähnt wurde, im ‚Frauenzimmer-Lexicon‘ von Amaranthes.“ | |
Immerhin reichte dieser Mythos aus, um in den Hefekugeln, die sich im 18. | |
und 19. Jahrhundert auch unter anderen regionalen Namen wie Krapfen oder | |
Kreppel verbreiteten, eine aus Berlin stammende Spezialität zu sehen. Sie | |
wurden im Großteil Westdeutschlands also aufgrund ihrer vermeintlichen | |
Herkunft kurzerhand zu „Berlinern“. Die Universität Salzburg schreibt in | |
ihrem „Atlas zur deutschen Alltagssprache“, dass das Gebäck in Berlin | |
selbst dagegen „logischerweise“ ohne Benennung seines Ursprungsortes | |
auskomme und deswegen „Pfannkuchen“ heiße. Weil der Rest der Welt unter | |
„Pfannkuchen“ freilich wiederum etwas anderes versteht, nämlich eine dünn | |
gebackene Mehlspeise, nennt der Berliner diese wiederum „Eierkuchen“. Es | |
ist wirklich sehr kompliziert. | |
## Berliininmunkki oder Bolas de Berlim | |
Auch international hat der Berliner Pfannkuchen Karriere gemacht. In Chile | |
heißt er „Berlines“, in Norwegen „Berlinerboller“, in Finnland | |
„Berliininmunkki“. In Portugal ist er als „Bolas de Berlim“ beliebt. Ei… | |
vor den Nazis geflohene Jüdin brachte ihn Ende der Dreißiger dorthin. Man | |
füllt ihn mit „Creme pasteleiro“, einer Mischung aus Ei und Vanille, und | |
isst ihn am liebsten im Sommer am Strand. | |
Warum aber wurde der Berliner Pfannkuchen zum Karnevalsklassiker? Hierzu | |
weiß Bernd Kütscher zu berichten: „Vermutlich ist er eine Art Gegenstück zu | |
den mageren Fastengebäcken, die in den Fastenzeiten vor allem an | |
christlichen Feiertagen verzehrt werden mussten. In der Fastnachtszeit hat | |
man sich mit reichhaltigen Schmalzgebäcken ein wenig Reserven für die | |
folgende, magere Fastenzeit zugelegt.“ | |
Marian Kalliske, Leiter der Bäcker-Innung in Berlin, glaubt, dass diese | |
eben beschriebene Tradition immer noch wichtig ist für die Popularität des | |
Berliner Pfannkuchens in der Hauptstadt. „Dafür verantwortlich sind auch | |
die vielen Zuzügler, etwa aus dem Rheinland, wo eben noch Fastnacht | |
gefeiert wird. Auch für die backen selbst die Berliner Betriebe, die mit | |
Karneval nicht so viel zu tun haben, Pfannkuchen noch und nöcher.“ Rund | |
achtzig Prozent der von seiner Innung vertretenen fast 70 | |
Backhandwerksbetriebe würden ihn auch noch selber produzieren. | |
Als Beispiel dafür, dass da so einiges geht mit dem gefüllten Hefegebäck, | |
nennt er die Friedrichshainer Manufaktur „Sugarclan“: „Die backen nur | |
Pfannkuchen, und das ganz toll. Die sind sehr sehenswert und vom Geschmack | |
her sowieso spitze.“ | |
Man trifft Britta Sarnes, die Betreiberin des „Sugarclan“, in ihrem Laden. | |
Vor eineinhalb Jahren hat sie ihre Manufaktur geöffnet. „Wir haben das | |
gemacht, weil der Berliner Pfannkuchen ein Aushängeschild für Berlin ist. | |
Kaum etwas anderes kann so gut sagen: Herzlich willkommen in Berlin“, sagt | |
sie. | |
Diesen perfekt zu backen, sei eine Kunst für sich. Denn es sei sehr | |
zeitaufwendig, mit frischer Hefe zu arbeiten. Und man könne viel falsch | |
machen. Das bestätigt auch Marian Kalliske von der Berliner Bäcker-Innung: | |
„Die Fettmenge muss stimmen, damit der Pfannkuchen beim Backen nicht zu | |
viel Fett aufnimmt. Ebenso die Fetttemperatur. Sie darf nicht zu hoch sein, | |
sonst werden sie zu schnell braun, sind aber nicht richtig durchgebacken. | |
Ist sie zu niedrig, fallen sie ein, werden zu flach und so weiter.“ Es | |
dürfe auch nur ein Bäckermeister Berliner Pfannkuchen backen, so Britta | |
Barnes, anders sei das etwa bei Cupcakes. Sie selbst backt übrigens nicht, | |
dafür hat sie eine festangestellte Bäckermeisterin. | |
Bleibt noch die Erdbeermarmelade- oder Pflaumenmus-Frage. Michael Isensee, | |
Qualitätsprüfer für das Deutsche Brotinstitut, sagt: Es sei einfach so, | |
dass sich in Westdeutschland eher die Marmelade als Füllung durchgesetzt | |
habe, in Ostdeutschland dagegen das Pflaumenmus. Warum das so ist: „Keine | |
Ahnung.“ | |
So, wie ich sie am liebsten hätte, in der | |
Erdbeermarmelade-Puderzucker-Kombi, gibt es die Berliner Pfannkuchen | |
übrigens auch beim „Sugarclan“ nicht. „Wir verwenden keinen Puderzucker�… | |
sagt Britta Sarnes, „weil man sich damit sofort die Klamotten versaut. | |
Kommt Puderzucker auf einen Anzug, kann man den gleich in die Reinigung | |
bringen.“ Es ist wirklich alles nicht so einfach mit den Berliner | |
Pfannkuchen. | |
15 Feb 2021 | |
## AUTOREN | |
Andreas Hartmann | |
## TAGS | |
Fastenzeit | |
Karneval | |
Marmelade | |
Schwerpunkt Landtagswahl in Rheinland-Pfalz | |
Kolumne Die Wahrheit | |
Karneval | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Fastnacht in Mainz: Helau again! | |
Wir Mainzer sind hochbegabt, aber nicht tiefgründig. Weltoffen, aber erst | |
nach dem Essen. Und die Fastnacht ist heute viel sozialdemokratischer. | |
Die Wahrheit: Februar, in Flaschen abgefüllt | |
Die unerträglichsten Monate sind der November und Februar. So ist es nicht | |
erstaunlich, dass beide viel mit Karneval zu tun haben. | |
Rosenmontag in der Hauptstadt: Auf ein Kölsch oder zwei oder drei … | |
Unser Autor kommt aus Köln, der Jecken-Hochburg schlechthin, und begibt | |
sich auf die Suche nach Karneval in Berlin. Er landet in der Ständigen | |
Vertretung. Alaaf! Und Helau! |