# taz.de -- Brennelement-Exporte nach Doel: Atomaufsicht auf Tauchstation | |
> Im Januar wurden Brennelemente ohne gültige Genehmigung von Lingen in das | |
> belgische AKW exportiert. Warum reagiert die Aufsicht nicht? | |
Bild: Von hier wurden die Brennelemente exportiert: ANF-Fabrik in Lingen | |
Berlin taz | Nachdem im Januar trotz Widersprüchen mit aufschiebender | |
Wirkung [1][Exporte aus der Brennelementefabrik im niedersächsischen Lingen | |
ins belgische AKW Doel] durchgeführt wurden, steht jetzt auch die | |
niedersächsische Atomaufsicht in der Kritik. In einem Brief haben mehrere | |
Anti-Atom-Initiativen dem niedersächsischen Umweltminister Olaf Lies (SPD) | |
Untätigkeit vorgeworfen. | |
Von ihm als dem verantwortlichen Minister für die Atomaufsicht sei „bislang | |
kein einziges Wort zu hören gewesen“, heißt es darin. „Das ist aus unserer | |
Sicht völlig unverständlich und wird Ihrem gesetzlichen Auftrag nicht | |
gerecht.“ Durch die Transporte sei „der besorgniserregende Eindruck | |
entstanden, als habe sich rund um die Framatome GmbH ein rechtsfreier Raum | |
gebildet“. | |
Eine Antwort haben die Initiativen eigenen Angaben zufolge auch eine Woche | |
danach noch nicht bekommen. „Wie sich Niedersachsen hier wegduckt, ist | |
ziemlich skandalös“, sagt Matthias Eickhoff vom Bündnis Sofortiger | |
Atomausstieg Münster, einer der Unterzeichner des Briefs. Auch eine | |
taz-Anfrage nach Konsequenzen aus den vermutlich illegalen Transporten hat | |
das Ministerium nach fast zwei Wochen noch nicht beantwortet. | |
Aus der Brennelementefabrik in Lingen waren zwischen dem 18. und 25. Januar | |
insgesamt vier Transporte in das belgische Uralt-AKW Doel gegangen, obwohl | |
der Umweltverband BUND Widerspruch gegen die Genehmigungen eingelegt hatte. | |
Dieser hat nach Ansicht der zuständigen Genehmigungsbehörde aufschiebende | |
Wirkung. | |
## „Aufschiebende Wirkung“ | |
Die Betreiberfirma Advanced Nuclear Fuels (ANF), die zum französischen | |
Atomkonzern Framatome gehört, hält die Durchführung jedoch weiterhin für | |
rechtmäßig. In einer Anhörung des Lingener Umweltausschusses am Montag | |
erklärte der Geschäftsführer Peter Reimann laut Neuer Osnabrücker Zeitung: | |
„Alles, was wir tun, steht auf dem Boden des Rechts.“ Nach seinen Angaben | |
hatte ANF am 15. Januar schriftlich beim zuständigen Bundesamt für | |
Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) angefragt, ob der vorliegende | |
Widerspruch aufschiebende Wirkung habe. Als das Bafa bis zum Vormittag des | |
18. Januar nicht geantwortet habe, habe das Unternehmen den ersten | |
Transport losgeschickt. | |
Das Bafa hat dieser Darstellung widersprochen. Das Unternehmen sei am 15. | |
Januar über den Widerspruch informiert gewesen, teilte die Behörde mit – | |
und auch über die Einschätzung des Bafa, „dass die Klage einer | |
Umweltorganisation aufschiebende Wirkung habe“. Am 18. Januar sei das dem | |
Rechtsanwalt des Unternehmens erneut in einem Gespräch mitgeteilt worden; | |
am 21. Januar habe es dann eine förmliche Mitteilung der Behörde an das | |
Unternehmen gegeben. Selbst wenn die rechtliche Lage beim ersten Transport | |
am 18. Januar noch unklar gewesen sein sollte, war sie somit zumindest bei | |
den beiden Transporten am 22. und 25. Januar eindeutig. | |
## Umweltverbände stellen Strafnazeige | |
Wegen der trotz Widerspruchs durchgeführten Transporte haben Umweltverbände | |
mittlerweile bei der Staatsanwaltschaft Osnabrück Strafanzeige gegen die | |
Verantwortlichen bei ANF gestellt. Aus Sicht des Bundesumweltministeriums, | |
das in dieser Frage die Aufsicht über das Bafa hat, ist das | |
nachvollziehbar. Man habe das Unternehmen im Vorfeld ausdrücklich gewarnt, | |
heißt es in einem Bericht des Ministeriums, der am Mittwoch im | |
Bundestags-Umweltausschuss vorgestellt wurde. Das Bafa habe „die | |
Genehmigungsinhaberinnen auf das Strafbarkeitsrisiko bei dennoch | |
stattfindenden Ausfuhren hingewiesen“, heißt es darin. Im Dezember hatte | |
ANF/Framatome sich [2][bereits bei Brennelementtransporten ins | |
schweizerische AKW Leibstadt über einen Widerspruch hinweggesetzt]. Auch in | |
diesem Fall ist Strafanzeige erstattet worden. | |
Begründet werden die Widerspruchsverfahren mit der Gefahr, die von alten, | |
störanfälligen AKWs im Ausland nahe der deutschen Grenze ausgeht. [3][Das | |
Bundesumweltministerium hatte versucht, sie gesetzlich verbieten zu lassen, | |
war damit aber gescheitert]. | |
11 Feb 2021 | |
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## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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