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# taz.de -- Ukraine nach Brand in Altenheim: Dubiose Zustände in Pflegeheimen
> Der Tod von 15 SeniorInnen wirft ein Schlaglicht auf die Situation alter
> Menschen. Das Geschäft mit privaten Heimen ohne Lizenz floriert.
Bild: In dem Pflegeheim in Charkiw sollen schon vor dem Brand schlechte Bedingu…
Kiew taz | Der heutige Sonntag ist in der Ukraine landesweiter Trauertag,
nachdem bei einem Brand in einem Altenheim in der [1][östlichen Metropole
Charkiw] am Donnerstag 15 BewohnerInnen ums Leben gekommen und elf weitere
verletzt oder schwer verletzt in ein örtliches Krankenhaus eingeliefert
werden mussten.
Sofort nach Bekanntwerden der Katastrophe war [2][Präsident Wolodimir
Selenski] am Wochenende nach Charkiw gereist, wo er Überlebende besuchte
und sich vor Ort über den Brand informierte. Gleichzeitig beauftragte er
Innenminister Arsen Awakow, die Aufklärung der Katastrophe persönlich in
die Hand zu nehmen.
Sogar der [3][belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko] sprach der
Ukraine öffentlich sein Beileid aus. Premierminister Denis Schmyhal
verkündete auf einer Sondersitzung des Parlamentes die Einrichtung einer
eigenen Untersuchungskommission zu dem Feuer. Der Brand am Donnerstag sei
auf einen leichtsinnigen Umgang mit Elektrogeräten zurückzuführen, erklärte
Generalstaatsanwältin Irina Wenediktowa.
Nachlässig war man in dem Heim in Charkiw offenbar nicht nur im Umgang mit
Geräten. In der Nachbarschaft hat sich herumgesprochen, dass sich das
Personal kaum um die älteren BewohnerInnen kümmerte. Im Fernsehsender TSN
berichtet eine Nachbarin, sie habe beobachtet, dass Frauen bei Temperaturen
von minus 15 Grad nur leicht bekleidet vor der Tür im Freien gestanden
hätten. Eine habe sogar blaue Flecken im Gesicht gehabt.
Inzwischen sind vier Personen festgenommen worden, darunter der Vermieter
und der Mieter der Räumlichkeiten. Doch damit ist das eigentliche Problem
nicht gelöst. Dass Präsident Selenski den Brand zur Chefsache erklärt
hatte, liegt auch daran, dass die Feuerkatastrophe ein Schlaglicht auf die
Lage der älteren Menschen in der Ukraine geworfen hat – bislang ein
Tabuthema.
## Lukratives Geschäft mit Altenheimen
Von den rund sieben Millionen alten Menschen in der Ukraine, lebt laut
Nachrichtenagentur Ukrinform jeder Fünfte ohne Angehörige. Gleichzeitig
gebe es landesweit gerade einmal 65 staatliche Altersheime, gibt die
Journalistin und Mitbegründerin der Stiftung für Palliativversorgung
ProVita, Marharyta Tulup, gegenüber der taz an. In denen könne nur einen
Platz bekommen, wer keine Angehörigen im arbeitsfähigen Alter habe.
In Dörfern würden sich oft Familien zusammenschließen, um eine Wohnung für
ältere MitbürgerInnen anzumieten, so Tulup. Auch viele private Heime hätten
sich landesweit gegründet. Über die Zahl derartiger Einrichtungen kann man
nur rätseln. Denn genehmigungspflichtig sind nur Einrichtungen, die
medizinische Leistungen anbieten. Wer beispielsweise „Wohnraum mit sozialen
Leistungen“ anbiete, brauche keine Lizenz, so Tulup. Derartige Wohnungen
dürfen VertreterInnen von Behörden nur mit einem Gerichtsbeschluss
betreten.
Lukrativ ist das Geschäft mit den alten Menschen allemal. Ungefähr 300 Euro
bezahle man in Charkiw für ein Bett in einem Zimmer, das man sich mit drei
weiteren Personen teilen müsse, berichtet der Charkiwer Journalist
Stanislaw Kibalnik vom Portal assembly.org.ua der taz. Je nach
Leistungsangebot müsse man das Doppelte oder Dreifache bezahlen. Da bleibt
einiges für die AnbieterInnen übrig, wenn man einen Preis von rund 500 Euro
für eine Drei-Zimmer-Wohnung zugrunde legt.
Doch verdienen kann man nicht nur am Leben der alten Menschen. Im Sender
TSN wundert sich eine Angehörige, woher ein [4][Beerdigungsinstitut] ihre
Telefonnummer erhalten habe. Dieses habe sie sofort nach dem Ableben ihrer
Oma in einem Heim angerufen und seine Dienste angeboten.
24 Jan 2021
## LINKS
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[4] /Trauerfeiern-in-Corona-Zeiten/!5685504
## AUTOREN
Bernhard Clasen
## TAGS
Wolodymyr Selenskij
Ukraine
Alten- und Pflegeheime
Senioren
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