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# taz.de -- Prozess um erstickte Vietnames*innen: Lange Haft für Schleuser
> In einem Lkw in England waren 39 Migrant*innen aus Vietnam tot
> entdeckt worden. Zwei Schleuser müssen für viele Jahre in Haft.
Bild: In diesem Lkw erstickten 39 vietnamesische Migrant*innen
London taz | Mehr als ein Jahr nach dem Tod von 39 Vietnames*innen in
einem Kühllastwagen in Großbritannien hat ein Londoner Gericht am Freitag
insgesamt sieben Angeklagte zu Haftstrafen von bis zu 27 Jahren verurteilt.
Bereits im Dezember vergangenen Jahres waren die Mitglieder für schuldig
erklärt worden, nun erhielten sie Freiheitsstrafen. Richter Nigel Sweeney
erklärte im Kriminalgericht Old Bailey: „Dies ist ein Fall, den wir nicht
vergessen werden.“
[1][Die 39 toten Vietnames*innen im Alter von 15 bis 44 Jahren] waren
am 23. Oktober 2019 in Purfleet im Südosten Englands [2][in einem Lkw
entdeckt worden]. Mindestens zwölf Stunden waren sie in dem luftdicht
versiegelten, bis zu 40 Grad heißen Container eingesperrt. Nach
Expertengutachten ist der Sauerstoff in einem solchen Container bei nur 15
bis 20 Menschen nach neun Stunden verbraucht.
Am besagten 23. Oktober hatte die Gang „die Ladung“ nach einem vorherigen
erfolglosen Versuch verdoppelt, um kein Geld zu verlieren. Die
Vietnames*innen hatten sich vorher in Schleuserwohnungen in Paris,
Brüssel und Dünkirchen aufgehalten und waren danach mit Taxis in die Nähe
von Calais gefahren, wo sie in einer Scheune auf ihre schicksalhafte
Abholung warteten. Am frühen Morgen des 23. Oktober endete die Fahrt in
einer einsamen Straße im Industriegebiet nahe dem Londoner Containerhafen
Purfleet.
LKW-Fahrer Eamonn Harrison, 24, hatte die 39 Menschen abgeholt und brachte
den Container zum Hafen. Am Tag der Tragödie holte der 26-Jahre alte
LKW-Fahrer Maurice Robinson in Purfleet ab, der seine Schuld bereits zu
Beginn des Prozesses zugegeben hatte. Robinson war sich der Gefahr des
Erstickens bewusst, denn sein Boss, Spediteur Ronan Hughes, 43, aus
Tyholland in Irland, hatte ihm zuvor eine Nachricht geschrieben, den
Vietnamesen nach ihrer Ankunft schnell Luft zu verschaffen, „aber sie nicht
rauszulassen“. Sie kamen nie mehr lebendig raus.
## Eingeschlossene versuchten, die Decke einzuschlagen
Derselbe Hughes war es, der Robinson und einen weiteren Fahrer aus
Nordirland für solche Operationen rekrutiert hatte. Um an Aufträge für
seinen geplanten Menschenhandel zu kommen, hatte der Spediteur besonders
günstige Lieferpreise für den Import von Lebensmitteln nach England
angeboten. Der Rumäne Gheorghe Nica, 43, koordinierte alles.
Der Prozess brachte einige schreckliche Details ans Licht: So hatten die
Eingeschlossenen vergeblich versucht, die Decke des Containers mit einem
Metallstab zu durchschlagen, um sich ein Luftloch zu verschaffen. Alle
Opfer träumte von einem besseren Leben in England und hatten sich viel Geld
für die Überfahrt geliehen.
Pro geschmuggelter Person erhielt die Gang von ihnen zwischen umgerechnet
11.000 und 15.000 Euro, das meiste davon kassierten Anführer Ronan Hughes
und Gheorghe Nica. Insgesamt machten die Schmuggler so über eine Millionen
Euro Gewinn, Lkw-Fahrer Robinson allein hatte umgerechnet über 100.000 Euro
auf seinem Konto und fuhr einen teuren Mercedes.
Unter den Hauptverantwortlichen wurde Hughes zu einer Haftstrafe von 20,
Nica von 27 Jahren verurteilt. Lkw-Fahrer Harrison muss 18 Jahre ins
Gefängnis, sein Kollege Robinson 13 Jahre und 4 Monate. Diese vier
Schleuser müssen mindestens zwei Drittel ihrer Haftstrafe absitzen, weil
Richter Sweeney den Fall für schwerwiegend hielt. Die anderen
Gangmitglieder müssen Haftstrafen von 7, 3 und vier Jahren abbüßen. Eine
achte, nur am Rande mitwirkende Person, erhielt in der Vorwoche eine
zehnmonatige Haftstrafe.
22 Jan 2021
## LINKS
[1] /39-Tote-in-Grossbritannien/!5636199
[2] /Migration-von-Vietnam-nach-Europa/!5650332
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
## TAGS
Großbritannien
Schleuser
Schmuggel
Schwerpunkt Fridays For Future
Schwerpunkt Coronavirus
Lesestück Recherche und Reportage
Migration
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