# taz.de -- Podcast „We Care!“: So geht profeministische Praxis | |
> Viele Männer finden Feminismus mittlerweile gut. Aber welche Strategien | |
> gibt es für einen gendergerechten feministischen Kampf? | |
Bild: „Nur weil man Feminismus drauf schreibt, ist da noch lange nicht Femini… | |
Leipzig taz | Es gibt einen Roman von Svende Merian, der sich „Tod eines | |
Märchenprinzen“ nennt. Und nein, es geht darin nicht etwa um den | |
dramatischen Mord an einem Prinzen, sondern um Männer. Genauer gesagt geht | |
es aus der Perspektive einer Frau darum, welche Erfahrungen sie in ihrer | |
ach-so-emanzipatorischen, aufgeklärten Liebesbeziehung zu einem linken Mann | |
macht. Man könnte den Roman als Drama bezeichnen: Als das alltägliche | |
Drama, das Frauen und Queers in der Auseinandersetzung mit cis Männern | |
durchmachen. | |
Da ist der vermeintliche linke super Typ: Politisch aktiv, gutaussehend, | |
taz-Leser. Er wird von allen total gemocht und bekommt viel Anerkennung für | |
seine (politische) Arbeit. Und da ist die Frau, die immer wieder | |
zermürbende, diskriminierende, ermüdende Erfahrungen patriarchaler | |
Machtausübung mit ihm macht. Männliche Privilegien par excellence. Das Buch | |
aber ist nicht etwa von 2020, sondern von 1983. [1][Es ist also 38 Jahre | |
alt.] Und dennoch – leider – sehr aktuell. | |
Viele Frauen und Queers, die sich mit Fragen auseinandersetzen nach | |
Fürsorge, emotionaler Arbeit, gleichberechtigter Verteilung von | |
Haushalts-Arbeiten und anderen Sorge- und Reproduktionsfragen, finden sich | |
dabei auf verlorenem Posten wieder. Nur selten sind es tatsächlich die cis | |
Männer, diese Auseinandersetzung suchen, sie gehen und daran wachsen. | |
Denn auch, wenn sich heutzutage viele als Feministen verstehen oder | |
Feminismus zumindest gut finden – „na klar dürfen Frauen arbeiten gehen“… | |
oftmals fehlt es an Strategien, tatsächlich progressive Prozesse anzustoßen | |
und die notwendigen Auseinandersetzungen zu führen, um die [2][Reflexion | |
der eigenen Männlichkeit] in den Blick zu nehmen. | |
Janosch kennt diese Probleme. Er ist selbst ein cis Mann und betreibt seit | |
einer Weile den Blog [3][kritische-maennlichkeit.de], in dem es um | |
profeministische Perspektiven und die kritische Reflexion von Männlichkeit | |
geht. Profeministisch ist ein Begriff aus der Männerbewegung, um die | |
feministischen Kämpfe und Errungenschaften nicht zu vereinnahmen und | |
trotzdem zu verdeutlichen, den feministischen Befreiungskampf unterstützen | |
zu wollen. | |
„Nur weil man Feminismus drauf schreibt, ist da noch lange nicht Feminismus | |
drin“, sagt Janosch auf die Frage, welche Fallstricke beispielsweise die | |
sogenannten Kritischen Männlichkeitsgruppen mit sich bringen. Gruppen, in | |
denen cis Männer zusammenkommen, um über ihre männliche Identität, ihre | |
Rollen, ihr diskriminierendes Verhalten gegenüber FLINT (Frauen, Lesben, | |
Inter, nichtbinäre und trans Personen) zu reflektieren. Insbesondere, | |
nachdem im vergangenen Jahr bekannt wurde, [4][das ein Mann auf den | |
Toiletten linker Festivals gefilmt und die Videos auf Pornoseiten | |
hochgeladen hatte], gründeten sich viele dieser Gruppen. | |
Der Autor [5][Kim Posster] hat einmal in einer Diskussion gesagt, für eine | |
antisexistische Auseinandersetzung von Männern brauche es keine Suche nach | |
einer „neuen“, „besseren“, „feministischen“ Männlichkeit. Diese Su… | |
sogar selbst zum Problem werden. Feministisches, revolutionäres Begehren, | |
führe daher nie zu Männlichkeit hin, sondern immer nur von ihr weg. Doch | |
was bringt es dann, sich in Männergruppen zu organisieren? | |
Janosch sagt, dass diese zwar gut und wichtig für die Reflexion sind, aber | |
nicht zu einem Wettbewerb werden dürfen, in dem es darum geht, wer der | |
beste Feminist wird. Denn das reproduziert letztendlich nur die gleiche | |
patriarchale Logik. „Man muss als Mann nicht sonderlich reflektiert sein, | |
um sich reflektiert zu fühlen.“ Deshalb, so Janosch, brauche es zusätzlich | |
zur männlichen Selbstreflexion durchaus auch den Austausch mit Frauen und | |
Queers. Und das Bewusstsein, dass auch Scheitern zur profeministischen | |
Praxis dazugehört. | |
Tatsächlich ist der Leidensdruck bei denen, die von patriarchalen | |
Strukturen diskriminiert werden, viel größer als bei denen, die davon | |
profitieren. Dass diese dann jedoch immer wieder darauf aufmerksam machen | |
müssen, um das Problembewusstsein auch bei cis Männern zu fördern, bleibt | |
wohl eine unauflösliche Frage des feministischen Kampfes um | |
Gleichberechtigung. | |
Um diesem Ziel ein Stück näher zu kommen, sind es aber dennoch cis Männer, | |
die selbst aktiv werden müssen, die Missstände zu erkennen, anzusprechen | |
und die eigene Rolle darin zu bearbeiten. | |
Ob im Haushalt, in der Kinderbetreuung, im Umgang mit Freund:innen, in der | |
Liebesbeziehung, in der Familie, in Gruppen und bei der Arbeit oder überall | |
anders. Dazu gehört auch, [6][den bei der männlichen Sozialisation | |
antrainierten Zugang zu den eigenen Gefühlen zu stärken und diese zu | |
äußern], um so miteinander in Beziehung treten zu können – ohne dass nur | |
die eine Seite die Beziehungsarbeit leistet. | |
In einer neuen Folge von „We Care!“, dem feministischen taz Podcast zu | |
emotionaler Arbeit und Care, geht es genau um diese Fragen und | |
Schwierigkeiten. Janosch erzählt darin von seinen eigenen Erfahrungen und | |
Schwierigkeiten in der profeministischen Praxis und der Auseinandersetzung | |
mit sich selbst als cis Mann, während Sarah Ulrich über die Widersprüche | |
sogenannter linker Männer spricht und feministische Strategien vorschlägt, | |
Beziehungen gendergerecht zu organisieren. | |
„We Care!“ [7][Der feministische taz-Podcast zu emotionaler Arbeit und | |
Care]. Immer monatlich auf taz.de, Spotify, Deezer und iTunes. | |
24 Jan 2021 | |
## LINKS | |
[1] /!1440477/ | |
[2] /JJ-Bola-ueber-toxische-Maennlichkeit/!5722023 | |
[3] https://kritische-maennlichkeit.de/ | |
[4] /Nach-Spannervideos-bei-linkem-Festival/!5655714 | |
[5] https://kimposster.blackblogs.org/ | |
[6] /Rollenklischees-in-Frage-stellen/!5686467 | |
[7] /Podcast-We-care/!t5712367 | |
## AUTOREN | |
Sarah Ulrich | |
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