| # taz.de -- Radio Študent vor dem Aus: Mehr als nur ein Radio | |
| > In Slowenien werden Medien drangsaliert. Nun gerät auch einer der | |
| > ältesten Radiosender Europas in Ljubljana, Radio Študent, unter Druck. | |
| Bild: Gibt es noch Hoffnung für den Sender aus Slowenien? | |
| Koper taz | Radio Študent ist in Slowenien nicht einfach ein Campusradio: | |
| 1968 durch die Studierendenorganisation in Ljubljana gegründet, handelt es | |
| sich um eine der ältesten unabhängigen, alternativen Radiostationen Europas | |
| – und es ist bis heute Sprachrohr für die alternativen Szenen Sloweniens, | |
| insbesondere solchen der elektronischen Musik und der Kunst und Kultur: „Zu | |
| Zeiten Jugoslawiens war es Radio Študent, das immer die neuesten Platten | |
| von Virgin Records aus London hatte – und später, im slowenischen | |
| Unabhängigkeitskrieg haben sie mit drei Mann rund um die Uhr gesendet, | |
| unterbrochen nur durch Punk-Rock“, erzählt Arne Zupančič, | |
| Ex-Bildungsredakteur von Radio Študent. | |
| Doch ausgerechnet jetzt, in einer Zeit, in der das Land von der | |
| Mitte-rechts-Regierung unter dem hochumstrittenen [1][rechtspopulistischen | |
| Ministerpräsidenten Janez Janša] schon genug gebeutelt ist, gerät der | |
| Sender unter Druck, wenn auch dieses Mal nicht durch Janša selbst. Der | |
| versucht bereits seit März Slowenien in ein kleines Ungarn zu verwandeln: | |
| Regelmäßig drangsaliert er den öffentlich-rechtlichen Sender RTV und droht | |
| mit Budgetkürzungen, die Mitarbeiter der staatlichen Nachrichtenagentur | |
| STA haben bereits seit Monaten kein Gehalt mehr bekommen, und überall | |
| werden Kulturfunktionäre durch Janša-Getreue ersetzt, zuletzt auch die | |
| renommierte Leiterin der Nationalen Buchagentur, Renata Zamida. | |
| Radio Študent kommt indes unter Druck von den „eigenen Leuten“, nämlich d… | |
| Studentenorganisation ŠOU, eine Art Überbleibsel der studentischen | |
| Selbsverwaltung aus jugoslawischen Zeiten, das den Sender größtenteils | |
| finanziert. Die Studentenorganisation funktioniert wie ein kleiner Staat im | |
| Staate, ihr (eigenes) Parlament wird derzeit von den Parteien Povezani und | |
| Modri dominiert – und aus genau diesen Kreisen heraus gibt es nun das | |
| Bestreben, Radio Študent in Zeiten knapper Kassen das Budget unter das | |
| Existenzminium zu kürzen, verbunden mit der der Ansage: „Privatisiert euch | |
| oder wir privatisieren euch.“ | |
| Für Beobachter ist dies nun der vorläufige Gipfel der post-politischen, | |
| neoliberalen Arä der Studentenorganisation ŠOU. „Die Organisation haben | |
| sich längst Leute zur Beute gemacht, die gar nichts mehr mit der | |
| Universität zu tun haben. Es ist ein Sumpf“, sagt Zupančič, in Ljubljana | |
| ist die Rede von gut dotierten Beraterverträgen und Immobiliengeschäften. | |
| ## Zukunft liegt in Genossenschaftsform | |
| Während sich die ŠOU-Leitung darauf beruft, dass die Einnahmen der | |
| Organisation covidbedingt und auch durch staatliche Budgetkürzungen | |
| schlicht gesunken seien und der Sender zu viel Geld verbrauche, vermutet | |
| die Gegenseite, dass die stets kritische Stimme von Radio Študent zum | |
| Verstummen gebracht werden soll: „Richtig ist, dass wir jeden anpissen, | |
| wenn es sein muss“ sagt Zupančič. | |
| Hana Radilovič, Redakteurin für Uni-Themen bei Radio Študent, hofft nun auf | |
| öffentlichen Druck, einerseits durch ehemalige Radio-Akteur*innen, die | |
| heute in einflussreichen Positionen sind, und andererseits durch die | |
| Studierenden selbst. Nach entsprechenden Aufrufen im Radio und in den | |
| sozialen Medien, „Radio Študent bleibt“ und einer so erzwungenen | |
| öffentlichen Budgetverhandlung geriet die regierende Koalition im | |
| Studentenparlament tatsächlich unter Druck: Der ursprünglich vorgesehene | |
| ŠOU-Finanzplan für 2021 kam zunächst nicht durch, der Sender erhält daher | |
| vorerst weiterhin 120.000 Euro jährlich. „Das ist das Mindeste, was der | |
| Sender zum Überleben braucht“, sagt Radilovič. | |
| Wie es nun weitergeht, bleibt unklar. Ex-Redakteur Arne Zupančič glaubt | |
| ohnehin, dass die Zukunft von Radio Študent in der Genossenschaftsform | |
| liegt: „Es gibt genügend Menschen im Land, die ein solches Anliegen | |
| unterstützen würden – Radio Študent war immer eine Art Kindergarten der | |
| slowenischen Intelligenz.“ Der Sender ist auch längst viel mehr als nur ein | |
| Radio, sondern auch eine Werbeagentur, ein Verlag und Konzertveranstalter; | |
| in der Krise wurde Študent sogar zum Anbieter von Streamingdiensten: „Das | |
| würde schon gehen“ sagt Zupančič. | |
| 25 Jan 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Martin Reichert | |
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