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# taz.de -- Pferdesport nach dem Brexit: Britische Oxertour
> Durch den Brexit verstellt die Bürokratie Turnierpferden aus
> Großbritannien den Einlass in die EU. Ein Gestüt denkt gar über die
> Auswanderung nach.
Bild: Richard Howley auf „Notis Me“ 2019 in Dublin
London taz | Morgan Kent hat gerade den Albtraum einer Reise hinter sich.
Die Springreiterin und Pferdezüchterin aus Wetherby im nordenglischen
Yorkshire war gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten mit zwei Lkws und 16
Pferden von England nach Spanien gefahren. Ihr Lebensgefährte ist der
irische Springreiter Richard Howley, der für die Olympischen Spiele
qualifiziert ist. Die Pferde, die [1][Kent und Howley] ins EU-Gebiet
brachten, sollten an Turnieren teilnehmen.
Das war schwerer als sich Kent das vorgestellt hatte. Seit dem 1. Januar
ist das Vereinigte Königreich gegenüber der EU ein Drittstaat, und die
bisherige Art der Ausreise – mit zwei Seiten Ausfuhrbescheinigung und einem
Tierarztschein durfte man auf die Fähren – hat sich grundlegend geändert.
Auch ein Dreiländerabkommen zwischen Frankreich, Irland und dem Vereinigten
Königreich zur vereinfachten Beförderung von Pferden verlor mit dem Brexit
seine Gültigkeit. Zwar erreichte Großbritannien eine Vereinbarung, wonach
grundsätzlich grenzüberschreitende Bewegungen von Pferden erlaubt sind.
Aber wirklich einfacher wurde das nicht.
„Zunächst erfuhren wir, dass wir eine neue Fahrlizenz für den
Fahrzeugtransport von über acht Pferden benötigen“, erzählt Kent. „Und w…
brauchen ein Zeugnis, dass der Fahrer fähig ist, sich um die Tiere zu
kümmern, da die britischen Ausweise keine Gültigkeit mehr hätten.“ Um diese
Zertifikate zu erhalten, musste Kent mit ihren Fahrer*innen nach Irland,
dem nächstgelegenen EU-Land, um so schnell die entsprechende EU-Fahrlizenz
zu erhalten.
Als diese erste Barriere überwunden war, erfuhr sie, dass die
erforderlichen Ausfuhrdokumente sich auf 36 Seiten pro Pferd erhöht haben,
was ihre Tierärztin zwei Tage Arbeit kostete. „Diese Unterlagen mussten
dann von unserem Agenten an eine Agentur nach Frankreich gesendet werden,
die es dann an den französischen Zoll schickte, denn direkter Kontakt ist
nicht erlaubt“, erzählt sie. „Die Kosten dafür mussten wir selber tragen.…
Doch auch das war nicht alles: „Die Dokumente mussten zu hundert Prozent
stimmen, doch leider gab es ein paar kleine Fehler – und so ging es dann
hin und her“, schildert Kent die nächsten Tage, die sie verloren hat.
Letztlich habe sie so eine dreitägige Verzögerung der Abreise in Kauf
nehmen müssen. Sämtliche Reisepläne, wozu auch die fix gebuchten
Unterkünfte und Ställe gehörten, mussten neu ausgehandelt werden.
## Termin bei Ursula von der Leyen
Als Kent und ihr Team schließlich in Dover angekommen waren, mussten sie
wieder warten und Ställe suchen. „Wir benötigten zur Reiseerlaubnis einen
Termin bei einem französischen Tierarzt in Calais, wo wieder alles
überprüft und untersucht wurde“, beschwert sich Kent. „So etwas können
Menschen verstehen, aber Pferden gegenüber ist das nicht fair.“
Ohnehin versteht sie die Notwendigkeit der Bürokratie bei Sportpferden
nicht. „Das sind topfitte und gesunde Tiere, die schließlich für ihren
Einsatz nicht müde und geschwächt ankommen dürfen“, beschwert sie sich
weiter. „Nicht zu reden von den neuen Gebühren für die Carnets, also
Zolldokumenten, für jedes Pferd, die bis zu 400 Euro pro Pferd kosten
können.“ Bislang weiß sie noch nicht, ob sie Pferde mit solchen Carnets
verkaufen darf. Der Pferdesport hat für diese neuen Regelungen noch keine
Umgangsformen gefunden.
In der kommenden Woche erwartet Kent eine weitere Ladung Pferde, dann
bleiben sie und ihr Team erst einmal zwei Monate in Spanien. Doch vor der
Rückfahrt graut es ihr bereits jetzt. Kent und Howley haben schon daran
gedacht, mit dem gesamten Gestüt in die Niederlande oder nach Frankreich
auszuwandern, sagt sie.
Der [2][britische Pferdesportverband] teilt auf Anfrage mit, dass etliche
seiner Mitglieder ähnliche Erfahrungen gemacht hätten. Göran Åkerström
von der Weltreitervereinigung FEI und Ingmar de Vos von der
Internationalen Pferdesport-Konföderation (IHSC) wollen noch in dieser
Woche Ursula von der Leyen treffen, die Präsidentin der EU-Kommission. Sie
fordern dass der Teil der neuen europäischen Tierschutzregelungen, der sich
auf Pferde bezieht, erst einmal ausgesetzt wird. „Neue Regelungen sollten
einen Mechanismus für die Weiterführung der bestehenden Bewegungen für
Pferde innerhalb der EU-Mitgliedstaaten beinhalten und die des vorherigen
Dreiländerabkommens widerspiegeln“, erklärt Åkerström.
Auf britischer Seite hätte die Regierung bereits versucht, die Anzahl der
Zertifizierer*innen für Tiergesundheitszeugnisse zur Ausreise zu
erhöhen. Ein Fonds von umgerechnet 900.000 Euro stehe bereit, um
Tierärzt*innen zu schulen, sagte eine Regierungssprecherin, inzwischen
könnten 1.500 Veterinär*innen solche Zertifikate ausstellen, 2019 waren
es nur 600.
Dennoch zeigt sich James Russel, Präsident des britischen Tierärzteverbands
BVA, besorgt, wie Tierärzt*innen das bewältigen sollen. Schuld sei auch
ein Mangel an Ärzten aus der EU, die in Großbritannien arbeiten wollten.
Und das wiederum liege am Coronalockdown und am neuen Einwanderungsgesetz.
31 Jan 2021
## LINKS
[1] https://www.facebook.com/permalink.php?story_fbid=10158307863810138&id=…
[2] https://www.britishequestrian.org.uk/
## AUTOREN
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
## TAGS
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