# taz.de -- Impfung gegen Corona: Israel macht den Praxistest | |
> Ein Viertel von Israels Bevölkerung ist geimpft. Studien liefern erste | |
> Erkenntnisse über die Wirksamkeit des Biontech/Pfizer-Vakzins. | |
Bild: Impfungen und Neuinfektionen sind gleichermaßen auf dem Vormarsch | |
TEL AVIV taz | Wer in Israel zum zweiten Mal seinen Ärmel hochkrempelt, um | |
sich gegen [1][Corona] impfen zu lassen, erhält wenige Minuten später eine | |
SMS von der Krankenkasse: „Wir haben eine Anfrage an das | |
Gesundheitsministerium geschickt, Ihnen den grünen Pass zu senden.“ Dieser | |
soll Israelis, die geimpft sind oder schon eine Covid-19-Erkrankung | |
durchgemacht haben, erlauben, zu ihrem alten Leben zurückzukehren. | |
Mittlerweile ist in Israel mit 2,7 Millionen Menschen bereits rund [2][ein | |
Viertel der Bevölkerung geimpft]; davon haben eine Million Personen auch | |
bereits die zweite Dosis erhalten. Dass sich das Land einen großen Vorrat | |
an Biontech/Pfizer-Imfpdosen sichern konnte, liegt unter anderem an einer | |
vergangene Woche bekannt gewordenen Vereinbarung zwischen der israelischen | |
Regierung und Pfizer, der zufolge Israel die Daten zur Wirkung des Vakzins | |
mit dem Unternehmen teilt. | |
Derzeit werden laufend neue Studienergebnisse veröffentlicht, die noch mit | |
Vorsicht zu genießen sind, dennoch aber erste Schlüsse über die Wirksamkeit | |
der Impfung jenseits der klinischen Prüfung erlauben. Die Krankenkassen | |
Maccabi und Clalit untersuchen den Effekt, den das Biontech/Pfizer-Vakzin | |
hat. | |
Mut machen die neuesten Angaben von Maccabi: Die Krankenkasse teilte am | |
Montag mit, dass bei lediglich 20 von 128.600 Empfänger*innen der | |
zweiten Dosis nach mehr als einer Woche eine Corona-Infektion festgestellt | |
wurde. Dies entspricht rund 0,015 Prozent. Von den Infizierten erkrankte | |
niemand schwer, niemand musste ins Krankenhaus. | |
Allerdings betonte Maccabi, es handele sich um vorläufige Ergebnisse. Über | |
die Geimpften ist bislang zudem nur wenig bekannt, so fehlen etwa | |
Altersangaben. Auch beinhaltete die Studie keine Vergleichsgruppe. | |
Vergleicht man die Daten von Maccabi aber mit den wöchentlichen | |
Neuinfektionen in Israel insgesamt, so ergibt sich [3][laut israelischen | |
Medien] ein etwas besserer Impfschutz als vom Hersteller angegeben. | |
Zuvor schon hatten vorläufige Studienergebnisse optimistisch gestimmt in | |
Bezug auf besonders gefährdete Personen: So sank laut Maccabi die Zahl der | |
Krankenhauseinweisungen bereits 18 Tage nach der ersten Spritze im | |
Vergleich zu einer nicht geimpften Vergleichsgruppe. Am 23. Tag, zwei Tage | |
nach der zweiten Dosis, sank sie bei geimpften Personen im Alter von 60 | |
Jahren und älter um 60 Prozent. | |
## Geimpfte weniger infektiös | |
In einer weiteren Untersuchung hat das Krankenhaus Sheba Medical Center in | |
Ramat Gan 102 seiner medizinischen Mitarbeiter*innen auf die Anzahl | |
von Antikörpern untersucht, die diese nach der zweiten Dosis gebildet | |
hatten. Einhundert hatten eine Woche nach der zweiten Spritze sechs- bis | |
zehnmal so viele Antikörper wie eine Woche zuvor. Laut Nadav Davidovitch, | |
Mitglied in Israels Covid-19-Beratungsstab, ist dies ein überragendes | |
Ergebnis. Es bedeute, dass ein rund 98-prozentiger Schutz bestehe und sich | |
diese Personen entweder nicht anstecken oder, falls doch, nur in milder | |
Form erkranken. | |
Vor zwei Wochen hatten Untersuchungen von Maccabi und Clalit gezeigt, dass | |
14 Tage nach der ersten Dosis ein Rückgang der Infektionen zu verzeichnen | |
ist. Clalit berichtet einen Rückgang um 33 Prozent, Maccabi um 60 Prozent. | |
Warum die Zahlen so unterschiedlich sind, ist bislang nicht geklärt; ein | |
Grund könnte die Tatsache sein, dass Maccabi geimpfte Menschen aller | |
Altersgruppen in die Studie einbezog, Clalit dagegen nur Geimpfte über 60 | |
Jahre. | |
Eine weitere Frage, die die Israelis bewegt, lautet: Können Geimpfte das | |
Virus weiter übertragen und, wenn ja, wie infektiös sind sie? Auch diese | |
Frage wird von Clalit untersucht. Erste, noch nicht veröffentlichte | |
Einblicke legen laut Davidovitch nahe, dass die Infektiosität nach der | |
Impfung reduziert ist. Zwar ist der Mediziner vorsichtig, da die | |
endgültigen Ergebnisse noch nicht vorliegen, doch er geht von einer | |
Reduktion der Infektiösität um mindestens 50 Prozent aus. | |
## Britische Mutante breitet sich aus | |
Erschwert wird Israels Impfkampagne allerdings durch die Mutationen, die | |
zuerst in Großbritannien, Südafrika und Brasilien aufgetaucht sind. Die | |
britische Variante wird in Israel derzeit zur dominanten Form; bereits | |
jetzt stammen 40 bis 50 Prozent der Neuinfektionen von der britischen | |
Variante. | |
Davidovitch geht allerdings derzeit davon aus, dass der | |
Pfizer/Biontech-Impfschutz auch gegen diese Mutante wirkt. Eine genetische | |
Analyse, die sogenannte Sequenzierung, der Viren bei Neuinfektionen unter | |
Geimpften lasse diesen Schluss zu. Über die Effektivität des Impfstoffs | |
gegen andere Mutationen lasse sich dagegen noch nichts sagen. | |
Derweil gibt es Anzeichen, dass schwangere Frauen für die britische | |
Mutation anfälliger sein könnten. Von zehn schwangeren Frauen, die im | |
ernsten Zustand ins Krankenhaus eingeliefert wurden, wurden Proben zur | |
Sequenzierung des Virus entnommen. Sechs von sieben bisher ausgewerteten | |
Proben ergaben eine Infektion mit der britischen Mutante. Davidovitch warnt | |
allerdings vor schnellen Schlüssen: „Es ist eine sehr kleine Zahl zur | |
Untersuchung, wir müssen auf mehr Daten warten.“ Schwangere werden in | |
Israel im Gegensatz zu vielen anderen Ländern nun ebenfalls geimpft. | |
Auch Kinder scheinen anfälliger zu sein für die britische Variante. Sharon | |
Alroy-Preis, Leiterin der Abteilung für öffentliche Gesundheit im | |
israelischen Gesundheitsministerium, sagte laut Medienberichten gegenüber | |
dem Parlament in Jerusalem, dass „40 Prozent der Krankheiten bei Kindern | |
auftreten, ein höherer Prozentsatz als ihr Anteil an der Bevölkerung“. Das | |
Hadassah-Krankenhaus in Jerusalem hat vergangene Woche eine Intensivstation | |
für Kinder eingerichtet, die an Covid-19 erkrankt sind. (mit Agenturen) | |
Dieser Artikel wurde aktualisiert und stellenweise korrigiert um 16.22 Uhr. | |
In einer früheren Version des Textes fanden sich falsche Prozentangaben. | |
26 Jan 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746 | |
[2] /Palaestinenser-warten-auf-Immunisierung/!5742211 | |
[3] https://www.timesofisrael.com/week-after-2nd-pfizer-vaccine-shot-only-20-of… | |
## AUTOREN | |
Judith Poppe | |
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