| # taz.de -- Videokonferenz mit Bürgerbeteiligung: Die Stunde der Emojis | |
| > Bremens Bildungssenatorin Claudia Bogedan verteidigt ihre Coronapolitik. | |
| > Den Fragen der Bürger*innen stellte sie sich in einer Videokonferenz. | |
| Bild: Zu Hause oder nicht? Wo gelernt wird, ist Thema erbitterter Kämpfe | |
| Bremen taz | Claudia Bogedan (SPD) ist ganz zufrieden mit ihren | |
| Entscheidungen. Bei einer Podiumsdiskussion – selbstverständlich online – | |
| verteidigte Bremens Kinder- und Bildungssenatorin den Kurs ihrer Behörde in | |
| Bezug auf Präsenzunterricht mitten im Lockdown und stellte sich den Fragen | |
| der Bürger*innen. | |
| Eingeladen hatte der SPD-Landesverband, die Vorsitzende Sascha Aulepp | |
| übernahm die Moderation. Anders als bei klassischen Konferenzen waren die | |
| Mitteilungsmöglichkeiten der Teilnehmenden begrenzt. Wortbeiträge und | |
| Fragen konnten per Chat an den Landesverband geschickt werden. Damit die | |
| vielen Teilnehmer*innen sich nicht andauernd gegenseitig ins Wort | |
| fallen konnten, waren die Mikrofone stumm geschaltet, bis man an der Reihe | |
| war. Die Zuhörenden entdeckten dafür schnell das kommunikative Potenzial | |
| der Emojis: Klatschende Hände, traurige Gesichter und Daumen, wahlweise | |
| nach oben oder nach unten zeigend, begleiteten die Konferenz. | |
| Bogedan sprach von der groß angelegten Testung an Schulen – und zog ein | |
| positives Fazit. Von mehr als 18.000 Schüler*innen und Lehrkräften seien | |
| lediglich 58 positiv getestet worden, eine Quote von gut 0,3 Prozent. Für | |
| Bogedan der Beweis, dass Schulen keine Infektionsherde seien. | |
| Daumen nach unten dominierten das Geschehen am Bildschirmrand und drückten | |
| stummen Widerspruch aus. Stefan Trapp, Landesvorsitzender des | |
| Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, gab der Senatorin allerdings | |
| recht. Von medizinischer Seite gebe es keinen Beleg dafür, dass Schulen und | |
| Kindergärten Ansteckungsorte seien. | |
| Sibylle Wohlfeil vom Personalrat Schulen widersprach dagegen vehement. Von | |
| den knapp 84.400 Schüler*innen und Lehrkräften der Stadt sei nicht | |
| einmal ein Viertel getestet worden. Und da die Testungen freiwillig erfolgt | |
| waren, seien die Ergebnisse nicht repräsentativ. „Dass Schulen keine | |
| Verbreiter von Viren sind, kann so nicht standhalten.“ Sie unterstrich die | |
| Forderung nach Halbgruppenunterricht. „Präsenz und Distanz gleichzeitig | |
| klingt gut“, sagte sie, „für die Lehrkräfte ist das aber parallel nicht zu | |
| schaffen“. | |
| Die Annahme, dass an Schulen kaum Infektionen geschähen, stimme nicht, | |
| sagte auch Thorsten Maaß von der Bremer Schulleitungsvereinigung. Es sei | |
| wichtig für den Zusammenhalt und die Gemeinschaft, dass Schüler*innen in | |
| der Schule seien. Er plädierte aber für kleine, geschützte Gruppen. „In | |
| einigen Grundschulen sind volle Klassen präsent, und das geht nicht.“ | |
| Für Aufsehen sorgte der emotionale Beitrag einer Schülerin. Mit bebender | |
| Stimme berichtete die Abiturientin, dass sie mit viel Angst, Frustration | |
| und Wut auf die Abschlussprüfungen zugehe. Sie prangerte eine „unglaubliche | |
| Fehlleistung der Bildungsbehörde“ an. Die Tablets seien keineswegs bei | |
| allen pünktlich angekommen und ohne Präsenzunterricht sehe sie sich nicht | |
| in der Lage, in diesem Schuljahr ihr Abitur zu schreiben. | |
| Sie lobte, dass Bogedan ihrem Bildungsauftrag nachkommen wolle, aber offene | |
| Schulen bei gleichzeitig strengen privaten Kontaktbeschränkungen seien | |
| nicht nachvollziehbar. Die Vermeidung von Erkrankungen und Todesfällen | |
| sollten absolute Priorität genießen. „Abitur kann man nachholen“, sagte | |
| sie, „die Gesundheit und das Leben von Menschen aber kommen nicht wieder.“ | |
| Bogedan beschwichtigte. Die Beschränkungen im Privaten, in der Kultur und | |
| im Sport sollten bewirken, dass Schulen, Kitas und Betriebe weitermachen | |
| können. Sie halte es für wichtig, dass Schüler*innen auch in diesem Jahr | |
| Abschlüsse machen können, um keine Nachteile zu haben. | |
| Die weiteren Beiträge waren mal ruhig und besonnen, mal aufgebracht und | |
| leidenschaftlich. Manche unterstützten den Kurs der Landesregierung, andere | |
| lehnten ihn vehement ab. | |
| Bogedan hörte zu. Aber nicht alle möglichen Einwände wurden auch gehört: | |
| Gänzlich unerwähnt blieben die neuen, ansteckenderen Mutationen des | |
| Coronavirus – obwohl per Chat danach gefragt wurde. Ebenso wenig ging es um | |
| Eltern, die ihre Kinder nicht in die Krippe geben, aber trotzdem den | |
| monatlichen Beitrag aufbringen müssen. Generell war von Krippen kaum die | |
| Rede, wenn nicht gerade Erzieher*innen zu Wort kamen und die Zustände | |
| in ihren Einrichtungen als unsicher kritisierten. | |
| Bogedans Weg ist nicht nur bei Bürger*innen umstritten: In Bremen sollte | |
| eigentlich im Laufe des Donnerstags eine einvernehmliche Regelung im Senat | |
| gefunden werden – ohne Bremer Sonderweg, so Bürgermeister Andreas | |
| Bovenschulte (SPD). Doch so einig scheint die Landesregierung noch nicht zu | |
| sein: „Über Details besteht noch Beratungsbedarf“, teilte die Sprecherin | |
| der Bildungssenatorin am Donnerstag mit. | |
| Am Ende der Konferenz schwor Bogedan die Zuhörenden noch einmal darauf ein, | |
| dass Bremen diese Krise mit vereinten Kräften überstehen könne. Es schien | |
| anzukommen: Die Mehrheit der Daumen zeigten nach oben. | |
| 22 Jan 2021 | |
| ## AUTOREN | |
| Sebastian Krüger | |
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