# taz.de -- Erdoğan und die EU: Heuchlerische Charmeoffensive | |
> Der türkische Präsident Erdoğan will die Beziehungen zur EU verbessern. | |
> Sie sollte sich nicht täuschen lassen. | |
Bild: Präsident Erdoğan gibt sich versöhnlich, weil er auf finanzielle Unter… | |
Als ein „Zurück in die Zukunft“ könnte man [1][Erdoğans Charmeoffensive … | |
Richtung EU] bezeichnen nach seinen jahrelangen, teilweise weit unter die | |
Gürtellinie zielenden Anschuldigungen, die das Verhältnis zu Europa so sehr | |
belastet haben, dass eigentlich niemand mehr mit ihm sprechen wollte. Jetzt | |
sollen die Beziehungen plötzlich wieder „auf die Erweiterungsschiene | |
gesetzt werden“, Erdoğan spricht von einer positiven Agenda, die | |
langfristig sogar zum Beitritt führen soll. | |
[2][Heiko Maas] ist als erster EU-Minister gleich nach Ankara geeilt, weil | |
Teil der neuen Erdoğan-Strategie auch ist, die Dauerprovokation gegenüber | |
[3][Griechenland] zu beenden und den Streit über Gasbohrungen im östlichen | |
Mittelmeer am Konferenztisch weiterzuführen. Maas sieht diese Entwicklung | |
als Ergebnis deutschen Drängens und will nun die diplomatische Dividende | |
einfahren. | |
Doch die EU sollte sich von den Sirenenklängen aus Ankara nicht täuschen | |
lassen. Erdoğan ist nach wie vor derselbe. Zwar ist es schön, wenn ein | |
drohender militärischer Konflikt zwischen der Türkei und Griechenland nun | |
zumindest verschoben ist, doch das lag nicht an der plötzlichen Einsicht, | |
dass Reden besser als Schießen ist. Es ist die blanke Not, die Erdoğans | |
neue versöhnliche Töne hervorbringen. | |
Ohne mehr Geld aus dem Westen und ohne erweiterten Zugang zum Binnenmarkt | |
droht der Türkei der Staatsbankrott. Deshalb ist Erdoğan bereit, seinen | |
aggressiven außenpolitischen Kurs im östlichen Mittelmeer vorerst zu | |
beenden. Dafür soll die EU jetzt schnell helfen. Dass dies ein rein | |
taktisches Verhalten ist, zeigt sich im Innern der Türkei. Da wird die | |
[4][Repressionsschraube] sogar noch angezogen, damit die Opposition von der | |
Krise nicht profitiert. | |
Erdoğans Koalitionspartner, der rechtsradikale [5][MHP-Chef Devlet | |
Bahçeli], will die kurdisch-linke Partei HDP gleich ganz verbieten, Erdoğan | |
selbst reicht gegen den Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu eine Klage | |
nach der anderen ein und will am liebsten dessen parlamentarische Immunität | |
aufheben lassen. Solange das so ist, sollte die EU Erdoğan die kalte | |
Schulter zeigen. | |
18 Jan 2021 | |
## LINKS | |
[1] /Tuerkei-und-die-EU/!5741602 | |
[2] /Heiko-Maas-Marshallplan-fuer-die-USA/!5738810 | |
[3] /Verteidigungsausgaben-in-Griechenland/!5734126 | |
[4] /Verschaerfte-Repressionen-in-der-Tuerkei/!5736142 | |
[5] /Erdoans-Fuehrerstaat/!5719876 | |
## AUTOREN | |
Jürgen Gottschlich | |
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