| # taz.de -- Corona-Ausgangssperre in Berlin: Wenn Verbote nur Appelle sind | |
| > Der Justizsenator fordert die Streichung der Ausgangsbeschränkung. Es | |
| > würde die Glaubwürdigkeit vieler anderer Maßnahmen stärken. | |
| Bild: Sicher auch illegal gebauter Schneemann in Berlin | |
| Berlins grüner Justizsenator Dirk Behrendt hat die Aufhebung der | |
| Ausgangssperre [1][in der Coronaverordnung] gefordert. Und tatsächlich täte | |
| der Senat bei seiner Sondersitzung an diesem Mittwoch gut daran, Behrendts | |
| Vorstoß schnell zu folgen – trotz der jüngsten Beschlüsse von Kanzlerin und | |
| Ministerpräsidenten, in Hotspots die Bewegungsfreiheit deutlich | |
| einschränken zu können. | |
| Derzeit ist es BerlinerInnen nur aus „triftigen Gründen“ erlaubt, ihre | |
| eigenen vier Wände zu verlassen. Die Liste der Ausnahmen ist aber so | |
| umfassend, dass wer will tatsächlich immer einen legalen Grund finden wird. | |
| Solange die Politik der Meinung ist, der Lockdown müsse nicht mit einer | |
| wirklich harten Ausgangssperre [2][wie aktuell in Großbritannien] | |
| kombiniert werden, so lange kann auf diese Vorschrift guten Gewissens | |
| verzichtet werden. | |
| Zumal sie nicht nur, wie Behrendt betont, eine massive Einschränkung eines | |
| Grundrechts ist und deswegen regelmäßig auf ihre Verhältnismäßigkeit | |
| überprüft werden muss, sondern auch immer wieder für Verwirrung sorgt: So | |
| war etwa an Silvester der Verkauf von Feuerwerk verboten, das Abbrennen | |
| noch vorhandener Kontingente aber erlaubt, allerdings durfte man dafür – | |
| wie die Polizei im Vorfeld mehrfach betonte – nicht die Wohnung verlassen. | |
| Hä?! | |
| Und man sollte sich im Fall einer Abschaffung der Ausgangssperre auch nicht | |
| vom (erwartbaren) Vorwurf aus Bayern kirre machen lassen, schon aus | |
| prinzipiellen und symbolischen Gründen dürfe man sich aktuell keine | |
| vermeintliche Lockerung erlauben und die Berliner wollten wohl nur weiter | |
| feiern. Denn wie so oft in den vergangenen zehn Monaten geht es um die | |
| Glaubwürdigkeit und Akzeptanz einer Maßnahme im Kampf gegen Corona. | |
| ## Wie war das mit dem Sitzverbot auf Parkbänken? | |
| Drastische, aber letztlich wirkungslose Ideen – man erinnere sich noch an | |
| das Sitzverbot auf Parkbänken im letzten Frühjahr – oder widersprüchlich | |
| formulierte – schaden oft mehr, als sie helfen. Das sollte man auch | |
| angesichts von hohen Infektionszahlen nicht vergessen. | |
| Schwieriger ist es da schon mit der Frage, ob jede verordnete Maßnahme auch | |
| immer polizeilich durchsetzbar sein muss. Denn ehrlich gesagt trifft das | |
| auf viele nicht zu in einer Millionenstadt (und übrigens auch nicht auf dem | |
| Dorf), angefangen vom Alkoholverbot auf der Straße bis hin zur Frage, wer | |
| sich im privaten Raum noch treffen darf. | |
| In letzterem Fall blieb Politik und Polizei am Ende auch nicht mehr als ein | |
| eindringlicher Aufruf an die Bevölkerung, wie sich Weihnachten und | |
| Silvester gezeigt hat. Natürlich folgen nicht alle Menschen diesen | |
| Appellen. Aber sie sind deswegen trotzdem die ehrlichere Variante, und das | |
| ist eminent wichtig in einem Rechtsstaat. | |
| 5 Jan 2021 | |
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| [1] https://www.berlin.de/corona/massnahmen/verordnung/ | |
| [2] /Coronamutation-in-Grossbritannien/!5738106 | |
| ## AUTOREN | |
| Bert Schulz | |
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