| # taz.de -- Verunsicherung wegen Corona in der Kita: „Wir eiern immer herum“ | |
| > Während alle im Lockdown von Schulen sprechen, wünscht sich die Bremer | |
| > Kita-Erzieherin Mara Jansen klarere Regeln. Ein Protokoll. | |
| Bild: Im Kindergarten funktionieren keine Abstandsregeln | |
| „Als vor den Weihnachtsferien die [1][Nachricht vom Lockdown] kam, ging es | |
| in den Medien wie die ganze Zeit schon nur um Schulen. Und seit Monaten | |
| wird uns erzählt, dass die Ansteckungsgefahr im Kindergarten so gering ist. | |
| In meinem Kindergarten hatten wir bisher Glück – anders als die | |
| Kolleg*innen in Osterholz, [2][wo 16 von 22 Erzieher*innen infiziert | |
| waren]. Aber wir sind ja trotzdem betroffen. Ich konnte Weihnachten nur mit | |
| meiner Schwester, nicht mit meiner Mutter und meiner Tante feiern. | |
| Sie leben in Berlin, und ich hatte sie alle zu mir eingeladen. Als die | |
| Nachricht kam, dass wir Erzieher*innen komplett weiterarbeiten müssen, hat | |
| meine Familie abgesagt. Ich war für sie das einzige Infektionsrisiko. | |
| Urlaub konnte ich nicht nehmen, nicht nur, weil meine Kollegin krank war, | |
| sondern auch wegen der Kinder. Die waren total aufgeregt und weinerlich. | |
| Die sind vor Weihnachten immer durch, aber dieses Jahr ganz besonders. Das | |
| liegt bestimmt auch an uns, wir sind ja auch durch und können die Kinder | |
| nicht so gut auffangen wie sonst. | |
| An dem Tag habe ich mich so machtlos gefühlt, ich hätte nur heulen können. | |
| Es fühlte sich blöd an, dass alles reduziert werden soll, nur wir haben | |
| geöffnet. [3][Eltern sollten ihre Kinder freiwillig zu Hause lassen]. Ich | |
| hätte Regeln für Notbetreuung wie im Frühjahr gut gefunden, dann hätten wir | |
| Klarheit gehabt. Es ist ein Riesen-Unterschied, ob ich mit zehn bis 15 | |
| Kindern rechnen muss oder nur mit fünf. | |
| Es sind dann in meiner Gruppe nur vier Kinder gekommen. Das hat bestimmt | |
| auch mit dem Stadtteil zu tun. Hier arbeiten viele Frauen in Teilzeit oder | |
| sind ganz zu Hause. Es gibt nur vereinzelt Kinder, die aus schwierigen | |
| Familien kommen. Deshalb weiß ich gar nicht, ob ich die richtige bin, um | |
| etwas zu erzählen. Andere hat es doch viel härter getroffen. | |
| Als die Erkältungszeit im Herbst losging mit Husten und Schnupfen, war da | |
| schon eine Unsicherheit. Sobald ein Kind gehustet hat, gab es diesen kurzen | |
| Blickkontakt unter den Kolleg*innen. Corona? Aber wenn ein Kind weint, | |
| nehme ich es auf den Schoß, ich kann den Kindern doch keine körperliche | |
| Nähe verweigern. | |
| Wir tragen in unserem Kindergarten nur Masken, wenn wir Kolleg*innen aus | |
| anderen Kohorten begegnen. Manchmal habe ich das Gefühl, in zwei Welten zu | |
| leben. Hier drinnen ist alles scheinbar normal – und draußen: | |
| Hochsicherheit. Ich muss mich manchmal daran erinnern, im Laden eine Maske | |
| aufzusetzen. | |
| Wir eiern immer herum, ob es okay ist, mit dem oder dem Symptom zu kommen. | |
| Riskiere ich, andere anzustecken? Lasse ich Kolleg*innen im Stich, wenn ich | |
| zu Hause bleibe? Wir haben alle ständig etwas, es sind viel mehr | |
| Kolleg*innen krank geschrieben als sonst. | |
| Anders als die Kinder, die haben zwar Schnoddernasen, aber die | |
| Hygienemaßnahmen scheinen andere Krankheiten wie Magen-Darm zu verhindern. | |
| Mich stresst dieses ständige In-den-Körper-hineinhorchen. Ich bin | |
| eigentlich nicht zimperlich, aber selbst ich werde jetzt bei leichtem | |
| Halskratzen nervös und gehe im Zweifel zum Test. | |
| Weil so viele krank sind, können wir viele Spätdienste nicht mehr anbieten | |
| und haben keine Zeit für Vorbereitung. So müssen wir den ganzen Tag mit | |
| einer vollen Gruppe durchpowern und haben keine ruhigeren Phasen zum | |
| runterkommen. Wir können uns ja nicht mehr gegenseitig in den Gruppen | |
| vertreten, weil das Personal nicht gemischt werden soll. | |
| Dabei mussten wir nur selten eine Gruppe ganz schließen, weil wir als | |
| Inklusionskindergarten einen guten Personalschlüssel haben. Im nächsten | |
| Jahr werden uns leider Stellen gestrichen. Ich bleibe jetzt häufig mal eine | |
| Stunde länger, weil es für Eltern schwer ist, von heute auf morgen | |
| Alternativen zu organisieren. Aber ich brauche auch mal Zeit für mich. | |
| Für mich wäre es ein echter Lichtblick, wenn sich die Regeln nicht alle | |
| paar Wochen ändern würden und man mal einen Fahrplan hätte, in dem | |
| verbindlich festgelegt ist, wann welche Maßnahme greift. [4][Das soll es | |
| jetzt wohl geben.] Im November hatten wir in Bremen eine Zeit eine | |
| 7-Tage-Inzidenz von 240. Und es ist nichts passiert, es wurde keine Regel | |
| verschärft, alles blieb, wie es war. Das hat mich wütend gemacht. | |
| Dabei geht es einigen Kolleg*innen viel schlechter als mir. Wir haben aber | |
| kaum noch Austausch untereinander, nur noch zu den Kolleg*innen einer | |
| anderen Gruppe, mit der wir eine Kohorte bilden. Ich habe das Glück, dass | |
| meine beste Freundin dort arbeitet, und ich sie viel sehe. Außerdem muss | |
| ich immer die Pferde versorgen, weil ich auch als heilpädagogische | |
| Reitlehrerin in der Einzelförderung arbeite. Dadurch bin ich viel draußen | |
| und habe Ablenkung. | |
| Die Kinder sprechen von sich aus nicht über Corona. Aber bei uns kommt | |
| einmal die Woche der Pastor ins Haus, da gibt es die Möglichkeit, eine | |
| Bitte oder ein Gebet auszusprechen. Da sagen viele, „bitte mach, dass | |
| Corona bald vorbei ist“.“ | |
| 4 Jan 2021 | |
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| ## AUTOREN | |
| Eiken Bruhn | |
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