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# taz.de -- Regionalliga und das Thema Rassismus: Keine Zeit für eine Pause
> Ohne Spielbetrieb und Ticket-Erlöse verdienen die Spieler kein Geld. Und
> bei Tennis Borussia streitet man über Trikots mit politischer Botschaft.
Bild: Ein Bad in der Menge (Archivfoto): Torwart Ertugrul Aktas (TeBe, Tennis B…
Berlin taz | Das Thema Rassismus begleitet den Fußball schon lange – und
leider immer wieder erschreckend aktuell. Erst Anfang Dezember wurde ein
Champions-League-Spiel zwischen Paris Saint-Germain und Istanbul Başakşehir
abgebrochen, nachdem die Spieler beider Mannschaften nach einer
rassistischen Äußerung eines der Schiedsrichterassistenten geschlossen den
Platz verlassen hatten.
Und auch ein paar Spielklassen darunter, bei dem Berliner
Regionalligaaufsteiger [1][Tennis Borussia,] ist man sich des Problems
bewusst. Immerhin stellen Spieler of color hier wie bei vielen Berliner
Vereinen einen Großteil der Mannschaft. Der Verein ist für das politische
und soziale Engagement seiner Fanszene bekannt und wollte nun auch selbst
ein Zeichen setzen. „Black Lives Matter“ steht daher auf den neuen Trikots
– vorerst allerdings nur auf jenen im Fanshop: Die Spieler müssen ohne
Statement gegen Rassismus auflaufen.
Der Nordostdeutsche Fußballverband (NOFV), der für den Spielbetrieb der
viertklassigen Regionalliga Nordost zuständig ist, stellte sich nämlich
einmal mehr quer. Politische Aussagen haben aus seiner Sicht auf den
Trikots von Spielern nichts zu suchen, und die schlichte Feststellung, dass
auch schwarze Leben zählen, scheint in den Augen der – allesamt weißen –
Verantwortlichen beim NOFV bereits politisch zu sein.
In einer normalen Saison hätte das wahrscheinlich einen mittelschweren
Skandal ausgelöst. Aber was ist schon normal in diesem Coronajahr? Seit 1.
November ruht der Spielbetrieb aufgrund der Maßnahmen gegen die Pandemie.
Bei Tennis Borussia dauert die unfreiwillige Pause bereits seit Mitte
Oktober an, weil die Mannschaft nach einem positiven Coronatest zwei Wochen
in Quarantäne musste. Wann der Ball wieder rollen wird, weiß momentan
niemand.
## Neun von zehn Spielern leben vom Fußball
Am Mittwoch vergangener Woche, also genau an dem 16. Dezember, an dem die
gesamte Republik in den neuerlichen harten Lockdown ging, trafen sich
Vertreter von sechs Vereinen aus der Regionalliga Nordost in einer
Videokonferenz, um zu beraten, wie und unter welchen Umständen der
Spielbetrieb wieder aufgenommen werden könnte. Das Timing mag etwas
unpassend wirken, der Termin stand jedoch bereits fest, bevor sich Bund und
Länder auf die neuen Regelungen Coronaregeln geeinigt hatten.
Ein zentrales Problem, mit dem Vereine und Verband sich konfrontiert sehen,
besteht darin, dass zwar annähernd neun von zehn Spielern in der
Regionalliga vom Fußball leben, die Liga selbst jedoch bestenfalls
semiprofessionell ist. Anders als in den ersten drei Ligen fließen nahezu
gar keine TV-Gelder; ein großer Teil der Budgets stammt aus den Erlösen des
Ticketverkaufs. Finden Spiele vor leeren Rängen statt, müssen also die
Spieler bezahlt werden, Einnahmen hingegen gibt es keine.
„Solche Geisterspiele wären für uns das denkbar schlechteste Szenario“,
sagt auch Tobias Schulze, Vorstandsmitglied bei Tennis Borussia. „Ohne
Zuschauereinnahmen ist die Regionalliga für uns nur schwer zu stemmen.“ Es
geht ihm jedoch nicht nur um den finanziellen Aspekt, denn anders als
beispielsweise in der Bundesliga findet das Fan-sein in den unteren Ligen
fast ausschließlich vor Ort im Stadion statt. „Wir sehen das Stadion daher
auch als wichtigen sozialen Ort und als Treffpunkt.“
Auch beim aktuellen Tabellenführer FC Viktoria Berlin ist man nicht
begeistert von der Aussicht auf Spiele vor leeren Rängen. „Die Regionalliga
braucht Zuschauer“, sagt Sportdirektor Rocco Teichmann. „Viele Vereine sind
sehr auf diese Einnahmen angewiesen.“ Er sagt aber auch, dass man sich auf
diese Möglichkeit vorbereiten müsse, weil nun mal die Politik den Rahmen
dafür absteckt, ob und unter welchen Bedingungen Fußball gespielt werden
kann.
## Eine AG für die Regionalen
Teichmann und der FC Viktoria vertreten in der Arbeitsgemeinschaft, die dem
Spielausschuss des NOFV zuarbeiten soll, die Interessen der sieben Berliner
Vereine in der Regionalliga. Die Gründung der AG ging von Energie Cottbus
aus, nachdem Ende November klar geworden war, dass der Spielbetrieb nicht,
wie ursprünglich geplant oder wohl eher gehofft, Anfang Dezember wieder
aufgenommen worden wäre. Neben dem ehemaligen Bundesligisten gehören ihr je
ein Verein aus jedem der fünf in der Liga vertretenen Bundesländer an.
Die wichtigsten Eckpunkte, auf die man sich bislang geeinigt hat: Die
Saison soll bis spätestens Ende Juni beendet sein, es soll Auf- und
Absteiger geben – vor allem aber ruht, erst einmal geplant bis Ende Januar,
der Ball. „Ich denke, dass damit wohl alle Vereine zufrieden sind“, so
Teichmann. „Unser Hauptziel muss sein, möglichst viele Spiele auszutragen,
um eine sportlich faire Grundlage für den Vergleich der jeweiligen
Leistungen zu haben.“
Dafür muss zunächst einmal die Hinrunde abgeschlossen werden. Vorher ist an
sportliche Vergleichbarkeit nicht einmal zu denken. Was danach kommt, wird
sich zeigen. Sollte die Zeit knapp werden, könnten auch bislang als
ausgeschlossen geltende Ideen wie Play-offs oder eine geteilte Auf- und
Abstiegsrunde wieder aus der Schublade hervorgeholt werden. Entsprechende
Vorschläge sind von einigen Vereinen bereits lanciert worden.
Über derlei Gedankenspiele will man derzeit jedoch weder beim FC Viktoria,
noch bei Tennis Borussia ernsthaft nachdenken. Das ist alles noch viel zu
weit weg. Momentan sind erst einmal beide Teams in der Winterpause, die
Spieler in Kurzarbeit. Am 13. Januar soll die nächste Sitzung der AG
stattfinden. Dass es dann einen sicheren Termin für die Fortsetzung des
Spielbetriebs geben wird, erscheint derzeit eher unwahrscheinlich.
Sicher hingegen ist, dass Tennis Borussia vorerst darauf verzichten wird,
in der Regionalliga mit dem „Black Lives Matter“-Schriftzug aufzulaufen.
Viel wichtiger erscheint derzeit, dass überhaupt wieder gespielt wird.
Zumindest im Berliner Pokal jedoch, in dem nicht der NOFV, sondern der als
deutlich progressiver geltende Berliner Fußballverband das Sagen hat,
sollen die Trikots mit dem Schriftzug zum Einsatz kommen. Ein
entsprechender Antrag soll Anfang nächsten Jahres gestellt werden.
Wann und wie der Pokalwettbewerb fortgesetzt werden kann, ist bislang
jedoch ebenfalls unklar.
21 Dec 2020
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## AUTOREN
Jan Tölva
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