| # taz.de -- Die Wahrheit: Aufdrehen für Berlin | |
| > Franziska Giffey, noch Bundesfamilienministerin, startet von Berlin-Rudow | |
| > aus ihren fulminanten Feldzug Richtung Rotes Rathaus. | |
| Herzlich willkommen auf meiner Ranch!“ Franziska Giffey strahlt über beide | |
| Ohren, als sie uns in ihrer mondänen Villa in Rudow, am südlichen Stadtrand | |
| von Berlin empfängt. Die Bundesfamilienministerin hat in diesen kalten | |
| Dezembertagen das Thermostat auf 32 Grad gedreht, sie und ihre über 30 | |
| Hausangestellten tänzeln in luftiger Sommerkleidung durch das in dezenten | |
| Pastelltönen gehaltene Anwesen. Giffeys Mann Karsten, ein stadtbekannter | |
| Filou, Veterinär und Ex-Landesbeamter kümmert sich derweil um die knapp 300 | |
| Chinchillas seiner Frau. | |
| „Natürlich ist ein schonender Umgang mit unseren natürlichen Ressourcen | |
| nötig“, sagt Giffey, während sie uns Likör anbietet. „Andererseits dürf… | |
| wir auch die Investoren nicht verschrecken. Hier in der Nachbarschaft wohnt | |
| ein sehr netter Heizungsbauer, der es jammerschade fände, kriegten wir | |
| nicht auch noch in die obere Terrasse eine Fußbodenheizung eingebaut. | |
| Furchtbar, auch für das Land Berlin, wenn der Auftrag an die Spahns | |
| gegenüber ginge!“ | |
| Das neue Domizil in Rudow, es passt zu einer engagierten Politikerin, die | |
| hoch hinaus möchte. Erst im November wurde die Bundesfamilienministerin zur | |
| SPD-Landesvorsitzenden gewählt, nun gab sie ihre Kandidatur für die | |
| Berliner Abgeordnetenhauswahlen im Herbst 2021 bekannt, Wahlkreis: Rudow. | |
| An Franziska Giffey kommt in Berlin keiner mehr vorbei, kaum einer wagt es, | |
| noch Widerworte zu geben. „Sonst werden die erschossen“, sagt Giffey ins | |
| Telefon, das eben kurz klingelte. „Keine Sorge, da ging es um etwas | |
| anderes. Nicht um Sie.“ | |
| Bauen, Bildung, Beste Wirtschaft, Bürgernähe und Berlin – unter diese fünf | |
| B hat Giffey ihre Kandidatur gestellt. Wie will sie das alles finanzieren? | |
| Die 42-Jährige rollt mit den Augen – und lässt einige auf ihrem | |
| Schreibtisch funkelnde Sachsenjuwelen diskret in einer Schublade | |
| verschwinden. | |
| „Sagen wir, ich habe schon ganz andere Dinger gedreht. Und so ein | |
| Landeshaushalt, der ist ja auch nur eine Art Grünes Gewölbe. Einfach rein, | |
| Schneidbrenner an, gut geparkter Fluchtwagen. Und dann läuft die Kiste!“ | |
| ## Ein Coup der Nettigkeit | |
| Derzeit macht die konservative Sozialdemokratin mit Plänen von sich reden, | |
| den Berliner Mietendeckel wieder aufzuheben. „Das war ja ein ganz netter | |
| Coup“, sagt Giffey, während sie geistesabwesend ihre Sammlung von Perücken, | |
| falschen Bärten und lebensechten Masken studiert. „Bei 160.000 Vermietern | |
| gleichzeitig einsteigen, alles mitnehmen, keine Zeugen. Hat die Linkspartei | |
| nett eingefädelt. Aber wie heißt es unter uns Einbrecherköniginnen: Es ist | |
| erst dann ein Raub, wenn es dir keiner mehr wegnehmen kann!“ | |
| Giffey führt uns in ihr Treppenhaus, lässt sich elegant eine | |
| Feuerwehrstange hinabgleiten und ab geht es in den Keller der Liegenschaft. | |
| „Ich habe das alte Team wieder zusammengestellt. Dynamit-Ede, Trick-Tanja, | |
| Janine the Gun, Schlüssel-Fritz. Der Mietendeckel ist der größte Raub in | |
| der Geschichte der Bundesrepublik. Ein noch größerer Raub wäre es nur, wenn | |
| man nun von den Räubern raubte, nicht wahr.“ Sie lächelt vielsagend, greift | |
| sich an den Dutt und öffnet mit einer Haarnadel aus DDR-Beständen ihrer | |
| Mutter die Tür zum Büro. | |
| Es hilft nichts, wir müssen jetzt mit Franziska Giffey über den Elefanten | |
| im Raum sprechen. „Hübsch, nicht wahr? Ich nenne ihn Tröti. Eigentlich | |
| heißt er aber Gahana und gehörte dem Maharadscha von Jaipur. Leider war das | |
| Sicherheitssystem des Maharadschas nicht ganz so unüberwindlich, wie sich | |
| das Seine Majestät so dachten.“ | |
| Die Noch-Ministerin führt uns weiter durch die Galerie ihrer Beutezüge. „Um | |
| Ihnen dann auch gleichmal Ihre nächste Interviewfrage zu klauen: Das Thema | |
| Doktorarbeit, das ist für mich ganz abgeschlossen. Wer ich bin und was ich | |
| kann, ist nicht abhängig von diesem Titel. Sondern von meinen | |
| Verkleidungskünsten! Zum Beispiel bin ich als 'Putzfrau Anne’ in den | |
| letzten Wochen bei sämtlichen Redaktionen eingebrochen und habe das Thema | |
| überall vom Tisch geholt. War nicht leicht, aber man hat einen Ruf zu | |
| verteidigen als 'das Phantom’, ich meine, als ‚Bundesministerin Giffey‘.�… | |
| Versonnen blickt die SPD-Hoffnung auf Van Goghs Gemälde Mohnblumen, das | |
| hier wie beiläufig im Gang des weitläufigen Kellergewölbes hängt. „Doktor, | |
| Doktor – was soll das überhaupt? Was mich als Mensch ausmacht, liegt doch | |
| nicht in diesem akademischen Grad begründet. Der ist doch nur ein Stück | |
| Papier, im Archiv der Freien Universität Berlin, Habelschwerdter Allee 45, | |
| Türcode 14195. Dann könnten Sie mich auch fragen, ob Franziska Giffey | |
| überhaupt mein richtiger Name ist! Ich habe ihn so oft gewechselt, er sagt | |
| nichts darüber, wer ich als Mensch bin, oder über meine Qualifikationen als | |
| Superschurkin. Ich meine: als Politikerin!“ | |
| Giffey verweist auf ihren Facebook-Account. „Ich habe ein Statement ins | |
| Internet gesetzt, mit einem Foto meiner eigenen handschriftlichen | |
| Erklärung, die zuvor von einem zehnköpfigen Expertenteam kopiert, | |
| gephotoshoppt, gecroppt und gerendert wurde. Ich kenne keinen Fall, wo mehr | |
| Geld in politische Aufrichtigkeit investiert wurde! Und das Tolle: Es ist | |
| nicht mal meine eigene Handschrift. Niemals irgendwelche Spuren | |
| hinterlassen, das muss das Motto einer modernen Sozialdemokratie im 21. | |
| Jahrhundert sein!“ | |
| ## Der Heist des Jahrhunderts | |
| Giffey gibt uns weitere Einblicke in ihre Strategie. Den fünf B folgen nach | |
| Regierungsantritt die fünf C: „Corona, Cabaret, Coolness, Cyankali und | |
| Champagner! Corona und Cabaret schaffen die Ablenkung, wir gehen mit | |
| Coolness rein in den Senat, dann Cyankali für die Wachen und schließlich | |
| feiern wir mit Champagner in Monaco. Das wird der Heist des Jahrhunderts!“ | |
| Wir nicken, lassen aber nicht locker. „Frau Giffey, der Berliner | |
| Landesverband gilt als eher links. Wie konnten Sie sich als Konservative da | |
| überhaupt durchsetzen?“ Nach kurzem Überlegen will Giffey antworten, da | |
| dringt ein schwaches Klopfen hinter einer massiven Stahltür hervor. Giffey | |
| kramt in ihrer Handtasche, findet trockene Brotrinden, schiebt sie unter | |
| dem Türspalt durch. Sie streicht sich die Hände sauber, dann antwortet sie | |
| mysteriös: „Sagen wir, in einer Volkspartei ist jeder Funktionsträger | |
| grundsätzlich ersetzbar. Durch Doubles! Es hilft natürlich, dass die SPD in | |
| Berlin nahezu vollständig gesichtslos ist. So merkt niemand, wenn sich | |
| einige Gesichter eine kleine Auszeit nehmen.“ Nachdenklich streichelt sie | |
| über das Schloss der Tür, aus der wieder Klopfen dringt. „So wie die | |
| eigentlichen Besitzer dieses Hauses …“ | |
| Wir merken: Hinter ihrem freundlichen, ja ministrablen Auftreten ist | |
| Franziska Giffey eine resolute, kämpferische Landespolitikerin. Und hinter | |
| den schweren Stahltüren ihres Privatgefängnisses in Berlin-Rudow haben wir | |
| Gelegenheit, über diese Qualitäten Franziska Giffeys besonders intensiv und | |
| lange nachzudenken. Unsere Unterstützung hat sie auf jeden Fall! | |
| 12 Dec 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Leo Fischer | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Wahlen in Berlin | |
| Franziska Giffey | |
| Ampel-Koalition | |
| Ampel-Koalition | |
| Schwerpunkt Coronavirus | |
| Kolumne Die Wahrheit | |
| Schwerpunkt Angela Merkel | |
| Die Wahrheit | |
| Verschwörungsmythen und Corona | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Die Wahrheit: Sozialdemokratische Sexträume | |
| Die Wahrheit-Vorschau 2022: Das kommende Jahr bringt Krieg, menschliche | |
| Blockchains und andere Nachhaltigkeitsprojekte. | |
| Die Wahrheit: „Wir wollen uns nützlich fühlen“ | |
| Exklusiv in der taz: der offene Brief von Baldbundeskanzler Olaf Scholz | |
| (SPD) an die gesamtdeutsche Nation hier und jetzt und in Gesamtlänge. | |
| Die Wahrheit: Stoppelmattig in der Postapokalypse | |
| Stimmt es in pandemischen Zeiten eigentlich noch, dass nur ein gelernter | |
| Figaro ein guter Figaro ist? Ein Frontbericht von der Frise. | |
| Die Wahrheit: Verirrland | |
| Reisefieber ist so 2019, also jedenfalls v.C. (vor Corona). Dumm, wer sich | |
| nach Buchung auf Rückerstattung verlassen hat. | |
| Die Wahrheit: Mit kühlem Herzen in die Rente | |
| Das Ende ist nahe. Die Kanzlerschaft der Angela Merkel klingt aus. Wohin | |
| wird es die wichtigste Frau Deutschlands treiben? | |
| Die Wahrheit: Bundeswehr bestellt bei Amazon | |
| Die Bundesverteidigungsministerin AKK von der CDU marschiert voran: Neue | |
| Konzepte sollen dem müden Heer auf die Beine helfen. | |
| Die Wahrheit: Massenauflauf im Nationalkostüm | |
| Von Fridays for Future bis Silvester: die ultimative Vorschau auf die | |
| bewegte Bewegungssaison im zweiten Halbjahr 2020. |