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# taz.de -- Konzept der Nächstenliebe: Eigentlich gut
> Unsere Autorin freut sich über die Nächstenliebe ihrer Eltern. Weil diese
> Liebe wegen der Kirche in Verruf geraten ist, plädiert sie für ein
> Rebranding.
Bild: Ausschnitt eines Gemäldes: St. Martin gibt einem Bettler ein Stück von …
Qua Beruf beschäftige ich mich ja sehr viel mit dem Thema Liebe. Doch in
letzter Zeit habe ich mir sehr viele Gedanken speziell zum Thema
Nächstenliebe gemacht.
Dazu habe ich meinen Stiefvater mal gefragt. Pensionierter Pfarrer und
überzeugter Christ. Ich bin ja auch Christin, aber nicht so überzeugt.
Zumindest die meiste Zeit. Das Konzept Nächstenliebe fand ich auf einer
theoretischen Ebene schon immer sehr spannend.
Praktisch habe ich jedoch oft den Eindruck gehabt, dass christliche
Nächstenliebe nicht konsequent ist beziehungsweise voller
Widersprüchlichkeiten steckt. Ein Beispiel: Selbst ernannte [1][Christen,
die in Trumps Amerika für alle und jeden Verständnis und Liebe haben, außer
für Geflüchtete, Schwule, Lesben und trans Menschen].
Oder ein Beispiel aus meiner eigenen Geschichte: [2][Im Genozid gegen die
Tutsi] hat sich die Kirche und insbesondere die katholische Kirche nicht
gerade mit Ruhm bekleckert. Hochrangige Priester haben Tausende von
Menschen in den Tod geschickt, nur weil sie Tutsis waren und in den Augen
der Priester es nicht verdient hätten zu leben.
## In Verruf geraten
Das Konzept Nächstenliebe ist also im Zusammenhang mit der Kirche – sagen
wir mal – in Verruf geraten. Vielleicht braucht Nächstenliebe ein
Rebranding. Ich kam darauf, weil ich mit meinem Stiefvater sprach, der
mehrmals die Woche die demente Mutter eines Bekannten von uns besucht,
pflegt, mit ihr liest und Essen kocht.
Bis vor ein paar Wochen traf er sich regelmäßig mit einem Mann aus unserer
alten Nachbarschaft, der sehr lange ein massives Drogenproblem hatte. Sie
saßen in seinem Schrebergarten, unterhielten sich, lachten und tauschten
Geschichten aus. Als dieser Mann starb, vererbte er das Wenige, was er
hatte, meinem Stiefvater. Als Dank dafür, dass er sich um ihn gekümmert
hatte.
Ich spreche und schreibe sehr oft über meine Eltern, weil sie in vielerlei
Hinsicht ein Vorbild für mich sind. Diese Geschichten haben mich sehr
beeindruckt. Die Selbstlosigkeit, mit der mein Vater diese Besuche bis zum
Tod des Mannes und der Coronadiagnose der Bekannten durchgezogen hat, haben
mich beeindruckt.
## Menschen sind da, um anderen zu helfen
Ist das Nächstenliebe? Und was ist eigentlich die Motivation meines
Stiefvaters zum Beispiel? Oder die Motivation meiner Mutter, wenn sie das
Studium für völlig fremde Menschen zahlt?
Beide sind, wie gesagt, Christen, aber das allein scheint es nicht zu sein.
Mein Stiefvater sagte mir, dass es für ihn nicht mit dem Ruhestand zu tun
hat oder mit „seinem Chef da oben“.
Seine Überzeugung ist eine ganz einfache: Menschen sind da, um anderen
Menschen zu helfen. Klingt vielleicht banal und extrem einfach, aber in
dieser extrem chaotischen Zeit bin ich für jeden einfachen Ratschlag
dankbar.
16 Dec 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Anna Dushime
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