# taz.de -- Beethovens 250. Geburtstag digital: Genie, frisch aus der Konserve | |
> Beethoven, eingespielt von Berliner Musikern, bietet guten Ersatz für die | |
> ausgefallenen Feiern zu dessen 250. Geburtstag. Sogar Konzertersatz gibt | |
> es. | |
Bild: Beethoven mit standesgemäß verwuscheltem Haar | |
Warum gilt Ludwig van Beethoven in der Musik eigentlich als das Genie | |
schlechthin? Liegt das an seinen imposant verwuschelten Haaren? Die gehören | |
jedenfalls fest zum Bild des Komponisten, wie man schon während der | |
frühkindlichen Phase beigebracht bekam. | |
In der Sesamstraße etwa ist der Pianist Don Schnulze zu erleben, wie er an | |
seinem Instrument sitzt und sich an diversen Liedern versucht, eine | |
Beethovenbüste im Blick. Und dabei regelmäßig stecken bleibt. Irgendwann | |
ist dann der Punkt erreicht, an dem er verzweifelt schreit: „Oh Ludwig, ich | |
werde es nie schaffen!“ Dazu knallt er seinen Kopf samt beethovenmäßig | |
zauseligem Haar geräuschvoll auf die Tasten. | |
Selbstverständlich verdankt Beethoven, der am 17. Dezember seinen 250. | |
Tauftag begehen würde, seinen Geniestatus weniger dem äußeren | |
Erscheinungsbild als seiner Musik. Wobei die Haare geholfen haben könnten. | |
Doch dass seine Werke bis heute viel gespielt und gern gehört werden, ist | |
nicht allein auf gute Markenpflege aufseiten des Klassikbetriebs | |
zurückzuführen. Die Musik überzeugt halt, sofern man keine Angst vor | |
Klassik hat. | |
Da die [1][Jubiläumsfeierlichkeiten im zurückliegenden Jahr] weitgehend | |
ausgefallen sind oder behelfsmäßig ins Netz wandern mussten, sei an dieser | |
Stelle zumindest schlaglichtartig auf ein paar Neueinspielungen | |
hingewiesen. Und auf einen durchaus würdigen Konzertersatz. | |
Dass Beethoven sogar dann frisch klingen kann, wenn er auf historischen | |
Instrumenten gespielt wird, machen der in Berlin lebende Cellist Nicolas | |
Altstaedt und der Pianist Alexander Lonquich in ihrer Aufnahme mit dessen | |
sämtlichen Werken für Fortepiano und Violoncello eindrucksvoll vor. Die | |
fünf Sonaten, die Beethoven für diese Besetzung geschrieben hat, klingen | |
bei ihnen feinfühlig, warm und energisch zugleich. | |
Man vergisst bei ihnen glatt, dass sie auf altem Gerät musizieren. Und ihre | |
ebenso sensible Einspielung der zwölf Variationen über ein Thema aus | |
Händels Oratorium „Judas Maccabäus“ passt zudem bestens in die Jahreszeit, | |
handelt es sich bei der Melodie doch um „Tochter Zion“. | |
## Akustische Naturschilderungen | |
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt die Akademie für Alte Musik Berlin unter | |
Bernhard Forck in ihren Einspielungen einiger Symphonien Beethovens, die | |
sie mit Zeitgenossen des Komponisten paaren. Besonders interessant ist ihre | |
Aufnahme der Symphonie Nr. 6, der „Pastorale“, die sie mit Justin Heinrich | |
Knechts „Le portrait musical de la nature, ou Grande simphonie“ | |
kombinieren, zwei Programmmusiken mit akustischen Naturschilderungen. | |
Beethoven mag zwar den elektrisierenderen Beitrag geliefert haben, reizvoll | |
ist Knechts Musik ebenso. Vor allem klingt das Orchester an keiner Stelle | |
„alt“. | |
Moderne Instrumente haben hingegen der Berliner Pianist Martin Helmchen und | |
das DSO Berlin unter Andrew Manze für ihre Einspielungen der | |
Klavierkonzerte Beethovens gewählt. Zuletzt erschien von ihnen das | |
Klavierkonzert Nr. 3 und das Tripelkonzert. Besonders beim dritten | |
Klavierkonzert hört man wiederum einen schlanken Orchesterklang, wie er | |
eher in der historisch informierten Aufführungspraxis gepflegt wird. Der | |
Dialog zwischen Solist und Orchester ist dadurch noch einmal lebendiger. | |
## Sämtliche Streichquartette als Livestream | |
Wer trotz des großen aktuellen Beethoven-Tonträgerangebots das | |
Konzerterlebnis dieser Tage nicht missen möchte, kann auf die Digital | |
Concert Hall der Berliner Philharmoniker zurückgreifen. Dort laufen von | |
heute bis zum 17. Dezember sämtliche Streichquartette Beethovens als | |
Livestream, in wechselnden Konstellationen eingespielt von den Streichern | |
des Orchesters. Und zwar chronologisch mit dem ersten beginnend. Die späten | |
Quartette gibt es dann am Donnerstag zu hören. | |
Schließlich kann man das Beethoven-Jubiläum auch zum Anlass nehmen, mit dem | |
einen oder anderen sorgsam gehegten Vorurteil aufzuräumen. So gehört das | |
Klavierstück „Für Elise“ nicht allein zu den populärsten, sondern auch zu | |
den am meisten belächelten Kompositionen Beethovens. | |
Der Grund könnte jedoch nicht so sehr in den Noten, die Beethoven | |
hinterlassen hat, zu suchen sein als vielmehr in dem tönenden Ereignis, das | |
unter den meisten, nicht zwangsläufig sachgerecht eingesetzten Fingern | |
daraus wird: Allzu häufige schlechte Darbietungen können ein Stück so | |
dauerhaft ruinieren. Der in Berlin lebende [2][Pianist Igor Levit] gab sich | |
im Februar im Deutschlandfunk als erklärter Fan des Stücks zu erkennen. Im | |
Unterschied zu vielen seiner Kollegen spielt er es auch im Konzert. Wenn es | |
wieder so weit ist. | |
15 Dec 2020 | |
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## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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