# taz.de -- Klage beim Verwaltungsgericht: Nachhilfe in Sachen „Spuckis“ | |
> Bei einer Demo untersagt die Polizei einem Teilnehmer den Protest, weil | |
> er Sticker dabei hatte. Der Teilnehmer hatte deshalb geklagt. | |
Bild: Florian H. hatte einen Rucksack mit zur Demo genommen, in dem auch Sticke… | |
BERLIN taz | Am 1. Mai 2019, als Tausende zur Demonstration für ein | |
Enteignungsvolksbegehren in den Grunewald gingen, kontrollierte die Polizei | |
Florian H. Als sie in seinem Rucksack Sticker fanden, bekam H. ein | |
Aufenthaltsverbot. H. hat dagegen geklagt – am Montag fand die Verhandlung | |
vor dem Verwaltungsgericht in Moabit statt. Rechtsanwältin Anna Luczak | |
betonte, es sei kein Grund, von einer Versammlung ausgeschlossen zu werden, | |
weil man Aufkleber mit sich trage. | |
Am Montagmorgen diskutierte das Gericht deshalb über die Langlebigkeit der | |
Aufkleber, den Versuch der Sachbeschädigung und inwiefern H. sich im Zuge | |
der [1][Demonstration] neue Sticker hätte besorgen können, um | |
möglicherweise weiteres Stickern auszuüben. | |
Eingangs fragt der Richter, ob es stimme, dass H. wegen „Spuckis“, wie die | |
Aufkleber genannt werden, die Teilnahme an der Demo verwehrt worden sei. Im | |
Raum sitzen sieben Zuschauer:innen, die sich solidarisch mit H. zeigen. Als | |
der Richter das Wort „Spuckis“ sagt, lachen sie. Der Richter fragt: „Ich | |
kenne Spuckis nicht, haben Sie in Erinnerung, wie fest sie haften?“ – H. | |
erklärt daraufhin dem Gericht, „Spuckis“ hätten in etwa die Haftung einer | |
Briefmarke. | |
Der anwesende Polizist hat die Arme vor der Brust verschränkt und erklärt, | |
dass H. sich weitere Sticker hätte beschaffen können, weshalb man eine | |
Sachbeschädigung nicht hätte ausschließen können. Der Richter sieht es | |
ähnlich: „Wenn es zu Feststellungen kommt, wie es hier der Fall ist, liegt | |
das rechtlich nicht anders als wenn man ein Messer mitführt und deshalb | |
Körperverletzung nahe liegt.“ Rechtlich sei das nicht zu differenzieren. | |
## Katastrophe für die Versammlungsfreiheit | |
Luczak, H.s Rechtsanwältin, erklärt: „Es gibt den | |
[2][Verhältnismäßigkeitsgrundsatz], ein Messer ist anders zu bewerten“, | |
sagt sie. „Das ist ein heikles Feld“, erwidert ihr der Richter in der | |
Verhandlung. „Die Eigentümer im Grunewald, [deren Eigentum mit Stickern | |
womöglich bedeckt worden wären, Anm. der Redaktion], sehen das | |
wahrscheinlich anders.“ | |
Nach einer kurzen Besprechung mit seiner Rechtsanwältin zieht H. seine | |
Klage zurück. Die Fragen waren wohl zu suggestiv, H. hätte den Fall | |
verloren. „Das ist eine Katastrophe für die Versammlungsfreiheit“, sagt er | |
danach. Die Kosten für den Prozess muss er nach der Rücknahme der Klage | |
ebenfalls tragen. | |
Die Klage reiht sich ein in weitere, die das versammlungsrechtliche | |
Vorgehen der Polizei am 1. Mai 2019 in Frage stellen. Dazu gehören zum | |
Beispiel der umstrittene Einsatz von [3][Überwachungskameras] im Umfeld der | |
Demo. | |
7 Dec 2020 | |
## LINKS | |
[1] /1-Mai-in-Berlin/!5592035 | |
[2] https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/recht-a-z/23112/verhaeltnismaessigke… | |
[3] /Klage-gegen-Videoueberwachung/!5728869 | |
## AUTOREN | |
Nicole Opitz | |
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