# taz.de -- Jan Böhmermann im ZDF-Hauptprogramm: Bissiges Infotainment | |
> Deutschlands wichtigster Showmaster Jan Böhmermann ist wieder auf | |
> Sendung. Die erste Episode des „ZDF Magazin Royale“ zeigt Botschaft und | |
> Haltung. | |
Bild: Allein im Studio ist nur halb so lustig: Jan Böhmermann | |
Ein orangebraun gebrannter Dude mit Pomade. Ein Motorboot, ein viel zu | |
tiefer V-Ausschnitt, ein Ufftata-Beat – dann dreht sich der sonnenbebrillte | |
Schlagersänger Michael Wendler in die Kamera und setzt zu singen an: | |
„Egal“. Dieser kurze Clip war zahlreiche Male in Jan Böhmermanns Sendung zu | |
sehen, als diese noch im [1][Spartenkanal ZDFneo] lief. Ein „Meme“, also | |
ein wiederkehrender Schnipsel, den man immer gut einspielen konnte, wenn | |
der Moderator sagen wollte: Schwamm drüber, weiter im Text. | |
Auch in der ersten Folge des neuen Formats, nun unter dem Titel „ZDF | |
Magazin Royale“ und jetzt freitagabendlich im richtigen ZDF, ploppt | |
plötzlich das bekannte Motorboot mit dem bekannten Beat auf. Doch bevor | |
Michael Wendler sein Wort singen kann, bricht Böhmermann ab und sagt: „Es | |
ist eben nicht egal! Das muss man mal so klar sagen!“ Ein kurzer Moment, | |
der alles sagt über die neue, alte Show, über Jan Böhmermann 2.0. | |
Jahrelang war er tiefer in die Rolle des nimmerernsten, dauerambivalenten, | |
ultraundurchsichtigen Mediatheks-Eulenspiegels gerutscht. Hatte schon | |
Muskelkater in den Lidern vom vielen Augenzwinkern. Dabei war das „Neo | |
Magazin Royale“, diese kleine, geniale Krawallshow fern der | |
Hauptsendezeiten, stets gutes, manchmal überragendes Fernsehen (die | |
üblichen Stichpunkte der Sendungshistorie #Varoufake, #Verafake, | |
[2][Schmähgedicht und „Lass dich überwachen“ können Sie selber googeln]). | |
Aber irgendwann schien Böhmermann gemerkt zu haben, dass sich das abnutzt: | |
Der [3][überironische Typ] zu sein, der bei Gelegenheit immer den | |
„Egal“-Knopf drücken kann. | |
Er wolle nicht so werden wie sein Lehrmeister Harald Schmidt, war kürzlich | |
in der Zeit zu lesen: „Einer, dem alles am Arsch vorbeigeht.“ Im | |
vergangenen Sendejahr des „Neo Magazin Royals“ gab es schon Ansätze der | |
neuen Ausrichtung: durchaus ernst gemeinte Beiträge zu Umsatzsteuerbetrug | |
oder dem Verfassungsschutz. Entsprechend aufgeladen waren die Ansprüche an | |
die neue Sendung, die strategisch erwartungsvoll hinter das | |
ZDF-Comedy-Flaggschiff „heuteshow“ programmiert wurde. | |
Endet die am Freitagabend, kurz vor Böhmermanns Premiere, noch mit | |
Dad-Jokes („Der Gesundheitsminister ist tiefenentspahnt“), überdrehten | |
Sketchen und dem unvermeidlichen Pufpaff, wird der Kontrast zu Böhmermann | |
schnell deutlich. Das erste „ZDF Magazin Royale“ beginnt mit einem | |
„Glitch“, also einem digitalen Bildfehler und Störsignalen im Intro. | |
Böhmermann aus dem Off: „Ganz kurz, ich hab kein Bild und keinen Ton, das | |
WLAN spinnt.“ Natürlich ein Verweis auf die endlosen Videokonferenzen und | |
Videokonferenzkomplikationen des Coronajahres, aber auch innerhalb von | |
sechs Sekunden mehr Irritation, Zeitgeist und spielerischem Gag als in | |
einer ganzen Staffel Welke. | |
## Ist nicht alles geil | |
Zugleich gesteht sich die Sendung damit auch direkt zu Beginn ein: Ein | |
Unterhaltungsformat zu starten, ausgerechnet in diesem Jahr, ausgerechnet | |
in dieser Woche (zum Zeitpunkt der Ausstrahlung ist Trump immer noch nicht | |
abgewählt), das ist alles andere als geil. Das Studio in Ehrenfeld leer, | |
die wie immer fantastische Showband zum Rundfunk-Distanz‑Orchester | |
degradiert und aus dem Home-Office zugeschaltet. Selbst Böhmermann, diese | |
wandelnde Arroganz im Heiko-Maas-Anzug, wirkt anfangs etwas verunsichert. | |
Es gibt kein Stand-Up wie zu Neo-Zeiten üblich, der Moderator begrüßt vom | |
klassischen Late-Night-Pult. Und rafft sich doch schnell zu rhetorischer | |
Hochform auf: Die Kulisse habe er selbst gebaut, „aus alten Yogamatten von | |
Petra Gerster“. Der Moderationstext fließt rasant, ist gespickt mit | |
Wortspielen, Anspielungen, Internetinsidern. Die Gagautor*innen um den | |
ehemaligen Titanic-Chef Tim Wolff und Böhmermann als ihr Frontmann | |
harmonieren. | |
Es folgt ein Einspieler über die vermeintlich zum Verschwörungs-Jebsen | |
abgedrifteten NDR-Kinderpuppe Spencer aus den 80ern, dann kommt das | |
Herzstück der Sendung: Ein 20-minütiger Pult-Beitrag von Böhmermann mit | |
Bildunterstützung, eine Art moderner Diavortrag. Man kennt das inzwischen | |
auch hierzulande, vor allem aber von den großen US-Entertainern wie John | |
Oliver: Bissiges Infotainment, eine Mischung aus handfester Recherche, | |
linkem Sendungsbewusstsein und Comic Relief. Nun ist Böhmermann auch immer | |
noch ein bisschen deutsches Fernsehen, ein John Oliver Pocher, wenn man so | |
will. Aber er ist auf dem besten Weg dahin, eine ähnliche Qualität zu | |
erreichen wie seine amerikanischen Idole. | |
## Handwerklich sauber und unterhaltsam | |
Das große Thema der ersten Ausgabe: Verschwörung. Es geht (das ist der | |
Trick) aber nicht wirklich um Illuminaten und den ganzen Quatsch, sondern | |
um die diversen Verstrickungen der Superreichen, die während der Pandemie | |
noch reicher geworden seien. Vieles davon ist weder super tiefgehend noch | |
super aktuell (die Verbindungen etwa der BWM-Dynastie Klatten/Quandt ins | |
Dritte Reich sind seit Jahren bekannt). Idee und Ausführung aber trotzdem | |
handwerklich sauber und sehr unterhaltsam. | |
In Böhmermanns Redaktion unter der Leitung von Hanna Herbst sitzen | |
Journalist*innen, die zuvor für Vice, Zeit Online, den RBB oder das | |
Y-Kollektiv recherchiert haben. Auch, wenn die erste Sendung also unter | |
denkbar ungünstigen Bedingungen lief: Von diesem Team darf man sich noch | |
eine Menge erwarten. | |
7 Nov 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Zart-am-Limit-auf-ZDFneo/!5609613&s=b%C3%B6hmermann/ | |
[2] /Boehmermann-Schmaehgedicht/!5502979&s=B%C3%B6hmermann+Schm%C3%A4hgedic… | |
[3] /Medienwissenschaftler-ueber-Satire/!5479494&s=varoufake/ | |
## AUTOREN | |
Finn Holitzka | |
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