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# taz.de -- Krieg in Äthiopien: Abiy sucht die Entscheidung
> Die Zentralregierung unter Nobelpreisträger Abiy Ahmed hat der Region
> Tigray den Krieg erklärt. Dem Land droht ein Bürgerkrieg.
Bild: Ein Anhänger der TPLF trägt ein T-Shirt mit dem Portrait des Parteifüh…
Nairobi taz | Voriges Jahr erst [1][erhielt Äthiopiens Premierminister Abiy
Ahmed den Friedensnobelpreis], jetzt führt er eine militärische Operation
gegen einen Teil seiner eigenen Bevölkerung durch. Seit Mittwoch läuft eine
Militäroffensive gegen die autonome Region Tigray im Norden des Landes,
nachdem eine Militärbasis dort von bewaffneten Kräften angegriffen worden
sein soll. Die Angreifer sollen der mit der Zentralregierung verkrachten
Regionalregierung treu sein.
Abiy beschuldigt die Regierungspartei der Region, die
Tigray-Volksbefreiungsfront (TPLF), für die Attacke verantwortlich zu
sein. Die Angreifer haben nach Angaben Abiys versucht, die Basis zu
plündern. „Die letzte rote Linie wurde überschritten“, erklärte der
Premierminister, verhängte den Notstand und gab den Befehl zu der
Militäroperation. Laut Berichten kam es zu schweren Kämpfen an drei Orten
in Tigray. In einer Fernsehansprache bestätigte Abiy Todesopfer, nannte
aber keine Zahlen.
Angaben aus Tigray zufolge wurde die Armeebasis in Tigray, an der sich der
Konflikt entzündete, allerdings nicht von lokalen Kämpfern angegriffen.
Soldaten der Armee sollen übergelaufen sein auf die Seite der
aufständischen Regionalregierung und den Angriff ausgeführt haben. Die
Meldungen sind jedoch kaum zu überprüfen, da Telefon- und
Internetverbindungen in die Region gekappt sind.
Die Spannungen könnten in dem 110 Millionen Einwohner zählende Äthiopien zu
einem Bürgerkrieg zwischen rivalisierenden Militäreinheiten führen. Das
Land ist ohnehin fragmentiert entlang ethnischer Linien. In Äthiopiens
jüngerer Geschichte sind Konflikte immer wieder mit Gewalt gelöst worden.
Der aktuelle Machtkampf spielt sich unter ethnischen Vorzeichen ab, vor
allem aber handelt es sich um einen Machtkampf zwischen alten und neuen
Führern.
Die TPLF war jahrzehntelang an der Macht – bis zu Abiys Amtsantritt 2018.
Sie war der Kern der Rebellenallianz EPRDF (Demokratische Revolutionäre
Front der Äthiopischen Völker), die 1991 den Diktator Mengistu Haile Mariam
vertrieb und Äthiopien seitdem regiert. Die Tigray machen jedoch nur rund 5
Prozent der äthiopischen Bevölkerung aus.
Als Abiy Ahmed als junger Reformer und Vertreter der
Oromo-Bevölkerungsmehrheit 2018 die Führung der EPRDF sowie Äthiopiens
übernahm, schob er viele mächtige Politiker und Militärs aus Tigray
beiseite. Äthiopien ist eine Föderation autonomer Regionen, deren Grenzen
entlang ethnischer Linien verlaufen. Aus dem Land mit seinen 80
verschiedenen Ethnien will Abiy eine Einheit schmieden.
## Mischt sich Eritrea ein?
Tsedale Lemma, Chefredakteurin der Zeitung Addis Standard, [2][schrieb] am
Mittwoch auf Twitter: „Dies ist keine ‚chirurgische Operation‘, um die TP…
aufzulösen, sondern ein Bruch der Föderation, wie wir sie kennen.“ Egal wie
der Konflikt ausgehe, er werde Abiys ehrgeizigem Staatsbildungsprojekt
schaden.
Seit ihrer Entmachtung durch Abiy klagt die TPLF über Marginalisierung.
Ende vergangenen Jahres schließlich löste Abiy die Regierungskoalition
EPRDF komplett auf und gründete eine neue Koalition ohne die TPLF. Als er
dann die für Sommer 2020 angesetzte Wahl wegen der [3][Coronapandemie]
verschob, widersetzte sich die TPLF-Regierung in Tigray: Im September hielt
sie eine eigene Wahl ab und gewann nach eigenen Angaben mit 98 Prozent der
Stimmen. Die Zentralregierung erklärte die Wahl für ungültig und kappte der
Regionalregierung die Finanzierung.
Ein Versuch der Zentralregierung, Tigray nun militärisch zu erobern, würde
nicht leicht werden, meinen Militärexperten. Obwohl die Region klein ist,
bilden Soldaten aus Tigray den Kern der nationalen Streitkräfte. Viele von
Abiy pensionierte Soldaten und Offiziere aus Tigray haben außerdem eine
Rechnung mit ihm offen. Hinzu kommt, dass die Regionalregierung über eine
paramilitärische Polizei von etwa 100.000 Mann verfügt.
Auch besteht die Befürchtung, dass sich Eritrea in den Konflikt einmischt.
In dem blutigen Grenzkrieg gegen Eritrea (1998 bis 2000) kämpften
Tigray-Soldaten an vorderster Front. Bis heute sind Tausende
Tigray-Soldaten an der eritreischen Grenze stationiert. Tigray und Eritrea
sind bis heute bittere Feinde. Doch mit Abiy Ahmed versteht sich Eritreas
Diktator Isaias Afwerki gut. Eine Einmischung des Nachbarlandes in den
Konflikt würde für ganz Ostafrika Folgen haben.
5 Nov 2020
## LINKS
[1] /Friedensnobelpreis-2019/!5632716
[2] https://twitter.com/TsedaleLemma/status/1323895564304588801
[3] /Schwerpunkt-Coronavirus/!t5660746/
## AUTOREN
Ilona Eveleens
## TAGS
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