# taz.de -- Bürgerkrieg in Äthiopien: Ein unausweichlicher Konflikt | |
> Wer sich darüber wundert, dass Friedensnobelpreisträger Abiy Ahmed in der | |
> Provinz Tigray so unfriedlich agiert, hat Äthiopien nicht verstanden. | |
Bild: Nobelpreisträger Abiy Ahmed Ali | |
Es gibt keine Unschuldigen in [1][Äthiopiens neuem Bürgerkrieg zwischen der | |
Zentralregierung und den abtrünnigen Regionalmachthabern in der Region | |
Tigray]. Da sind zum einen die militärischen Machthaber in Tigray; sie sind | |
Äthiopiens alte Regierungselite zwischen 1991 und 2019, die das Land zuerst | |
befreit und dann in eine Diktatur verwandelt hatten. Und da ist zum anderen | |
Äthiopiens junger Reformpremier Abiy Ahmed, der 2019 die Regierung übernahm | |
und die Zügel behutsam lockerte, um Macht und Wohlstand im Land | |
umzuverteilen. | |
Es war von Anfang an klar, dass die Tigray-Generäle sich dem widersetzen | |
würden. Es muss in so einem Fall auch klar sein, dass der Reformpremier | |
diesen Konflikt militärisch gewinnen muss, wenn er nicht untergehen möchte. | |
Deswegen ist es logisch, dass die Zentralregierung Tigray den Krieg erklärt | |
und ihn unbarmherzig führt und dass Tigray mit allen Mitteln zurückschlägt, | |
einschließlich Raketen auf benachbarte Provinzen und sogar den Nachbarn | |
Eritrea. Wer sich jetzt darüber wundert, [2][dass Friedensnobelpreisträger | |
Abiy Ahmed so unfriedlich agiert], hat Äthiopien nicht verstanden. | |
Das Land war noch nie eine Demokratie, Machtfragen wurden noch nie ohne | |
Gewalt geklärt. Dass dabei die einfache Bevölkerung vor die Hunde geht, ist | |
eine Konstante der Landesgeschichte. Bloß weil ein Premierminister jung ist | |
und sich Reformen auf die Fahnen schreibt, kann er noch lange nicht aus | |
dieser Landesgeschichte austreten – zumal [3][Abiy Ahmed selbst ein | |
politisches Kind des Repressionsapparats] ist, den er jetzt in seiner auf | |
Tigray beschränkten Form als militärischen Gegner vor sich hat. Ein | |
einzelnes neues Gesicht kann die Funktionsweise eines ganzen Staatswesens | |
nicht auf Dauer verändern. | |
Jetzt stehen zwei Narrative gegeneinander: ein modernes Äthiopien, | |
verkörpert von einem zunehmend autokratischen Premier, und das | |
Selbstbestimmungsrecht Tigrays, verkörpert von ewiggestrigen Militärs. | |
Beide haben ihre Berechtigung. Aber nur eines wird überleben. Das ist die | |
Tragik des neuen äthiopischen Konflikts. | |
16 Nov 2020 | |
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## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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