# taz.de -- Nach Unruhen in Äthiopien: Opposition auf der Anklagebank | |
> 24 Aktivisten und Politikern wird Terrorismus vorgeworfen. Sie sollen bei | |
> Unruhen im Sommer zur Gewalt angestachelt haben. | |
Bild: 24 Oppositionelle stehen vor Gericht, darunter der prominente äthiopisch… | |
NAIROBI taz | Nach den Unruhen in Äthiopien im Juni und Juli sind am Montag | |
24 Oppositionelle in Addis Abeba vor Gericht vorgeführt worden – darunter | |
der prominente äthiopische Aktivist Jawar Mohammed. Die Staatsanwaltschaft | |
hat gegen sie Anklage wegen Terrorismus erhoben. | |
Die Vorwürfe beziehen sich auf die ethnische Gewalt nach dem bislang | |
[1][unaufgeklärten Mord auf den populären Sänger der | |
Oromo-Bevölkerungsgruppe, Hachalu Hundessa, im Juli.] Es kam zu | |
Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften. Mindestens | |
150 Menschen kamen im Verlauf der Unruhen ums Leben. | |
Einer der Vorwürfe gegen die Aktivisten lautet, dass „sie versuchten, | |
ethnische und religiöse Konflikte anzuregen, um die Bürger dazu zu bringen, | |
sich gegenseitig zu bekämpfen“. Die Angeklagten bestreiten das. | |
Oppositionsgruppen und Menschenrechtsorganisationen sagen, dass Premier | |
Abiy Ahmed seine Finger im Spiel habe und versuche, seine Gegner | |
einzusperren. | |
Abiy Ahmed kam vor zwei Jahren an die Macht und drückte erstaunlich schnell | |
politische und wirtschaftliche Reformen durch. Er machte ein Ende mit dem | |
jahrelangen dauernden Notstand, ließ Tausende politische Gefangenen frei | |
und gewährte der Bevölkerung Redefreiheit. Die Äthiopier glaubten, dass | |
damit der Unterdrückung ein Ende gesetzt worden war, mit der die ethnische | |
föderalistische politische Koalition EPRDF zuvor seit 1991 das Land geführt | |
hatte. Abiy bekam voriges Jahr sogar den Friedensnobelpreis. | |
## Premier Abiy ist gegen die Selbstverwaltung der Ethnien | |
[2][Aber die Freude war von kurzer Dauer. Unterdrückte Spannungen zwischen | |
verschiedenen ethnischen Gruppen führten zu Gewalt], auch wollten die | |
meisten Ethnien eine Selbstverwaltung in ihren historischen Wohngebieten. | |
Dieser Wunsch nach ethnischer Dezentralisierung steht jedoch gegen die | |
Vorstellungen, die sich Premier Abiy vom Land macht. Er verwandelte die | |
EPRDF in die Wohlstandspartei – und die will, dass sich die Bevölkerung an | |
erster Stelle äthiopisch fühlt. | |
Das sieht Oppositionsaktivist und Medienmagnat Jawar anders. Jawar, ein | |
ehemaliger Freund von Abiy, sagt stets: „Ich bin an erster Stelle ein | |
Oromo, dann ein Äthiopier.“ Er ist enttäuscht von der Führung von Abiy, | |
ebenfalls ein Oromo, weil er hoffte, dass die Bevölkerungsgruppe nun gleich | |
die Selbstverwaltung bekommen würde. Die Ethnie fühlt sich marginalisiert. | |
Noch nie zuvor hat ein Oromo das Land geführt – obwohl es die größte | |
ethnische Gruppe im Land ist. | |
Jawar ist äußerst populär vor allem unter den jugendlichen Oromo. Mehr als | |
zwei Millionen Menschen folgen ihm in den sozialen Medien. Viele dieser | |
jugendliche Oromo haben sich zu einer Bewegung zusammengeschlossen, den | |
sogenannten Qeerroo, was „unverheiratete Männer“ bedeutet. Eine Befürchtu… | |
ist nun, dass es zu Gewalt im Land kommt, weil die Qeerroo frustriert und | |
verärgert sind über das Verfahren gegen 34 Jahre jungen Jawar, den sie als | |
„ihren“ Aktivisten sehen. | |
Doch nicht nur Oromo-Aktivisten stehen nach den Unruhen vor Gericht. Einen | |
Prozess gibt es auch gegen den Journalisten Eskinder Nega, der beschuldigt | |
wird, jugendliche Amhara zur Gewalt aufgerufen zu haben. Die Amhara sind | |
die zweitgrößte Bevölkerungsgruppe im Land. Eskinder, der unter dem vorigen | |
Regime viele Jahren im Gefängnis verbrachte, ist unter Premier Abiy | |
Oppositionspolitiker geworden. Er beschuldigt die jetzige Regierung, das | |
Land wieder in die Vergangenheit zu führen: „Vor den Reformen von 2018 | |
wurden die Antiterrorgesetze auch gegen die friedliche Opposition benutzt.“ | |
22 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Ilona Eveleens | |
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