# taz.de -- Rechtsesoterische Anastasia-Bewegung: Steuergeld für rechte Siedlu… | |
> Im brandenburgischen Grabow etabliert sich die Anastasia-Bewegung. Gelder | |
> dafür kamen von der Europäischen Union und dem Land Brandenburg. | |
Bild: Im Landkreis Ostprignitz-Ruppin liegt die brandenburgische Siedlung Grabow | |
GRABOW taz | Lange Haare, langer Bart, rustikales weißes Hemd mit | |
aufgerollten Ärmeln, schwarze Arbeitshose. In Grabow pflegt Markus Krause | |
das Image eines Machers, der anpackt, nicht bloß redet. Kurzzeitig war der | |
Landvermesser Ortsvorsteher im 300-Seelen-Dorf in der brandenburgischen | |
Ostprignitz. Langfristig widmet er sich einem anderen Projekt: Gemeinsam | |
mit seiner Ehefrau Iris baut er das Siedlungsprojekt „Goldenes Grabow“ auf, | |
das dem rechts-esoterischen Anastasia-Milieu zugehörig ist. | |
Dafür bekommt Krause Gelder aus öffentlicher Hand: An der Scheune des | |
„Goldenen Grabows“ am Wiesenweg verweist ein Schild darauf, dass der „Um- | |
und Ausbau einer Scheune zum Lagergebäude für Maschinen, Geräte, Werkzeuge | |
und Gemüse sowie teilweise Ausbau zum Pferdestall“ durch eine | |
Ko-Finanzierung des Europäische Landwirtschaftsfond und des Landes | |
Brandenburg erfolgen. | |
Seit 2012 sind Anastasia-Bewegte um Markus und Iris Krause in der Gemeinde | |
Heiligengrabe aktiv. Inzwischen gehören ihnen zahlreiche Immobilien und | |
Pachtland, wie Grabower*innen berichten. Durch den sogenannten | |
„Landfreikauf“ ist eine Ansiedlung mit mehreren Familienland- und | |
Probelandsitzen entstanden. Mindestens sechs Familien sollen sich | |
angesiedelt haben. Weitere leben in Tiny-Häusern, Bauwägen und Zelten auf | |
einem versteckten Gelände am Wald. Auch Einheimische schließen sich den | |
vermeintlichen Ökos an. | |
Dass die Anhänger*innen der antisemitischen und antifeministischen | |
[1][Verschwörungsideologie] in engem Kontakt zu Rechtsextremen stehen, | |
scheint für die öffentliche Förderung zunächst irrelevant. „Wenn der Antr… | |
alle notwendigen Formalien aufweist, die Formulare korrekt ausgefüllt sind, | |
kann eine Förderung erfolgen“, erklärt die Ansprechpartnerin des | |
brandenburgischen Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Klimaschutz, | |
bei dem die Mittel aus dem Europäische Landwirtschaftsfonds für die | |
Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) beantragt werden können. | |
13.297,00 Euro für Scheune der rechten Esoteriker*innen | |
Auf die Frage, inwieweit der umstrittene politische Hintergrund der | |
Antragsstellenden berücksichtig wird, antwortet sie der taz nur: „Wir | |
kümmern uns um über 1.000 Vorhaben“. Ob eine politische Prüfung erfolgt, | |
wird auch auf schriftliche Nachfrage nicht ausgeführt. Für die Scheune | |
erhielten die Antragssteller*innen 2013/2014 13.297,00 Euro, erklärt die | |
Pressestelle des Ministeriums. | |
„Aus der Sicht des Landes Brandenburg sind Projekte im ländlichen Raum dann | |
besonders sinnvoll, wenn ihre Auswirkungen nachhaltig sind, das heißt | |
wirtschaftliche, soziale und umweltbezogene Aspekte gleichermaßen | |
berücksichtigen“, das gilt laut Minsterium allgemein. Weiterhin sollten die | |
Projekte zur Verbesserung der Chancengleichheit insbesondere bei der | |
Steigerung der Frauenerwerbsbeteiligung und bei der Vereinbarkeit von | |
Familie und Beruf beitragen. | |
Beim „Goldenen Grabow“ dürfen diese Förderkriterien allerdings angezweife… | |
werden. Die Gedankenwelt dieses Milieus beruht auf den Anastasia-Büchern | |
von Wladimir Nikolaevich Megre. Die 10 Bände sind ab 1999 in der ersten | |
deutschen Übersetzung aus dem Russischen erschienen. Seitdem wächst | |
hierzulande langsam die Fangemeinde. In den Werken adressiert Megre die | |
Leser*innen, changiert zwischen fiktionalen Passagen und Bestrebungen, die | |
Lehre Anastasia in der realen Welt zu realisieren, schreibt Laura | |
Schendelein, die gerade eine Studie zu Anastasia bei der Emil Gumbel | |
Forschungsstelle des Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische | |
Studien veröffentlichte. | |
Das Epos beginnt im Jahr 1994 mit einer Begegnung des Autors mit der | |
Einsiedlerin Anastasia. Im Einklang mit Pflanzen und Tieren lebt sie auf | |
einer Lichtung in der Taiga. Die junge, attraktive Frau hat magische | |
Fähigkeiten, kennt Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft und kann mit allen | |
Menschen und Tiere kommunizieren. Im Gespräch mit Megre legt sie ihre | |
Hoffnungen und Sichtweisen dar: Der Familienlandsitz sei der einzige Weg zu | |
paradiesischen Zuständen. | |
Unverhohlener Antisemitismus | |
Wie ein solcher Landsitz gestaltet werden soll, wird erstmals im vierten | |
Band des Epos dargestellt. Es handelt sich um einen Prozess der | |
Verwurzelung des Menschen mit dem Boden. Band 6 allerdings macht die Kräfte | |
aus, die uns das Paradiesische verunmöglichen. Seit Jahrtausenden hielten | |
demnach machtbesessene Priester das „ursprüngliche Wissen“ von uns fern – | |
und zwar niemand Geringeres als sechs Oberpriester aus dem Volk der | |
Leviten, einem der zwölf Stämme Israels. | |
Wer es jetzt noch immer nicht verstanden hat, dem wird nun offen erklärt, | |
dass das jüdische Volk die Soldaten eines Oberpriesters und verpflichtet | |
seien, „die Macht über die Menschen der ganzen Welt zu ergreifen“. An der | |
Verfolgung seien die Juden aber auch selbst Schuld, weil sie „mit allen | |
Mitteln versuchen, so viel Geld wie nur möglich in ihren Händen zu | |
konzentrieren. Und vielen von ihnen gelingt das auch ganz gut“. | |
Vom Antisemitismus geht es zum [2][Antifeminismus]. Mit Anastasia steht im | |
Zentrum des Epos zwar eine Frau, doch die literarische Figur tritt für | |
weibliche Enthaltsamkeit ein. Die Familie im klassisch-biologischen | |
Konstrukt von Mann, Frau und Kindern wird präferiert. Im Band 6 lehnt | |
Anastasia zudem die Demokratie ab, da sie „die gefährlichste Illusion“ sei. | |
2015 warnten Krauses bei einem Infoabend im Dorf: „Wenn der Zufluss so | |
weitergeht, wie bisher, gibt es in einem Jahr mehr junge Männer aus Afrika, | |
Asien und dem Balkan als junge deutsche Männer.“ Notfalls solle eine | |
Dorfwehr errichtet werden. | |
An die siebzehn Familienlandsitze bestehen bisher in der Bundesrepublik. | |
Eng verbunden ist das „Goldene Grabow“ mit „Weda Elysia“ aus Wienrode n… | |
Quedlinburg. Der „Familienlandsitz“ wird vom “Lindenquell e.V.“ getrage… | |
weiß die Landesregierung Sachsen-Anhalts. Per Kleiner Anfrage versuchte die | |
Landtagsabgeordnete Henriette Quade, mehr zu erfragen. Viel bekam sie nicht | |
heraus. | |
Zwischen Barfüssler*innen und Bundeswehroffizieren | |
Die rechte Gesinnung der Krauses sei schon früh aufgefallen, heißt es in | |
Grabow. Markus Krause besuchte 2007 ein Treffen des antisemitischen „Bund | |
für Gotterkenntnis – Ludendorff“ in Dorfmark. Zehn Jahre, später, 2017, | |
traten dann Ludendorffer bei einem Anastasia-Festival auf. 2015 errichtete | |
der extrem rechte „Sturmvogel – Deutscher Jugendbund“ auf dem Anwesen in | |
Grabow ein Lager. Als Iris Krause 2018 zum „Frühlingsfest Goldenes Grabow“ | |
per Mailverteiler einlud, waren auf der Liste auch NPD-Politiker*innen. | |
Medienanfragen beantworten möchte das Ehepaar Krause nicht. | |
Die Grabower Anastasia-Anhängerschaft bewegt sich zwischen Barfüssler*innen | |
und Bundeswehroffizieren. So harmlos wie sie erscheinen möchten, sind sie | |
nicht. Krauses Wohnadresse wird von einem bekannten sächsischen | |
Rechtsextremisten als Standort seines Sicherheitsdienstes angegeben. Stefan | |
R., der heute J. heißt, war ehemaliger Bundesvorsitzender der | |
rechtsextremen „Jungen Landsmannschaft Ostdeutschland“, an deren | |
Aufmärschen in Dresden sich vor Jahren auch Krause beteiligte. | |
2014 führten Krause und J. gemeinsam trommelnd den Festumzug des Dorfes an. | |
Die Anastasia-Anhänger*innen planen auch eine eigene Schule. Das TV-Magazin | |
Kontraste berichtet zudem, dass einige schulpflichtige Kinder der | |
Gemeinschaft dauerhaft nicht zur Schule gehen. Die örtlichen Behörden seien | |
alarmiert. | |
Erst am 29. September hatten Anastasia-Bewegte aus dem Ostharz versucht, | |
eine Lesung des Buches „Völkische Landnahme“ zu stören – gemeinsam mit … | |
rechtsextremen Influencer Nikolai Nerling, bekannt als „Der Volkslehrer“. | |
Die Aktion misslang. Im Anschluss drehte Nerling mit den vermeintlich | |
Friedfertigen ein Video, an dessen Ende das Buch in Flammen aufging. | |
29 Oct 2020 | |
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## AUTOREN | |
Andrea Röpke | |
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