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# taz.de -- Enthüllungen beim Dopingprozess: James Bond packt aus
> Beim Münchner Dopingprozess gegen den Erfurter Arzt Mark Schmidt kommen
> neben kuriosen Tarnnamen Details zu dessen Netzwerk ans Licht.
Bild: „Der Arzt kommt halt rein und dann geht es los“: Danilo Hondo bericht…
München taz | Die Radsportsaison ist zu Ende, die Dopingaufarbeitung geht
weiter. Am Dienstag und Mittwoch dieser Woche förderten Zeugenbefragungen
[1][im Dopingprozess Aderlass] am Müncher Landgericht gegen den Erfurter
Mediziner Mark Schmidt und dessen Helfer neue Details zutage. So erklärte
Ex-Profi Danilo Hondo, dass er Schmidt anfangs eher als eine Art
Radsport-Groupie wahrgenommen hätte. „Er war mir als Freund einer
Physiotherapeutin, die uns bei der Nationalmannschaft betreut hatte,
bekannt“, sagte Hondo am Dienstag. Traten kleinere Wehwehchen auf, ging man
auch zu dem hilfsbereiten Arzt. Der BDR habe dies toleriert, erinnerte sich
Hondo.
2011 habe ihm Schmidt dann Doping angeboten. Die Zusammenarbeit erstreckte
sich über die Saison 2012. „Es gab drei bis vier Blutentnahmen und ebenso
viel Zuführungen“, erzählte Hondo. Einzelne Transfusionen nahm Hondo sogar
mit seinem damaligen Kapitän Alessandro Petacchi im gleichen Hotelzimmer
vor. „Der Arzt kommt halt rein, und dann geht es los. Ich meine, wenn man
so lange im Sport dabei ist und regenerative Infusionen oder welche gegen
Schmerzen bekommen hat, dann empfindet man so etwas nicht als so
dramatisch“, sagte Hondo der taz.
Seinen Kumpel Petacchi hatte er selbst an Schmidt vermittelt. Geführt wurde
der italienische Top-Sprinter in Schmidts Kundenliste unter dem Tarnnamen
„Sky“. Das sagte eine Sachverständige aus, die Handys und Computer der
Angeklagten analysiert hatte. Auf einem Iphone von Schmidt konnte sie 44
verschiedene Nummern 30 Personen zuordnen, die offenbar zu dem Netzwerk
gehörten.
Die Tarnnamen waren kurios. Hondo hatte sich „James Bond“ ausgewählt. Bei
„bin Laden“ handelt es sich um den slowenischen Ex-Profi Kristijan Koren,
der zuletzt beim Team Bahrain Merida fuhr. „Prince Charles“ hatte sich der
estnische Skilangläufer Karel Tammjärv ausgesucht, „Lucky Luke“ der
kroatische Radprofi Kristijan Đurasek, bis 2019 im Team des aktuellen
Toursiegers Tadej Pogačar.
## Kostspielige Behandlung
Bei der SMS-Auswertung kamen die Tarife für die Dopingdienstleistungen ans
Licht. In einer SMS wurde eine Jahresbetreuung in Höhe von 40.000 Euro
erwähnt. Unklar blieb aber, ob dieser Betrag tatsächlich gezahlt wurde.
Hondo gab an, für seine „Jahresbetreuung“ 25.000 bis 30.000 Euro an Schmidt
in Barzahlungstranchen von 3.000 bis 5.000 Euro geleistet zu haben. Für
„Sky“, also Petacchi, tauchten im SMS-Verkehr 27.000 Euro als Jahresgage
auf.
Für drei bis vier Blutentnahmen pro Jahr und ebenso viele Rückführungen
sowie die Einfrierung und Lagerung der Beutel eine stolze Summe. Hondo
sagte der taz: „Mark Schmidts einziges Ziel war Geld verdienen.“ Das
kollidiert etwas mit dem Bild, das die Verteidigung vom angeklagten
Mediziner zu zeichnen versucht: Schmidt habe nur kostendeckend gearbeitet
und versucht, zum Schutze der Athleten hohe medizinische Standards beim
Dopen einzuhalten.
Insgesamt begrüßte die Verteidigung aber Hondos Aussagen. „Die Befragung
von Herrn Hondo ist aus unserer Sicht äußerst positiv verlaufen. [2][Herr
Hondo hat einen reellen Eindruck] in die Dopingpraxis im Sport vermitteln
können“, sagte Schmidts Anwalt Juri Goldstein. Strategie der Verteidigung
ist es, den Umfang der Korruptionspraxis im Sport aufzuzeigen und daraus zu
schlussfolgern, ihr Mandant sei nur ein kleines Licht in einem großen
System gewesen.
Interessant sind die Verbindungen nach Slowenien. Ein Techniker eines
Blutspendezentrums in Slowenien beschrieb am Mittwoch, wie er Schmidts
Geräte gewartet und diesem regelmäßig neues Equipment beschafft hatte.
SMS-Kommunikation mit Milan Erzen wurde ebenfalls auf dem Handy von Schmidt
gefunden. Erzen ist ein slowenischer Radsportmanager und hat als Vertrauter
des Kronprinzen von Bahrain den Profirennstall Bahrain McLaren aufgebaut.
Für den fuhr auch der Schmidt-Kunde Kristijan Koren alias „bin Laden“. Es
entstand der Eindruck, dass gerade in Slowenien noch manches zu ermitteln
wäre.
13 Nov 2020
## LINKS
[1] /Wegweisender-Prozess-fuer-Doping-im-Sport/!5709819
[2] /Kommentar-Hondos-Doping-Gestaendnis/!5594771
## AUTOREN
Tom Mustroph
## TAGS
Doping
Prozess
Radsport
Doping
Doping
Gewichtheben
Schwerpunkt Coronavirus
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