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# taz.de -- Brand in Flüchtlingscamp auf Samos: Seit Langem schutzlos
> Ein Brand im Flüchtlingslager auf der Insel Samos hat mehrere Zelte
> zerstört. Aber auch ohne Feuer ist es ein gefährlicher Ort für die
> Bewohner*innen.
Bild: Feuerwehrleute geben Anweisungen an die Kolleg*innen, um die Brände auf …
Aus eigener Erfahrung: Die dümmste Frage, die man einem Flüchtling auf
Samos stellen kann, ist: „Fühlen Sie sich hier sicher?“ Die Antwort kann
nämlich nur Nein lauten. Am Montagmorgen etwa sind die Bewohner*innen im
Flüchtlingslager der griechischen Ägäisinsel durch ein Feuer aufgewacht.
Gegen 4 Uhr war der Brand ausgebrochen – bisher aus ungeklärten Gründen.
Die Feuerwehr konnte schnell löschen. 150 Menschen seien obdachlos
geworden, sagte der Chef der Asylbehörde, Manos Logothetis, dem
griechischen Nachrichtensender Skai.
Es ist nicht das erste Mal, dass es im Lager in dem Ort Vathy brennt. Feuer
gab es hier schon oft – zuletzt im September, kurze Zeit, nachdem das Camp
Moria auf der Insel Lesbos niedergebrannt war. Doch auch vorher kam es
schon zu Vorfällen. „Seit ich hier bin, habe ich mein Zelt schon zwei Mal
ans Feuer verloren“, erzählte ein junger Bewohner des Lagers bei einer
Recherche im Oktober.
„Jeden Tag, wenn du schläft, weißt du nicht, was passieren wird. Eine
verrückte Person kann einfach durchdrehen, nach Depressionen oder was auch
immer... Und ich weiß, alles hier ist aus Plastik. Wenn es ein Feuer gibt,
dauert es nur ein paar Minuten, bis es sich überall verbreitet hat. Also
natürlich, es ist auf keinen Fall sicher. Das ist eine einfache Wahrheit.“
## Leben unter katastrophalen Bedingungen
Dabei braucht es nicht einmal Feuer, um das Camp zu einem gefährlichen Ort
zu machen. Dazu reicht allein die gnadenlose Überbelegung aus: Platz hat
das sogenannte Reception and Identification Center für 650 Menschen – es
wohnen dort etwa sechseinhalbmal so viele Leute. Deshalb leben die
allermeisten unter katastrophalen Bedingungen, in behelfsmäßigen
Unterkünften, zusammengebaut aus Plastikplanen und allem, was so zu finden
war. Etwa ein Drittel der Bevölkerung sind Kinder.
Es gibt gerade einmal eine Handvoll Lagerärzt*innen und
Krankenpfleger*innen für mehrere Tausend Menschen – krank werden ist schon
mal keine gute Idee, auch wenn Nichtregierungsorganisationen sich bemühen,
den Mangel aufzufangen. Oder am späten Nachmittag oder abends noch etwas zu
trinken – auch nicht immer eine gute Idee, weil man nachts eine Toilette
brauchen könnte und dafür einen langen Weg über unbeleuchtetes, unsicheres
Terrain gehen muss.
„Ich bin einfach nur frustriert von dieser ganzen Sache“, schreibt ein
Bewohner am Montag, dessen Zelt beim Feuer abgebrannt ist. Er schickt ein
Video: „Das ist mein Zelt, das ist der Bereich, in dem ich gelebt habe.“ Zu
sehen sind nur die Überreste seiner Habseligkeiten, ein Kochtopf etwa, und
die verkohlten Holzbohlen, auf denen viele Flüchtlinge ihre Zelte
errichten, damit der Boden von Regen geschützt wird und die Ratten nicht so
gut reinkommen. „Alles ist zu Asche verbrannt. Nichts ist übrig. Alles ist
verbrannt.“ Es sei sehr laut gewesen, denn Familien und Kinder seien
geflüchtet, deshalb sei er aufgewacht, schreibt ein Afghane, dessen Zelt
etwas weiter vom Brandort entfernt steht.
Bei dem heftigen Erdbeben vor der türkischen Küste am Freitag war zwar
genau der Ort auf Samos stark betroffen, wo das Flüchtlingslager liegt. Die
Bewohner*innen des Camps waren aber mit dem Schreck davongekommen, die
ursprüngliche Infrastruktur und die umliegende Zeltstadt befinden sich an
einem Berghang, etwa 20 Gehminuten vom Hafen entfernt, der Tsunami konnte
es nicht treffen.
Die Geflüchteten von Samos sind dennoch seit langem in einer Notsituation:
Das Camp ist seit Wochen im Lockdown, es gibt etliche Coronafälle, die
Menschen dürfen nur noch unter bestimmten Umständen heraus. Die Stimmung
ist nach Aussagen von Bewohner*innen angespannt. Solange dort 4.300
Menschen in einem Lager für 650 leben, wird sich das auch nicht ändern,
bleibt das Wohl der dort Lebenden in Gefahr. Dafür braucht es gar kein
Feuer.
2 Nov 2020
## AUTOREN
Eva Oer
## TAGS
Schwerpunkt Flucht
Samos
EU-Flüchtlingspolitik
Griechenland
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Brandkatastrophen
Schwerpunkt Flucht
Türkei
Erdbeben
EU-Flüchtlingspolitik
Samos
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