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# taz.de -- Die Wahrheit: Männerköpfe rollen
> Neues aus Neuseeland: Nach der Wahl ist in Aotearoa die Zeit des großen
> Aufräumens angebrochen. Alte Säcke verschwinden.
Alles ist bei uns verkehrt herum. Sommer ist im Dezember, Maori-Neujahr im
Juli, im Norden ist es wärmer als im Süden und Corona findet quasi nicht
statt, da gebannt. Was bei uns auch gerade auf den Kopf gestellt wird, ist
das Patriarchat. Im Land, wo Frauen sich als erste auf der Welt das
Wahlrecht erkämpften, brechen jetzt Zeiten an, die jeden Meninisten zittern
lassen.
Nicht nur, dass Jacinda Ardern vor zwei Wochen haushoch mit absoluter
Mehrheit die Wahl gewann und altgediente Konservative sich damit plötzlich
im Ruhestand befinden. Der Erdrutsch hat Nick Smith, das Urgestein von der
National-Party, nach dreißig Jahren in den Abgrund gerissen, und der
stellvertretende Parteichef Gerry Brownlee verlor nach 24 Jahren seinen
Wahlkreis in Christchurch. Eine Revolution weiblicher Mächte!
Ein grünes Fräuleinwunder geschah in der Metropole: In Auckland, wozu
günstigerweise auch die Stimmen der Insel-Hippies auf Great Barrier und
Waiheke Island zählen, übernahm die 26-jährige Grüne Chlöe Swarbrick per
Direktmandat das Ruder. Der Shootingstar kämpft für eine Cannabis-Reform
und verweist männliche Boomer schlagfertig in die Schranken. Diese Granate
wird garantiert mal unsere erste queere Premierministerin.
Ein weiterer Rekord: Mit der Wiederwahl der Labour-Chefin als Anti-Trump
hat Neuseeland obendrein die höchste Homo-Quote. Ab sofort feiern wir das
schwul-lesbischste Parlament der Welt. Zwölf Abgeordnete – falls die Grünen
mitregieren – sind „out and proud“. Damit hat Aotearoa die Briten im House
of Commons überholt. Das alles wird getoppt durch einen neuen Spitzenplatz
unserer Superfrauen: das Killer-Interview des Jahres.
Am letzten Montag saß Jami-Lee Ross im Fernsehstudio – einer der größten
Loser dieser Wahl und die dümmste Politpappnase schlechthin. Obendrein
wurde der schmierige Populist als Frauenbelästiger berühmt. Ross führte die
neue Verschwörungspartei Advance NZ an, von der man hoffentlich nie wieder
hören wird, da sie, Göttin oder dem Volksverstand sei Dank, nicht mal ein
Prozent bekam.
Newshub-Moderatorin Tova O’Brien setzte den Covidioten so sehr auf den
Topf, dass seine Demontage Wellen rund um die Welt schlug. Als Ross mit
seiner „Covid ist wie Grippe“-Mär anhub, schnitt sie ihm einfach das Wort
ab: „Diesen Mist will ich nicht hören.“ Millionenfach wurde der Showdown
auf Twitter geteilt, von Jake Tapper bei CNN bis hin zu Donald Trumps
Nichte. Glenn Greenwald bezeichnete ihn als „Meisterklasse“.
„Dies ist eines der feindseligsten Interviews, das ich je gesehen habe“,
jubelte ein US-Kommentator – „I love it!“ Was ihn außer der Bissigkeit d…
tollen Tova auch begeisterte, war der neuseeländische Akzent der
Kontrahenten. „Decade“ (Jahrzehnt) klang in seinen Ohren wie „dickhead“,
was thematisch passte. Pimmel trifft auf Jami-Lee Ross durchaus zu.
29 Oct 2020
## AUTOREN
Anke Richter
## TAGS
Neuseeland
Frauen
Politik
Kolumne Die Wahrheit
Verschwörungsmythen und Corona
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