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# taz.de -- Die Wahrheit: Federn gegen Tattoo
> Neues aus Neuseeland: Eurozentristisches Exotik-Getöse ist in Aotearoa
> vernehmbar, geht es um das Kinn-Tattoo der neuen Außenministerin. Come
> on!
Tane Mahuta heißt der bekannteste Riesenbaum Neuseelands, rund 2.000 Jahre
alt. Nanaia Mahuta heißt unsere berühmteste Außenministerin, gerade mal
eine Woche im Amt. Dass man sie auf der ganzen Welt kennt, liegt nicht nur
daran, dass sie die erste Maori-Frau auf dem Posten ist, sondern auch an
ihrem moko kauae, einem traditionellen Kinntattoo. Das wurde bereits mit
spitzen Federn attackiert.
Vor vier Jahren ließ sich die Labour-Politikerin die Kunst in schwarz
stechen. Damit ist sie nicht allein: Immer mehr indigene Frauen in Aotearoa
tragen das moko stolz, darunter die Psychiaterin und ehemalige
TV-Moderatorin Hinemoa Elder und die in Berlin lebende Dichterin Hinemoana
Baker. „Es symbolisiert, wer ich bin, meine Identität und wohin ich
gehöre“, verkündete Mahuta nach ihrem Amtsantritt.
Im bikulturellen Neuseeland wurde ihr Tattoo zurückhaltend kommentiert,
damit ihre beruflichen Qualifikationen im Vordergrund stehen und nicht ihre
optische Erscheinung. Auf der Haut einer Außenministerin sei es jedoch ein
„internationales Statement“, so der ehemalige Minister für
Maori-Angelegenheiten, Tau Henare. Wenn er sich vorstelle, dass Mahuta so
anderen Kollegen auf der Welt gegenübertritt, würde ihm „vor Freude
schwindelig“.
Schwindlig wurde auch anderen, aber nicht nur vor Freude. Für manch
vorgestrige Weißhaut symbolisiert Tinte auf Haut etwas Abscheuliches. Die
neokonservative Buchautorin Olivia Pierson („Western Values Defended“)
störte sich öffentlich an so viel demonstrativer Maori-Kultur. „Wirklich?
Das Gesicht von Neuseelands neuer Außenministerin?“, tweetete sie nach
Premierministerin Jacinda Arderns Verkündung.
Tattoos im Gesicht seien „hässlich“ und „unzivilisiert“, empörte Pier…
sich weiter – „keine angemessene Präsentation für ausländische
Diplomatinnen im 21. Jahrhundert“. Es sei der Gipfel an oberflächlicher
Minderheitenpolitik, Mahuta auf diesen Posten zu berufen. Als Antwort auf
ihre rassistische Hasstirade nahm der Buchvertrieb Mighty Ape das
selbstpublizierte Buch der Westliche-Werte-Verteidigerin von seiner
Webseite. Es folgte ihr „Cancel culture“-Aufschrei.
Was in all dem eurozentristischen Exotikgetöse um ein paar
Quadratzentimeter Frauenhaut unterging, waren ganz andere
Gesichtstätowierungen, die ebenfalls vorige Woche Diplomaten aufs Parkett
riefen. Vier toi moko (tätowierte Köpfe), über 100 Jahre alt, wurden in
einer offiziellen Zeremonie als ehemals kolonial geraubtes Kulturgut dem Te
Papa Museum in Wellington zurückgegeben.
Zwei der Köpfe stammen aus dem Völkerkundemuseum zu Berlin, zwei weitere
ruhten in der Uni Göttingen. Bevor sie die Reise aus Deutschland beendeten
und der Botschafter sie zur letzten Ruhe in ihrer Heimat begleitete,
mussten sie, wie alle Rückkehrer ins Land, erst mal zwei Wochen in
Quarantäne. Jetzt kann man sie bestaunen – aber die Ministerin bitte nicht.
12 Nov 2020
## AUTOREN
Anke Richter
## TAGS
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Maori
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