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# taz.de -- Umgang mit zweiter Coronawelle: Nur Mut!
> Albtraumvokabeln können zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung werden.
> Was es braucht, sind aufbauende Worte und der Mut zur Differenzierung.
Bild: Hilft auch, zumindest etwas: Eine ich-lächele-jetzt-mal-den-ganzen-Tag-M…
Der Gesundheitsminister [1][höchstpersönlich hat Corona]. Der
Bundespräsident ist in Quarantäne. Die täglichen Infektionszahlen in
Deutschland sind auf einem neuen Höchststand. 11.287, wow. In Berlin brennt
auch noch ein Lagerhaus voller Klopapier ab, das bald beim Hamstern fehlen
könnte. Uff. Alles Probleme, um die uns die meisten anderen Länder aber
noch beneiden, denn bei ihnen ist die Lage schon viel schlimmer. Kurzum:
Die zweite Welle ist zweifellos da, in ganz Europa. Wer ruhig und locker
bleiben will, muss gute Nerven haben, Corona leugnen – oder den
Nachrichtenkonsum einstellen.
Was vielleicht helfen könnte, wären aufbauende Worte von patenten
Regierungsmenschen, denen man Schutz und Tatkraft zutraut. Als besonders
kräftig gilt weiter Markus Söder, doch was tut der zweifellos fleißige,
aber auch besserwisserische Bayer, der gern das Berliner Feiervolk und
andere Laschis belehrt?
Söder sagt, er wolle „keine Endzeitstimmung propagieren“ – und schürt s…
genau mit solchen Worten erst, denn Albtraumvokabeln bleiben natürlich in
den Ohren und werden leicht zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung – wenn
vor lauter Sorgen irgendwann der Mut ausgeht. Das darf nicht passieren.
Also Mut zur Ehrlichkeit: Ja, dieser Winter wird hart. Um ein
gesundheitliches Desaster zu verhindern, müssen jetzt alle viel Disziplin
aufbringen. Aber es ist nicht alles hoffnungslos. Im Gegenteil, die
übergroße Mehrheit hat längst bewiesen, dass sie zu nötigen Einschränkungen
bereit ist. Deshalb nur Mut: Denkt positiv – auch wenn sogar dieses schöne
Wort gerade negativ besetzt ist.
Nichts wäre schädlicher, als nur [2][noch panisch auf die nächsten Zahlen
zu starren]. Das lähmt. Dagegen hilft: Mut zur Differenzierung: Nicht alle
steigenden Zahlen sind gleich schlimm. Exponentiell steigende Infektionen
sind nicht automatisch gleichbedeutend mit ebenso stark steigenden
Ernstfällen. Der Schutz für Risikogruppen und die Behandlungsmöglichkeiten
haben sich seit dem Frühjahr verbessert.
## Fantasie wäre nötig
Mut zur Fantasie: Statt Handel, Schulunterricht oder Sport wieder einfach
komplett zu verbieten, sollten die Entscheidungsträger*innen kreativere
Konzepte entwickeln als bei der ersten Welle. Damals wurden beispielsweise
Bibliotheken einfach monatelang geschlossen, statt zu überlegen: Wie kann
man online bestellen und Bücher geschützt abholen? Wie kann man Kinder
motivieren, mit Vorsicht Sport zu treiben, statt sie sich selbst und ihren
Smartphones zu überlassen?
Mut zum Eingeständnis: Niemand weiß genau, wie die Krise überwunden werden
kann. Deshalb sollte, siehe Söder, auch niemand selbstherrlich so tun, als
ob – und stattdessen Mut zur Gelassenheit aufbringen: Wer andere sieht, die
sich regelunkorrekt verhalten, sollte sie ruhig ansprechen. Aber mit der
Betonung auf ruhig. Und ohne versteckte Kamera für den
Social-Media-Pranger. Nichts spaltet mehr als Denunziantentum.
Und ja, es braucht auch in der schlimmsten Krise Mut, die Maßnahmen der
Regierung in Frage zu stellen. Wenn sie zu locker, aber auch wenn sie
sinnlos strikt erscheinen. Das muss diskutiert werden, nicht nur bei
Bund-Länder-Treffen.
Und: Mut zum Humor! Über die Hinweise eines Hotels zur
„Corona-Eindämmerung“ wie im letzten „Hohlspiegel“ zu lächeln, ist auf
jeden Fall besser, als sich Söders Endzeitstimmung hinzugeben.
23 Oct 2020
## LINKS
[1] /Corona-im-Bundeskabinett/!5723017
[2] https://www.rnd.de/gesundheit/nach-corona-warnung-kassenarzte-chef-wirft-rk…
## AUTOREN
Lukas Wallraff
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
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Schwerpunkt USA unter Donald Trump
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