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# taz.de -- Ladensterben dank Shopping-Center: Backflash in Bargteheide
> Die Stadt fördert den Bau eines Einkaufszentrums im Industriegebiet.
> Dabei haben sich solche Pläne für kleine Innenstädte als fatal erwiesen.
Bild: Schöne graue Warenwelt: Famila-Markt mit weiteren Shoppingmöglichkeiten
Hamburg taz | [1][Die Einkaufsstraßen in kleinen Innenstädten] sterben
bundesweit seit Jahren. Bargteheide scheint diese Entwicklung nun unbedingt
beschleunigen zu wollen: Der Gemeinderat will den Bau eines
Einkaufszentrums im Industriegebiet am Stadtrand ermöglichen. Das halten
nicht nur die Geschäftsinhaber*innen in der Innenstadt für eine Politik aus
fernen Jahrzehnten.
Im Planungsausschuss stimmten in der vergangenen Woche mit Ausnahme der
Grünen alle Fraktionen für den Bau eines Einkaufszentrums im
Industriegebiet. Bisher steht an der Stelle eine Filiale der Warenkette
Famila, die dem Kieler Unternehmen Bartels-Langness (Bela) gehört.
Bela will eine neue, vergrößerte Filiale bauen. Hinzu soll noch Platz für
zwei weitere Geschäfte und eine Tankstelle samt dazu gehöriger Parkplätze
auf einer Fläche von 6.700 Quadratmetern geschaffen werden. Für eine
Kleinstadt ist das eine bedeutende Größe.
Besonders die Geschäftsinhaber*innen in Bargteheides Innenstadt sind
erbost. Geplant war ursprünglich, dass lediglich die Famila-Filiale neu
gebaut wird. „Das wäre ja auch kein Problem gewesen, aber was nun kommen
soll, ist ein Schlag ins Gesicht“, sagt Wolfgang Sarau, der Vorsitzende des
Rings Bargteheider Kaufleute (RBK).
## Dreikampf gegen Online-Händler und das Einkaufszentrum
Anfangs waren gar 11.000 Quadratmeter Fläche im Gespräch. „Es wird für die
Geschäfte in der Innenstadt zu einem Dreikampf. [2][Nicht mehr nur gegen
den Online-Versand,] sondern auch noch gegen das Einkaufszentrum“, sagt
Sarau.
Die Entscheidung ist auch interessant, weil Bargteheide bislang eine
weitgehend funktionierende Innenstadt hat. Entlang der zentralen
Rathausstraße gibt es noch viele Einzelhändler: Ein Spielwarengeschäft und
kleine Modegeschäfte hier, eine Drogerie, einen Fahrrad- und einen
Blumenladen dort.
Auch wenn es keine reine Fußgängerstraße ist: Im Vergleich zu anderen
Kommunen mit darbenden Innenstädten funktioniert hier das Geschäftsleben
für den täglichen Bedarf. „Leerstand gibt es bei uns bislang wenig“, sagt
Sarau. „Wir gehen davon aus, dass durch das Einkaufszentrum Kundenströme
dorthin abfließen.“
„Es ist schon komisch, dass wir plötzlich die Interessen der Kaufleute
vertreten“, sagt die Grüne Fraktionsvorsitzende Ruth Kastner. „Während der
Ausschusssitzung fühlten wir uns plötzlich in vergangene Jahrzehnte
versetzt.“ Dabei habe die Gemeinde eigentlich Pläne gehabt, die Innenstadt
mit einem Städtebauprojekt weiter beleben zu wollen. „Jetzt geschieht genau
das Gegenteil“, sagt Kastner.
## Einkaufszentren kaum mehr zukunftsweisend
Der Hamburger Professor für Stadtplanung, Thomas Krüger, teilt diese
Ansicht. „Der Vorgang ist erstaunlich und entspricht aus Sicht der
Stadtentwicklung einer 90er-Jahre-Planung“, sagt Krüger. Eigentlich habe
sich in kleineren Städten mittlerweile herumgesprochen, dass
Einkaufszentren auf der „grauen Wiese“, wie Städteplaner*innen
Industriegebiete bezeichnen, in den vergangenen Jahrzehnten das Ausbluten
der Innenstädte begünstigt haben.
Auch wenn die Gemeinde aus planungsrechtlicher Sicht nicht allzu großen
Spielraum habe, passe ein Einkaufszentrum außerhalb der Innenstadt schlicht
nicht mehr in die heutige Zeit. „Stattdessen müsste sich Lokalpolitik
besonders für die innerstädtischen Geschäfte einsetzen“, sagt Krüger.
Ohnehin hält er Einkaufszentren für kaum zukunftsweisend. [3][„Seit der
Pandemie gehen Menschen nicht mehr gern in große Gebäude.“]
Hinzu komme: „Es gibt in der Bargteheider Innenstadt durchaus freie
Flächen.“ Würde die Politik dort aktiv neue Geschäfte fördern, wäre das
sinnvoller. „Das ist zwar mit Schwierigkeiten verbunden, aber es lohnt sich
langfristig“, sagt Krüger auch mit Blick auf vergleichbare Kommunen. Denn
auch andernorts habe sich schon bewahrheitet: Schließt ein Geschäft, öffnet
in den Räumen so schnell kein neues. In der Coronapandemie gelte das
besonders.
Die Bargteheider SPD, die für das Projekt gestimmt hat, zeigt sich derweil
zwischen Macht- und Ratlosigkeit. Der Ortsvorsitzende Mehmet Dalkilinc
verweist einerseits darauf, dass der Gemeinderat planungsrechtlich keinen
großen Spielraum habe. Andererseits sagt er: „Auch bei uns wird viel
darüber diskutiert. Sollten wir erkennen, dass das eine Fehlentscheidung
war, korrigieren wir das.“
Stadtplaner Krüger betont, dass der Bau eines derartigen Einkaufszentrums
die Stadtentwicklung in kleinen und mittelgroßen Städten auf Jahrzehnte
hinaus prägt. Beim Blick auf andere Kommunen, deren Innenstädte seit
Jahrzehnten darben, scheint sich das zu bestätigen.
14 Oct 2020
## LINKS
[1] /Der-Einzelhandel-ist-wieder-geoeffnet/!5677113&s=corona+einkaufszentru…
[2] /Krise-des-Einzelhandels/!5700121/
[3] /Debatte-ueber-Corona-Schutzmassnahmen/!5693945&s=corona+einkaufszentru…
## AUTOREN
André Zuschlag
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