| # taz.de -- OB-Wahlen in Chemnitz und Zwickau: Personality statt Partei | |
| > Constanze Arndt übernimmt in Zwickau, Sven Schulze regiert bald Chemnitz. | |
| > Partei-Zugehörigkeit spielte bei den Stichwahlen kaum eine Rolle. | |
| Bild: Constance Arndt im Wahlkampf in Zwickau, August 2020 | |
| Leipzig taz | Eindeutig geht anders: In zwei sächsischen Städten wurde am | |
| vergangenen Sonntag im zweiten Wahlgang ein:e neue:r Oberbürgermeister:in | |
| gewählt. Nachdem der erste Wahlgang sowohl in Chemnitz als auch in Zwickau | |
| an der erforderlichen absoluten Mehrheit scheiterte, reichte nun im zweiten | |
| Gang die einfache Mehrheit aus, um die Wahl für sich zu entscheiden. | |
| Die Ergebnisse in Chemnitz waren wenig überraschend: Hier folgt der | |
| ehemaligen SPD-Bürgermeisterin Ludwig nun mit Sven Schulze erneut ein | |
| SPD-Kandidat, der bereits im ersten Wahlgang vorne lag und schon länger als | |
| Favorit galt. Zwar zog Grünen-Kandidat Zschocke nach dem ersten Wahlgang | |
| seine Kandidatur zurück, um die Linken-Kandidatin Schaper zu unterstützen, | |
| dennoch konnte Schulze die Wahl im zweiten Wahlgang mit knapp unter 35 | |
| Prozent der Stimmen für sich entscheiden. CDU-Konkurrentin Almut Patt kam | |
| auf rund 20 Prozent, gefolgt von Schaper mit etwa 15 Prozent der Stimmen. | |
| In Zwickau hingegen wendete sich das Blatt zwischen erstem und zweitem | |
| Wahlgang. Überraschend gewann dort am Sonntag Constanze Arndt von der | |
| Wählervereinigung „Bürger für Zwickau“ die Stichwahl gegen ihre | |
| CDU-Konkurrentin Kathrin Köhler, die den ersten Wahlgang noch für sich | |
| entschieden hatte. Beachtliche 71,94 % der Stimmen konnte Arndt für sich | |
| beanspruchen, während Köhler mit knapp 28 Prozent sogar weniger als im | |
| ersten Wahlgang erreichte. Die CDU muss damit eine deutliche Niederlage | |
| einstecken. | |
| Beide Kandidat:innen – sowohl Arndt als auch Schulze – gewannen wohl | |
| vorallem wegen ihrer persönlichen Beliebtheitswerte. Constance Arndt ist | |
| die erste Zwickauer Bürgermeisterin ohne Parteibuch. Zuvor war die Stadt | |
| zwölf Jahre lang SPD-regiert, hatte mit Bürgermeisterin Pia Findeiß eine | |
| klare Vertreterin im Kampf gegen Rechts. Die neue Bürgermeisterin Arndt | |
| hingegen gibt sich mittig, sagt, sie stehe „nicht für links oder rechts, | |
| sondern für eine Zwickauer Stadtgesellschaft.“ | |
| ## „Politisch neutral“? | |
| Ihr Wahlkampfthema: Neue Frische für die westsächsische Stadt, im Fokus | |
| stehen Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung. Ihre politische Basis, | |
| der freie Wähler:innenzusammenschluss ‚ Bürger für Zwickau‘ gibt es erst | |
| seit 2013. Der Verein, entstanden unter anderem aus einer Bürgerinitiative | |
| gegen den Bau einer JVA, wirbt damit, „politisch neutral“ zu sein. | |
| Und auch der neue Chemnitzer Oberbürgermeister Sven Schulze geht mit seiner | |
| Parteizugehörigkeit nicht hausieren. Seine Wahlkampf-Homepage ist in Türkis | |
| gehalten, keine Spur von rot, keine Spur fett gedruckten Versalien der | |
| Sozialdemokraten. Selbst zum Gang an die Wahlurne trug er demonstrativ | |
| Mund-Nasenschutz in den Farben seiner Website – statt denen seiner Partei. | |
| Die beiden Wahlergebnisse zeigen damit deutlich: Es ging nicht um eine | |
| Parteilinie, die Oberbürgermeisterwahlen waren klare Personenwahlen. In | |
| beiden Städten ist eigentlich die CDU die stärkste Kraft im Stadtrat, | |
| gefolgt von AfD und der Linkspartei. Dennoch gewannen nun mit Sven Schulze | |
| in Chemnitz und Constance Arndt in Zwickau Kandidat:innen, deren politische | |
| Basis im Stadtrat jeweils nur die viertgrößte Fraktion bilden. | |
| Sowohl Schulze als auch Arndt stehen nun vor der Herausforderung, das Image | |
| der sächsischen Städte zu stärken. Beide Städte habenProbleme mit | |
| Rechtsextremismus, in beiden Städten kommt es immer wieder zu rassistischen | |
| Übergriffen von Neonazis. Zwickau war eine der Heimatstädte des | |
| rechtsterroristischen NSU, auch heute noch existieren die Netzwerke und | |
| rechtsextremen Strukturen. Erst im vergangenen Oktober wurde in Zwickau | |
| [1][ein Gedenkbaum abgesägt], der in Erinnerung an die vom NSU ermordete | |
| Enver Şimşek gepflanzt worden war. | |
| Auch in Chemnitz wird spätestens seit den Aufmärschen von AfD und Neonazis | |
| und den darauffolgenden Hetzjagden im Spätsommer 2018 offen darüber | |
| gesprochen, dass die Stadt [2][ein Problem mit Rechtsextremismus] hat. Die | |
| ehemalige SPD-Bürgermeisterin Barbara Ludwig sprach von „Gräben“ in der | |
| Stadt. Die von Ludwig vorangetriebene Bewerbung der Stadt um den Titel der | |
| Europäischen Kulturhauptstadt 2025 erlitt wohl auch deshalb einen | |
| Rückschlag, den sie nur schwer wieder einfangen konnte. | |
| Nun ist es an Schulze, die drittgrößte sächsische Stadt wieder in ein | |
| anderes Licht zu rücken. Viel Zeit, Chemnitz als Kulturhauptstadt wieder | |
| attraktiv zu machen, bleibt ihm nicht: Ende 2020 wird die internationale | |
| Jury ihre Entscheidung treffen. | |
| 12 Oct 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Sarah Ulrich | |
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| Christian Hirte | |
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