# taz.de -- Arbeiten in der Coronapandemie: Heil plant Recht auf Homeoffice | |
> Mindestens 24 Tage im Jahr sollen Arbeitnehmer*innen künftig von zu Hause | |
> arbeiten dürfen. Das sieht ein Gesetzentwurf von Arbeitsminister Heil | |
> vor. | |
Bild: Kann gemütlicher sein als im Büro: der häusliche Schreibtisch | |
BERLIN epd/afp | Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat sein | |
angekündigtes Gesetz für ein Recht auf [1][Homeoffice] fertiggestellt und | |
will es nun in die Ressortabstimmung geben. Das „Mobile Arbeit Gesetz“ | |
sieht für Arbeitnehmer „dort, wo es möglich ist“ einen Rechtsanspruch auf | |
mindestens 24 Tage Homeoffice im Jahr vor, sagte Heil der „Bild am | |
Sonntag“. Wenn beide Eltern einen Beruf haben, in dem mobiles Arbeiten | |
machbar ist, könne nach seinem Vorschlag jede Woche abwechselnd ein | |
Elternteil einen Tag von zu Hause arbeiten. „Das erleichtert das | |
Familienleben enorm“, so Heil. | |
Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) lobte den Vorstoß, kritisierte aber | |
zugleich, dass dieser nicht weit genug gehe. „Der geplante Rechtsanspruch | |
von lediglich bis zu 24 Tagen ist eindeutig zu wenig“, sagte | |
DGB-Vorsitzender Reiner Hoffmann. „Das bedeutet gerade einmal einen | |
Anspruch von einem Tag mobiler Arbeit alle zwei Wochen.“ Ein solcher | |
„Minimalanspruch“ sei ein Zugeständnis an die Arbeitgeber, die bei dem | |
Thema immer noch blockierten, kritisierte Hoffmann. | |
Die 24 Tage möchte Heil als Untergrenze verstanden wissen. Arbeitnehmer und | |
Arbeitgeber könnten sich darüber hinaus individuell in Tarifverträgen oder | |
Betriebsvereinbarungen auf mehr Heimarbeit verständigen, sagte er. | |
Natürlich könne ein Bäcker nicht von zu Hause aus Brötchen backen. „Desha… | |
kann ein Arbeitgeber den Wunsch nach mobiler Arbeit ablehnen, wenn er dafür | |
nachvollziehbare organisatorische oder betriebliche Gründe hat“, sagte | |
Heil. Für Arbeitgeber sei es mit dem Gesetz nicht mehr möglich, mobiles | |
Arbeiten aus Prinzip abzulehnen. „Chef und Mitarbeiter werden in Zukunft | |
darüber auf Augenhöhe verhandeln.“ | |
Dokumentation der Arbeitszeit ist Pflicht | |
Darüber hinaus sieht das Gesetz vor, dass die Arbeitszeit im Homeoffice | |
digital dokumentiert werden muss. „Arbeit von zu Hause darf nicht dazu | |
führen, dass einen die Arbeit gar nicht mehr loslässt. Auch im Homeoffice | |
muss [2][irgendwann Feierabend] sein“, so Heil. Deshalb schreibe das Gesetz | |
vor, dass Arbeitszeiten bei mobiler Arbeit digital dokumentiert werden | |
müssen. Auch die gesetzliche Unfallversicherung soll bei mobiler Arbeit | |
sowie für den Weg hin und zurück zu Kita und Schule gelten. | |
Der Arbeitsminister begründete seinen Vorstoß auch mit den Erfahrungen der | |
Corona-Zeit. „Das Virus hat uns gelehrt, dass viel mehr mobiles Arbeiten | |
möglich ist als wir dachten“, sagte er. „Weil mobiles Arbeiten schon für | |
einige fest zur modernen Arbeitswelt gehört, aber vielen noch nicht | |
ermöglicht wird, braucht es dafür auch ein Gesetz.“ | |
Das Bundesarbeitsministerium hat laut „Bild am Sonntag“ eine Studie [3][zum | |
Homeoffice] in der Coronapandemie in Auftrag gegeben. Demnach haben in den | |
Monaten Juli und August 2020 [4][insgesamt 36 Prozent der abhängig | |
Beschäftigten] im Homeoffice gearbeitet – das entspricht einer Gesamtzahl | |
von rund 14,6 Millionen Arbeitnehmer*innen. | |
Im Vorjahreszeitraum habe der Anteil der Beschäftigten, die mobil arbeiten, | |
bei 24 Prozent gelegen. 87 Prozent der Menschen, die während der Pandemie | |
zu Hause gearbeitet haben, seien mit dem Homeoffice „sehr zufrieden“ oder | |
„zufrieden“ gewesen. | |
Union hält nichts von Vorstoß | |
Beim Koalitionspartner Union stießen Heils Pläne auf Ablehnung. „Einen | |
echten Rechtsanspruch kann es nicht geben“, sagte der Arbeits- und | |
Sozialexperte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Peter Weiß (CDU), am Sonntag | |
der Nachrichtenagentur AFP. Er warnte davor, dass sonst die | |
„Arbeitnehmerschaft in zwei Teile aufgeteilt“ werde – jene, die ihre Arbe… | |
zuhause verrichten können, und jene, bei denen das nicht geht. | |
Es müsse immer „gleiches Recht für alle gelten“, mahnte Weiß. Der | |
CDU-Abgeordnete rief die Arbeitgeber*innen zugleich zu mehr Offenheit | |
gegenüber Wünschen nach mobiler Arbeit auf: „Dass Arbeitnehmer Wünsche nach | |
Homeoffice ernsthaft prüfen, das sollte selbstverständlich werden.“ | |
Die Linke warnte mit Blick auf Heils Vorschlag vor neuen Belastungen für | |
Arbeitnehmer*innen. Es brauche hier „klare Regeln zum Schutz der | |
Beschäftigten, damit Homeoffice nicht zur Überstundenfalle wird“, sagte die | |
Linken-Arbeitsexpertin Jessica Tatti der Nachrichtenagentur AFP. Der | |
Betrieb müsse „als sozialer Ort“ erhalten bleiben, forderte die | |
Bundestagsabgeordnete. | |
Wichtig sei, „dass Beschäftigte Homeoffice auch ablehnen dürfen und | |
weiterhin einen festen Arbeitsplatz im Betrieb haben, an den sie jederzeit | |
zurückkehren können“, sagte Tatti. Prinzipiell sei es aber zu begrüßen, | |
wenn „Arbeitgeber Homeoffice-Wünsche von Beschäftigten zukünftig nicht mehr | |
grundlos ablehnen können“. Es komme dabei aber auf die rechtliche | |
Ausgestaltung an. | |
Arbeitszeitgesetz „völlig aus der Zeit gefallen“ | |
Auch der FDP-Arbeitsmarktexperte Johannes Vogel zeigte sich skeptisch. Ein | |
„moderner Rechtsrahmen“ für Homeoffice und mobiles Arbeiten sei zwar | |
„längst überfällig“, sagte Vogel zu AFP. Allerdings blieben bei Heils | |
„Mini-Vorschlag“ viele Fragen offen, bemängelte der Liberale. „Wird auch | |
Bürokratie abgebaut, die Unternehmen heute zwingt, die heimischen | |
Schreibtische zu kontrollieren? Wird ein einseitiger Rechtsanspruch | |
geschaffen oder ein faires Erörterungsrecht wie in den Niederlanden?“ | |
Vogel forderte den Arbeitsminister zu einer grundsätzlichen Modernisierung | |
des Arbeitszeitgesetzes auf. Dieses Gesetz sei „völlig aus der Zeit | |
gefallen“, sagte der FDP-Abgeordnete. „Wir bräuchten jetzt dringend mehr | |
Freiheit, wo und wann man arbeitet.“ | |
4 Oct 2020 | |
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