| # taz.de -- Neue Musik aus Berlin: Die Klima-Geißlerin | |
| > Chris Korda hat mit „Apologize to the Future“ ein Album zum Klimawandel | |
| > vorgelegt. Die Musik ist komplexer Techno, die Botschaft ist eher | |
| > einfach. | |
| Bild: Chris Korda kennt nur ein Gebot: „Don't procreate!“ | |
| Apokalypse ist immer auch ein bisschen sexy. Zu Schwarzmalereien gehört | |
| halt Angstlust dazu. Dass es für apokalyptische Stimmungen derzeit sehr | |
| reale Anlässe gibt, ändert daran nichts. | |
| Auftritt [1][Chris Korda]. Die Produzentin, Performerin und | |
| Softwareentwicklerin aus den USA, wohnhaft in Berlin, hat mit „Apologize to | |
| the Future“ ein Album vorgelegt, das sich der Klimakrise in drastischer | |
| Form annimmt. Nicht, was die Musik angeht, die ist artifizieller bis | |
| steriler Techno mit staubtrockenem polymetrischen Funk. Drastisch sind die | |
| Texte, in mehrstimmigem Computergesang vorgetragen. Korda beschreibt die | |
| Folgen der Überbevölkerung, ökologisch wie ökonomisch, um stets beim selben | |
| Credo zu landen: „Don’t procreate“. | |
| Klingt fast plausibel. Um Schlimmeres zu verhindern, besser weniger werden | |
| als viel zu viele. Bloß ist die Botschaft eine, die eher in den USA und in | |
| Europa gehört werden dürfte, wo die Populationen langsam wachsen. Ob Kordas | |
| Predigten ebenso in Asien oder Afrika ankommen, ist unklar. Und dort ist | |
| Kinderkriegen oft keine Frage der „Gier“, wie Korda unterstellt, sondern | |
| eine der ökonomischen Not. | |
| ## Der Nachteil, geboren zu sein | |
| Doch Kordas ironiefreies Klima-Geißlertum scheint ohnehin kaum Mitgefühl | |
| mit der eigenen Spezies zu kennen: „More mouths to feed / Is the last thing | |
| we need“ erinnert sogar an die Rhetorik der NS-Zeit (Stichwort „unnütze | |
| Fresser“). | |
| Vielleicht liegt die Motivation für Kordas Antinatalismus – sie gründete | |
| 1992 die provokationsfreudige Sekte „Church of Euthanasia“ – ja auch noch | |
| woanders. Immerhin steckt in Zeilen wie „I didn’t ask to be born / Into a | |
| disaster porn“ im Kern die Aussage, dass sie nicht darum gebeten hat, | |
| geboren zu werden. Ein Nachteil, den schon [2][Pessimisten wie Emil Cioran] | |
| beklagten. Man muss die Platte als solche nicht ernst nehmen. Als Symptom | |
| der XR-Generation dafür umso mehr. | |
| 7 Oct 2020 | |
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| ## AUTOREN | |
| Tim Caspar Boehme | |
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