Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Proteste nach Wahlen in Kirgistan: Ex-Präsident Atambajew befreit
> Anhänger des wegen Korruption inhaftierten Almasbek Atambajew
> protestieren gegen angeblichen Wahlbetrug. Jetzt wurde das Wahlergebnis
> anulliert.
Bild: Die Proteste brachten ihm die Freiheit: Kirgistans Ex-Präsident Almasbek…
Die Männer stehen dicht an dicht, schieben sich langsam vorwärts. Licht
fällt auf einen grauen Hinterkopf, der zwischen den schwarzen Jacken wie
auf Wellen hin- und hergewiegt wird. Es ist dunkel, die Handykamera, die
das Video aufnimmt, schwankt. Die Hand neben dem grauen Hinterkopf streckt
sich nach oben, winkt. Die Menge klatscht.
Sie jubelt, weil ihr einstiger Präsident Almasbek Atambajew mitten auf der
Straße in Bischkek steht, der Hauptstadt Kirgistans. [1][Befreit aus einem
Gefängnis, in dem er seit August 2019 einsaß].
Der Ingenieur, der bereits zu Sowjetzeiten politische Karriere machte, war
im Juni wegen Korruption zu elf Jahren Haft verurteilt worden. [2][Bereits
bei seiner Festnahme hatten sich seine Anhänger Straßenschlachten mit den
Sicherheitskräften geliefert.]
Auch die Nacht zum Dienstag war eine Nacht der Gewalt in Kirgistan. Bei der
Parlamentswahl am Sonntag waren 12 von 16 Parteien an der 7-Prozent-Hürde
gescheitert. Die meisten Stimmen gingen an die Partei „Birimdik“ (Einheit)
des Bruders des kirgisischen Präsidenten Sooronbaj Scheenbekow, und die
Partei „Mekenim Kirgistan“ eines einstigen Vize-Chefs der Zollbehörde, der
mit illegalen Waren einträgliche Geschäfte gemacht haben soll.
## Andauernder Nord-Süd-Konflikt
Atambajew hatte Scheenbekow einst unterstützt, er selbst trat bei der Wahl
2017 – wie in der Verfassung vorgesehen – nicht mehr an. Doch schon bald
war es zu Unstimmigkeiten zwischen dem neuen Präsidenten aus dem Süden des
Landes und dem alten Präsidenten aus dem Norden des Landes gekommen.
Beide Landesteile, getrennt durch schneebedeckte Berge, sind sich oft
fremd. Der Nord-Süd-Konflikt bestimmt das politische Leben auch nach dem
Gemetzel zwischen Kirgisen und der usbekischen Minderheit 2010 im Süden des
Landes.
Atambajew, der nach der Interimspräsidentin Rosa Otunbajewa 2011 an die
Macht kam, wollte beide Landesteile konsolidieren. Die Verfassungsänderung,
die der 64-Jährige kurz vor dem Ende seiner Amtszeit auf den Weg brachte,
machte [3][Kirgistan zu einer parlamentarisch-präsidialen Republik].
Menschenrechtler beklagen seit einiger Zeit Rückschritte, Clan-Strukturen
untergraben das ohnehin fragile demokratische Grundgerüst.
## Ein Toter, viele Verletzte
[4][Die jetzigen Wahlen hielten die Oppositionsparteien für gefälscht] und
riefen ihre Anhänger*innen auf die Straße. Demontrant*innen stürmten das
Weiße Haus in Bischkek, den Sitz des Parlaments und der
Präsidialadministration. Sie randalierten in den Amtsstuben, Bilder zeigen
junge Männer, wie sie mit Flaggen über die Tische in den Sitzungssälen
laufen. Das Gebäude brannte zeitweise.
Die Menschen zogen weiter, besetzten den Regierungssitz und das
Bürgermeisteramt. Der Bürgermeister von Bischkek trat am Dienstag zurück.
Die Polizei setzte Wasserwerfer und Blendgranaten gegen die protestierende
Menge ein. Ein 19-Jähriger starb, mehr als 600 Menschen wurden verletzt.
Das politische Ergebnis der Krawallnacht: Die Zentrale Wahlkommission
annullierte die Wahl. Wann es zu Neuwahlen kommt, ist noch nicht bekannt.
Inna Hartwich, Moskau
6 Oct 2020
## LINKS
[1] https://daz.asia/blog/kirgisistan-schickt-ex-praesident-atambajew-ins-gefae…
[2] /Ausschreitungen-in-Kirgistan/!5616779/
[3] https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/316254/kirgisistan
[4] https://www.dw.com/de/manipulationsvorw%C3%BCrfe-nach-wahl-in-kirgistan/a-5…
## AUTOREN
Inna Hartwich
## TAGS
Kirgisien
Kirgistan
Wahlbetrug
Kirgistan
Kirgistan
Schwerpunkt Coronavirus
Russland
Kirgistan
## ARTIKEL ZUM THEMA
Machtkämpfe in Kirgistan: Chaostage in Bischkek
Faktisch befindet sich das Land seit den Ausschreitungen nach der Wahl im
Machtvakuum, weil keine der politischen Gruppen weichen will.
Nach Protesten in Kirgistan: Ministerpräsident tritt zurück
Nach den umstrittenen Parlamentswahlen wurden hunderte Menschen bei Unruhen
verletzt. Kubatbek Boronow legt jetzt sein Amt nieder.
„Corona in der Welt“ – Kirgistan: Die Rache Allahs
In Kirgistan wachsen die Spannungen zwischen gemäßigten und radikalen
Muslimen. Das zeigt sich einmal mehr in Zeiten der Pandemie.
Politische Krise in Kirgistan: Ex-Präsident muss in U-Haft bleiben
Beim zweiten Versuch gelang die Festnahme: Nun sitzt der ehemalige
Staatschef Kirgistans, Almasbek Atambajewin, im Gefängnis.
Ausschreitungen in Kirgistan: Ein Toter und viele Verletzte
Anhänger des ehemaligen Präsidenten wollten seine Festnahme verhindern. Das
endete in blutigen Ausschreitungen.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.