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# taz.de -- Zeichnen in Belarus: Protest in weiß-rot
> Eine Minskerin hat 14 Skizzen entworfen – ihr Beitrag zu einem neuen
> Belarus. Olga Deksnis erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk. Folge 10.
Bild: Mit weiß-rotem Schal am Fenster an der Victors Avenue in Minsk
Tatjana Gorelschik aus Minsk hat während der Coronapandemie ihr kleines
Privatunternehmen verloren. Jetzt arbeitet sie nicht. Als sie nach der Wahl
das inoffizielle Symbol des Minsker Stadtteils Gruschewki auf weiß-rotem
Stoff sah, war sie sofort begeistert. Innerhalb von 14 Stunden dachte sie
sich 14 Embleme aus.
Dabei ist sie selbst gar keine Designerin. Die Arbeiten verbreiteten sich
sofort im Internet und wurden zu Symbolen der Einwohner, die sich gegen die
Staatsmacht zusammen geschlossen hatten. Die Nachbarn wählten ihre
Favoriten aus, verteilten sie in ihren sozialen Netzwerken oder den
Hinterhöfen ihrer Wohnblocks. Das ist Tatjanas freiwilliger Beitrag zum
Aufbau eines neuen Belarus.
Viele Embleme hätten einen scherzhaften Charakter, sagt Tatjana. Wie zum
Beispiel Schdun, als Symbol für Erwartungen. Oder harte Brotwürfel, die die
Zähne kaputt machten. Doch von einem Emblem habe sie geträumt: Ein Mensch
mit durchschossenem Herzen – Alexander Taraikowski, das erste Todesopfer
der Proteste in Belarus.
Tatjana bekommt aus der ganzen Welt Vorschläge. Dem Flashmob haben sich
mittlerweile auch professionelle Künstler angeschlossen.
„Ich habe die Geschichte der Region studiert und daraus beziehen die
Embleme ihren Sinn. Mir schreiben Leute aus Dänemark, Österreich, New-York
und Krakau. Sie wollen zeigen, dass sie mit dem belarussischen Volk vereint
sind. Ihnen ist es wichtig, dass auch ihr Land vor dem Hintergrund der
weiß-rotem Symbolik zu erkennen ist“, sagt sie.
Und weiter: „Mein Mann und meine Familie unterstützen mich. Sie sind stolz
auf mich, machen sich aber auch Sorgen. Die Belarussen freut es, wenn ich
immer mal [1][die weiß-rote Fahne] raus hänge. Das vereint uns alle.
Zunächst wurde die wirkliche Situation mit dem Corona-Virus im Land tot
geschwiegen. Dann habe ich mein Business verloren, dann kamen Wahlen und
Gewalt. Das war der letzte Tropfen. Ich bekam Panikattacken. Zeichnen, das
ist meine Rettung. Ich durchlebe auch fröhliche Emotionen. Mir wird
leichter ums Herz.“
Auf die Frage, ob sie Angst habe wegen ihres Engagements verhaftet zu
werden, antwortet sie: „Ja, es ist schon schrecklich, aber ich kann nicht
anders. Wenn ich Furcht zeige, werden wir niemals gewinnen. Am meisten
fürchte ich mich vor Prügel oder dass sie meiner Familie etwas zuleide tun.
Alles andere halte ich aus, wenn das notwendig sein sollte.“
Sie nehme an den [2][Frauenmärschen] teil, erzählt Tatjana noch. Und sie
laufe vor unbekannten Menschen davon, die nach ihr greifen wollten (wenn
Leute ohne Uniform friedliche Demonstranten fest nehmen, Anm. d. Red.). Bei
den Aktionen sei viel Wärme, Positives und Kreativität zu spüren. Zum
ersten Mal stehe das Volk so eng zusammen. Sollte sie das etwa einfach so
vorüber gehen lassen?
Aus dem Russischen Barbara Oertel
21 Sep 2020
## LINKS
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## AUTOREN
Olga Deksnis
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Protest
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