Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Zivilcourage in Belarus: Was für eine Hochzeit!
> Kaum zu glauben, dass Menschen versteckt werden müssen. Janka Belarus
> erzählt vom Leben in Minsk in stürmischen Zeiten. Folge 36.
Bild: Roman Bondarenko ist tot. Am 12. November haben Sicherheitskräfte in get…
Am Sonntag, während eines friedlichen Protestmarsches in Minsk, wurden
wieder Demonstrant*innen festgenommen. Dieses Mal waren es mehr als 1000
Personen. Einer der Orte, an dem es zu Zusammenstößen kam, war der „Platz
der Veränderungen“. Dorthin waren Menschen mit Kerzen und Blumen gekommen,
um Roman Bondarenkos zu gedenken – ein Hofbewohner, [1][der am 12. November
von Sicherheitskräften getötet worden war].
Abends tauchten Angehörige der Sondereinheit OMON auf und die Vorgänge
erinnerten an Kinofilme über den Zweiten Weltkrieg. Die Sicherheitskräfte
waren zahlreich erschienen, sie waren bewaffnet und bereit, über die
Menschen herzufallen, die nur Blumen und ihre Trauer bei sich trugen. Das
ganze Viertel war mit technischen Gerätschaften abgesperrt. Die Bewohner
öffneten die Eingänge ihrer Häuser und versteckten Menschen in hinteren
Gebäuden und ihren Wohnungen.
Einfach mit dem Hund Gassi, in ein Geschäft oder sonst wohin gehen ohne
einen Pass vorzuzeigen, ist nicht mehr erlaubt. Deshalb haben viele
Minsker*innen sich dafür entschieden, dass ihre Gäste über Nacht bleiben.
Man muss nur das Licht ausschalten und bei den Mobiltelefonen den Flugmodus
aktivieren, damit es kein intensives Signal gibt, das den
Mobilfunkbetreiber auf den Plan ruft. Mehr als 100 Personen blieben so bis
Montag morgen um 10 Uhr auf dem „Platz der Veränderungen“. Erst dann war es
möglich, den Heimweg anzutreten.
Eine weitere erstaunliche Geschichte trug sich in einem anderen Stadtteil
mit dem Mädchen Tatjana zu: „Wenn mir jemand am Morgen gesagt hätte, dass
so etwas möglich sei, hätte ich das nicht geglaubt. Ehrlich gesagt, war das
für uns heute der ungewöhnlichste Protesttag überhaupt. Zuerst gingen wir
zur U-Bahnstation Puschkinskaja. Dann war alles wie immer – sie rannten
hinter uns her. Und plötzlich, wie ein Engel, [2][winkte uns ein Mädchen
aus einem offenen Hauseingang zu]. Ehrlich gesagt, wir dachten nicht lange
nach und liefen freudig dorthin. Und nicht nur wir. Der Letzte konnte
gerade noch die Tür schließen, auf die schon Schlagstöcke nieder sausten.
Und was war in der Wohnung? Eine Hochzeit! Es waren viele Leute da. Anfangs
saßen wir ganz still auf dem Boden und lehnten bescheiden ab, wenn uns
etwas angeboten wurde. Doch dann verloren wir doch etwas die Nerven.
Kurzum, das ist eine Hochzeit, von der wir noch unseren Enkeln erzählen
werden. Wie 15 Menschen, die zufällig zusammen getroffen waren, sich
versteckten und den Frischvermählten aufrichtig alles Gute wünschten. Die
beiden waren sehr gutherzig und fröhlich! Wie sehr möchte man ihnen doch
viel Glück wünschen. Und uns. Damit ihre Familie in einem neuen Belarus
heranwächst. Leute, auf dass ihr noch lange Jahre zusammen seid. Heute wart
ihr und eure Nächsten für uns die unglaublichsten Menschen des Tages!“
Aus dem Russischen [3][Barbara Oertel]
23 Nov 2020
## LINKS
[1] /Polizeigewalt-in-Belarus/!5714965
[2] /Polizeigewalt-in-Belarus/!5714969
[3] /Barbara-Oertel/!a1/
## AUTOREN
Janka Belarus
## TAGS
Kolumne Notizen aus Belarus
Belarus
Protest
Minsk
Alexander Lukaschenko
Kolumne Notizen aus Belarus
Kolumne Notizen aus Belarus
Kolumne Notizen aus Belarus
## ARTIKEL ZUM THEMA
Absurde Strafmaßnahmen in Belarus: Ohne Wasser und Heizung
Wie man einen ganzen Stadtteil für seine politische Haltung bestraft. Janka
Belarus erzählt vom Leben in Minsk in stürmischen Zeiten. Folge 35.
Polizeigewalt in Belarus: Für nichts getötet
Ein Aktivist wird umgebracht. Es hätte jeden treffen können. Janka Belarus
erzählt von tragischen Ereignissen in Minsk. Folge 33.
Polizeigewalt in Belarus: Vor Festnahme bewahrt
Gibt es ein Recht der Sicherheitskräfte, auf Menschen zu schießen? Janka
Belarus erzählt von stürmischen Zeiten in Minsk. Folge 11.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.