| # taz.de -- Historische Verantwortung: Museum in Not | |
| > Das Museum der deutschsprachigen Juden in Israel steht vor dem Aus. Jetzt | |
| > sucht der Trägerverein Hilfe in Deutschland. | |
| Bild: Im Jeckes-Museum in Tefen sind jüdisch-migrantische Lebensgeschichten do… | |
| Ein Bett mit Kommode, ein paar alte Bücher: Das war das Zuhause von | |
| Hugo-Zwi Schatzman und seiner Frau Lea-Gertrud. 1934, ein Jahr nach der | |
| Machtübernahme der Nationalsozialisten, flohen die beiden aus Deutschland | |
| nach Palästina. | |
| 1935 zog das Paar in die Kleinstadt Naharija, wo sich besonders viel | |
| ehemalige deutsche Juden ansiedelten. Aus zwei umgebauten hölzernen | |
| Umzugscontainern, Lift genannt, entstand ihr sehr einfaches Heim. Die | |
| Emigration blieb damit präsent – der Verlust der alten Heimat, der alten | |
| Sprache und Kultur, der Gewinn jüdisch-israelischer Identität in einer | |
| neuen, anfangs fremden Heimat. Und das Glück des Überlebens. | |
| Zwischen 80.000 und 90.000 deutschsprachige Juden wanderten ab 1933 ins | |
| damals britische Mandatsgebiet Palästina aus. Viele der Immigranten | |
| entsprachen nicht unbedingt dem zionistisch geprägten Bild des kollektiv | |
| arbeitenden „Muskeljuden“. Es kamen ältere Professoren und Kaufleute, | |
| Juristen, Ärzte und Architekten. Es waren keine Pioniere, sondern | |
| Flüchtlinge, anfangs skeptisch beäugt von ihrer ostjüdisch geprägten | |
| Umgebung ob ihrer Pünktlichkeit und des vorgeblich pedantischen Auftretens | |
| – und der Sprache des Feindes, in der sie miteinander verkehrten. Damals | |
| entstanden deutsche Sprachinseln mitten in Haifa, Tel Aviv und Jerusalem – | |
| etwas, was manche heute abschätzig Parallelgesellschaften nennen. | |
| Das Bett mit der Kommode und den alten Büchern in der hölzernen Baracke | |
| steht immer noch – als Teil des Museums des deutschsprachigen Judentums in | |
| Tefen, ganz im Norden Israels gelegen. Hier wird der Geschichte der anfangs | |
| abschätzig „Jeckes“ genannten Einwanderer gedacht, die in Wahrheit für | |
| einen Entwicklungsschub in der jüdischen Gemeinschaft Palästinas sorgten. | |
| Das Wort Jeckes entstand der Legende nach, weil die männlichen | |
| deutschsprachigen Juden selbst bei glühender Hitze in Jackett und Weste | |
| herumliefen. | |
| ## Israel steckt in der Wirtschaftskrise | |
| Doch das Museum ist geschlossen, und das nicht wegen der Coronapandemie. | |
| Der bisherige Sponsor der Einrichtung hat seine finanzielle Hilfe | |
| aufgekündigt. Das Personal ist entlassen, darunter Ruti Ofek, die das | |
| Museum fast 30 Jahre lang geleitet hat. Der Träger des Museums, der Verein | |
| ehemaliger mitteleuropäischer Juden in Israel, besitzt keine Mittel, um die | |
| Einrichtung weiter zu betreiben. Seine wichtigste Aufgabe ist der Unterhalt | |
| von Altenheimen für die in die Jahre gekommenen Mitglieder. Ihre Direktorin | |
| Devorah Haberfeld sucht deshalb dringend nach Geldgebern. „Wir können das | |
| nicht bezahlen“, sagt Haberfeld der taz. | |
| Vom Staat Israel, der derzeit eine der stärksten Wirtschaftskrise seiner | |
| Geschichte durchlebt, sei kein Geld zu erwarten, sagt Haberfeld. Deshalb | |
| hofft sie auf Engagement aus Deutschland. Der Jeckes-Verein hat die | |
| Deutsche Botschaft in Tel Aviv kontaktiert und sucht nach Unterstützung, | |
| etwa vom Auswärtigen Amt, von Stiftungen oder der deutsch-israelischen | |
| Parlamentariergruppe. | |
| Zwei Museen in Israel haben sich dazu bereit erklärt, die Ausstellung und | |
| das historisch wertvolle Archiv, in dem Lebensgeschichten und Dokumente der | |
| Einwanderer aufbewahrt sind, zu übernehmen, meldeten Haberfeld und Ofek | |
| Ende August an ihre Vereinsmitglieder. Da ist zum einen das renommierte | |
| Ghettokämpfermuseum in der Nähe von Akko, zum anderen das Hecht-Museum in | |
| Haifa. Doch beide Einrichtungen seien nicht in der Lage, den laufenden | |
| Betrieb zu finanzieren. | |
| ## Eine „sehr überraschende Entscheidung“ | |
| Zehntausende Besucher kamen bisher jährlich nach Tefen, und viele von | |
| ihnen begegneten hier als Kindeskinder der deutschsprachigen Einwanderer | |
| ihrer eigenen Vergangenheit. Der Begriff Jeckes hat in Israel längst seine | |
| abwertende Bedeutung verloren – er steht heute für Pünktlichkeit und | |
| Effizienz, ganz unabhängig von der Herkunft. | |
| Schon vor über 50 Jahren entstand in Naharija die Keimzelle der | |
| Ausstellung. Aber erst 2005 konnte ein repräsentatives Museum im | |
| Industriepark Tefen realisiert werden – dank der Unterstützung des aus | |
| Deutschland stammenden israelischen Unternehmers Stef Wertheimer, der | |
| inzwischen 94 Jahre alt ist. Seine Kinder haben nun entschieden, die | |
| Finanzierung des Museums und einer Reihe weiterer Kunstausstellungen zu | |
| beenden. Eine „sehr überraschende Entscheidung“, nennt Haberfeld diesen | |
| Schritt. | |
| Nach israelischem Recht gehören die Artefakte der Öffentlichkeit und können | |
| nicht veräußert werden. Doch ohne eine Finanzierung von außen scheinen die | |
| Tage des Museums gezählt. Es sei denn, Deutschland besinnt sich seiner | |
| Verantwortung für das historische Erbe der einst von den Nazis vertriebenen | |
| Menschen. | |
| 15 Sep 2020 | |
| ## AUTOREN | |
| Klaus Hillenbrand | |
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