# taz.de -- Filmfestspiele Venedig mit Antifa light: Romanze und Radikalisierung | |
> Links und Landadel? Mit Julia von Heinz’ Spielfilm „Und morgen die ganze | |
> Welt“ geht in Venedig ein deutscher Wettbewerbsbeitrag ins Rennen. | |
Bild: Dreharbeiten von „Und morgen die ganze Welt“ in Mannheim | |
Rechtsruck in Deutschland, eine Partei, die Rassismus auf blauen Plakaten | |
propagiert, Naziangriffe auf Migranten, Antifa-Aktivisten, die gegen rechte | |
Aufmärsche protestieren: Bei den Filmfestspielen von Venedig ist mit | |
[1][Julia von Heinz'] „Und morgen die ganze Welt“ ein deutscher | |
Wettbewerbsbeitrag im Rennen, dessen Thema aktueller nicht sein könnte. | |
Zur Erinnerung: Vor fünf Jahren hatte von Heinz zur Weihnachtszeit ihre | |
Verfilmung von [2][Hape Kerkelings] Pilgerweg-Bestseller „Ich bin dann mal | |
weg“ ins Kino gebracht, eine eher leichtfüßige Angelegenheit. | |
Doch jetzt ist Schluss mit lustig. Luisa (Mala Emde), Jurastudentin im | |
Erstsemester, aus reichem adligen Haus, die Familie geht am Wochenende zur | |
Jagd, lernt über ihre Freundin Batte (Luisa-Céline Gaffron) das autonome | |
Kulturzentrum P 31 in Mannheim kennen. Man engagiert sich in der Antifa, | |
protestiert bei Nazidemos mit Transparenten, Megafonskandierungen, | |
präpariert Eier mit Farbe, wirft Sahnetorten, um in der Hauptsache zu | |
stören. | |
Bei einem Aufmarsch von Nazis im Umland kundschaftet die Gruppe die Autos | |
der Rechtsextremen aus, zersticht die Reifen, schlägt Scheiben ein und | |
Außenspiegel kaputt, danach soll der Rückzug angetreten werden. Der | |
charismatische Alfa (Noah Saavedra) will es den Nazis aber einmal so | |
richtig zeigen, man wartet ab, bis sie zu ihren Wagen zurückkehren, dann | |
prügeln [3][die Autonomen] auf die Nazis ein. Die wehren sich, Luisa wird | |
von einer Nazifrau am Bein verletzt. | |
## Alfa, Luisa und Lenor | |
Nach dieser Aktion beginnt sich das Kulturzentrum aufzuspalten in | |
diejenigen, die wie Luisas Freundin Batte weiter bei friedlichen Protesten | |
bleiben, und diejenigen, die wie Alfa nach anderen Wegen des Widerstands | |
suchen. Luisa schließt sich Alfa an, auch in emotionaler Hinsicht finden | |
beide Gefallen aneinander. Mit von der Partie ist stets der skeptische | |
IT-Experte Lenor (Tonio Schneider). | |
Julia von Heinz vermischt in der Folge die Anflüge einer Jugendromanze mit | |
der verwirrend unentschlossenen und nicht besonders klar motivierten | |
Radikalisierung Luisas. So spürt das Trio um Alfa erst einen Altnazi namens | |
Manfred Röhder (nach dem realen Vorbild Manfred Roeder benannt) und dann | |
dessen Lager mit Propagandamaterial und Waffen auf, klaut daraus Unterlagen | |
und Sprengstoff, die das Trio vergräbt. Später wird Luisa ein Jagdgewehr | |
aus dem elterlichen Bestand entwenden. | |
Daneben führt man Diskussionen um Sinn und Ziele des bewaffneten | |
Widerstands, die jedoch nie über Oberflächlichkeiten hinausgehen. Auch die | |
interne Dynamik des Kulturzentrums mit den sich abzeichnenden | |
Richtungsstreits wird allenfalls am Rand geschildert, das Personal neben | |
den Hauptfiguren ist arg schematisch besetzt. Da ist die Kampflesbe, ein | |
paar Leute mit Migrationshintergrund, die vom Drehbuch jedoch praktisch | |
nichts zu sagen bekommen, und irgendwie wirkt alles sehr lieb, so wie die | |
Gesichter von Luisa und Alfa. Antifa light. | |
12 Sep 2020 | |
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## AUTOREN | |
Tim Caspar Boehme | |
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