# taz.de -- Protest gegen Femizide in Mexiko: „Nicht eine weitere Tote mehr“ | |
> In Mexiko-Stadt haben Frauen das Büro der Menschenrechtskommission | |
> besetzt. Sie sind wütend, weil Frauenmorde selten geahndet werden. | |
Bild: Vor dem Gebäude der Menschenrechtskommission in Mexiko-Stadt am Sonntag | |
Berlin taz | Das Graffito an der Wand eines Büros der mexikanischen | |
Menschenrechtskommission (CNDH) lässt keine Zweifel: „Wir werden weder | |
vergeben noch vergessen“. Auch vor dem Gebäude im Zentrum von Mexiko-Stadt | |
stellen Feministinnen und Angehörige von Opfern sexualisierter Gewalt auf | |
Transparenten klar, warum sie die Behörde seit Donnerstag besetzt halten. | |
„Nicht eine weitere Tote mehr“ heißt es da. | |
Die Räume der Kommission müssten zu einem Zufluchtsort für Frauen werden, | |
die Gewalt erlitten haben, erklärt die Aktivistin Yesenia Zamudio. „Wir | |
gehen nicht raus, es gibt keine Verhandlungen“, bekräftigt die | |
Mittvierzigerin, deren Tochter vor vier Jahren getötet wurde. | |
Seit Jahren kämpfen in Mexiko Feministinnen und Opferangehörige für die | |
Aufklärung der [1][unzähligen Femizide und anderer Formen sexualisierter | |
Gewalt]. Letztes Jahr starben 3.788 Frauen eines gewaltsamen Todes. Am 8. | |
März demonstrierten deshalb Zigtausende, einen Tag später [2][beteiligten | |
sich Millionen an einem Frauenstreik]. | |
Dennoch unternehme die Regierung nicht genug, kritisieren Aktivistinnen. | |
Auch die CNDH werde ihrer Aufgabe nicht gerecht. „Wir sind es leid, als | |
Bittstellerinnen behandelt zu werden“, kritisiert Zamudio. | |
## AktivistInnen fordern Taten | |
Die Besetzung begann, nachdem zwei Mütter von Gewaltopfern vertröstet | |
wurden, da die Behörde erneut keine Ermittlungsergebnisse vorweisen konnte. | |
Sie ketteten sich an und weigerten sich zu gehen. Mitglieder radikaler | |
feministischer Gruppen und Angehörige, die seit Februar mit einer Mahnwache | |
im Stadtzentrum auf sich aufmerksam machen, kamen zur Unterstützung. | |
Ihre Kritik richtet sich gegen staatliche Vertreter, die die Gewalt | |
herunterspielten. Die CNDH müsse den Regierenden und Strafverfolgern | |
Empfehlungen geben, um die Tatschwere der Femizide zu vermitteln. Spezielle | |
Staatsanwaltschaften müssten eingerichtet werden und die Kriminalisierung | |
von Aktivistinnen müsse ein Ende haben. | |
Mittlerweile spitzte sich die Lage zu. Die Besetzerinnen wollen Gemälde | |
versteigern, die sie im Gebäude von den Wänden abgehängt haben. Am Mittwoch | |
stellten sie Akten vor die Tür. Man brauche den Platz, um Frauen zu | |
beherbergen, die Gewalt erlitten hätten, erklärte Zamudio. Die CNDH wies | |
darauf hin, dass es sich um „sensible Informationen“ handle, etwa um | |
Protokolle von Opfern. Sie bat um einem Dialog. | |
Während ein Teil der Besetzerinnen die Absetzung der CNDH-Leiterin fordern, | |
hoffen andere auf Gespräche mit den zuständigen Kabinettsmitgliedern. | |
[3][Präsident Andrés Manuel López Obrador], der geschlechtsspezifische | |
Gewalt meist herunterspielt, reagierte auch jetzt mit Unverständnis. In | |
erster Linie störte ihn, dass Feministinnen ein Gemälde des historischen | |
Revolutionärs und Präsidenten Francisco I. Madero bemalt hatten. „Dieser | |
Typ ist in die Geschichte eingegangen,“ reagierte Aktivistin Zamudio. „Und | |
was ist mit unseren Töchtern?“ | |
9 Sep 2020 | |
## LINKS | |
[1] /Steigende-Zahl-von-Femiziden/!5643565 | |
[2] /Frauenstreik-in-Mexiko/!5670278 | |
[3] /Amtsantritt-von-Lopez-in-Mexico/!5551520 | |
## AUTOREN | |
Wolf-Dieter Vogel | |
## TAGS | |
Mexiko | |
Schwerpunkt Femizide | |
Gewalt gegen Frauen | |
Kolumne Latin Affairs | |
Misogynie | |
Andrés Manuel López Obrador | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Gewalt gegen Frauen in Mexiko: Zehn Tote pro Tag | |
Die Netflix-Doku „Die drei Tode der Marisela Escobedo“ erinnert an die | |
Morde an der Mexikanerin und ihrer Tochter. Der Film kommt zur richtigen | |
Zeit. | |
Vulvenkunst in Mexiko: Gegen Femizid und Patriarchat | |
Eine Künstlerin holt Vulven aus der Ecke des Tabus, um sie auf den Sockel | |
der Kunst zu stellen – und setzt ihnen dann noch einen Heiligenschein auf. | |
Proteste in Mexiko: Jeden Tag zehn tote Frauen | |
In Mexiko gehen Tausende gegen Feminizide und sexuelle Gewalt auf die | |
Straßen. Der Druck auf Präsident López Obrador wächst weiter. |