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# taz.de -- Corona-Tests nur bei Rumänen: Abstrich mit fadem Geschmack
> Die Stadt Wesselburen in Dithmarschen will ihre Einwohner auf den
> Corona-Virus testen – aber nur die aus Rumänien. Das könnte
> stigmatisierend wirken.
Bild: Der Infektionskette keine Chance: Abstrich für einen Corona-Test, hier E…
Hamburg taz | Die rumänischen Bürger der schleswig-holsteinischen
Kleinstadt Wesselburen sollen sich auf das Coronavirus testen lassen.
Entsprechende Postwurfsendungen mit der Bitte, einen Test zu machen, sollen
am Donnerstag ausschließlich an rumänische Haushalte verteilt werden. Grund
dafür ist eine große Zahl an Infektionen, besonders unter den rumänischen
Einwohnern.
Der rumänische Honorargeneralkonsul Klaus Rainer Kirchhof hält das Vorgehen
für unglücklich. „Ich finde es fragwürdig, eine Bevölkerungsgruppe
herauszugreifen“, sagt er. Die eigentlich anzuwendende Strategie müsste
darin bestehen, das Umfeld der positiv Getesteten abzuklopfen, anstatt
pauschal gegen eine Bevölkerungsgruppe vorzugehen. Er fühlt sich an einen
Vorfall im Juni in Göttingen erinnert, wo ein ganzer [1][Wohnblock aufgrund
von Corona-Infektionen abgeriegelt] worden war.
Wesselburen, etwa 25 Kilometer südlich von St. Peter-Ording gelegen, hat
3.400 gemeldete Einwohner. Mehr als 500 von ihnen sind rumänische
Staatsbürger. „28 von ihnen sind aktuell mit dem Coronavirus infiziert“,
teilte der Kreis Dithmarschen am Dienstag in Heide mit. Sie stellten damit
einen Großteil der – Stand Mittwoch – 39 Infizierten im Landkreis.
Deswegen, und weil alle Infizierten in Wesselburen Rumänen sind, hält es
Landrat Stefan Mohrdieck (parteilos) für geradezu zwingend, sich auf diese
Gruppe zu konzentrieren. „Wir behandeln die wie alle anderen auch“,
versichert Mohrdieck. Am liebsten hätte er zwar ganze Stadtviertel
getestet, sagt er, aber dafür hätten die Kapazitäten nicht gereicht.
Naheliegend sei die Fokussierung auch, weil die Rumänen weitgehend unter
sich blieben. Dazu kämen die teils beengten Wohnverhältnisse, die unter
anderem dadurch entstünden, dass Menschen nur zum Arbeiten herkämen.
Kontakte gebe es trotz eines Integrationsprogramms, das bis zum Beginn der
Coronakrise lief, vornehmlich über die Schulen und Kindergärten. Dort seien
die Infektionen auch aufgefallen. Bei der Kontaktverfolgung habe der Kreis
im ersten Anlauf 140 Personen identifiziert – nicht nur Rumänen –, die
aufgefordert worden seien, sich testen zu lassen. Aber die 28 bildeten eben
den größten Schwerpunkt in Dithmarschen.
„Die Rumänen sind eine Gemeinde für sich“, bestätigt Gunter Gust,
SPD-Fraktionschef im Wesselburener Stadtrat. „Es ist schwierig, Kontakt
aufzubauen.“ Dass nur die Rumänen aufgefordert werden sollen, sich testen
zu lassen, habe ihn durchaus stutzig gemacht. „Ein gutes Bild ergibt das
nicht“, sagt Gust. Doch die Testkapazitäten seien nun mal begrenzt und der
Test überdies freiwillig.
Die Coronatestungen auf freiwilliger Basis sollen auf dem Gelände einer
Arztpraxis stattfinden. Die mobile Abstrichpraxis der Kassenärztlichen
Vereinigung habe aus Kapazitätsgründen nicht kurzfristig für eine solche
Testreihe zur Verfügung gestanden, hieß es.
Dass die Fokussierung der Tests auf eine Gruppe Menschen stutzig macht,
freut die Antidiskriminierungsbeauftragte des Landes Schleswig-Holstein,
Samiah El Samadoni. So eine Fokussierung auf eine Gruppe sei nur in
Ordnung, wenn sich der Grund dafür direkt aus dem Infektionsgeschehen
ergebe. Auch sie fände es besser, wenn quartiersweise und nicht nach
Nationalität getestet würde, um eine Stigmatisierung zu verhindern. Der
Knackpunkt, warum es aber doch in Ordnung sei, sei die Freiwilligkeit:
„Dass es ein Angebot an die rumänischen Mitbürger ist, das im Übrigen
kostenlos ist“.
Landrat Mohrdieck versichert: „Wir wollen diese Menschen schützen.“
Schließlich wollten sie ja arbeiten und die Landwirte seien auf sie
angewiesen. Schon vor der Ferienzeit habe der Kreis Heimreisende vor einer
möglichen Ansteckung in Rumänien gewarnt.
Der Kreis gehe auf die Leute mit einem Dolmetscher und Wurfsendungen in
ihrer Landessprache zu. „Es ist ein weiterer Versuch, sich dem
Infektionsgeschehen zu nähern“, sagt der Landrat. Es gebe ja auch keine
Gewissheit, dass die eingeladenen Menschen zu dem Test erschienen. Eine
Diffamierung oder Diskriminierung könne er deshalb nicht erkennen.
Wegen der stark gestiegenen Coronazahlen reagierten die Gemeinde und der
Landkreis mit allgemeinen Einschränkungen in Wesselburen. So wurden der
Sportplatz, Spielplätze und die Bücherei bis zum 11. Oktober geschlossen,
dito die Kita. Die Schulen machen Distanzunterricht.
1 Oct 2020
## LINKS
[1] /Wegen-Corona-abgeriegelter-Wohnkomplex/!5696816
## AUTOREN
Gernot Knödler
## TAGS
Schwerpunkt Coronavirus
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Stigmatisierung
Diskriminierung
Schleswig-Holstein
Rumänien
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