Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Unkrautvernichter weitab vom Acker: Pestizide auf dem Brocken
> Wenn Bauern Felder spritzen, können Spuren der Pflanzenschutzmittel auch
> noch weit entfernt gefunden werden. UBA besorgt über neue Studie.
Bild: Ein Landwirt bringt mit Hilfe einer „Ackerspritze“ Pflanzenschutz geg…
Berlin dpa | Das Umweltbundesamt (UBA) nennt sie „alte Bekannte“:
Glyphosat, Pendimethalin, Prosulfocarb, Chlorthalonil, Terbuthylazin oder
S-Metolachlor gehören zu den Top 10 der in Deutschland am meisten
verkauften Wirkstoffe von Pestiziden. Diese vernichten nicht nur Unkraut
und Schädlinge, sondern sind [1][nun auch noch weit entfernt vom Acker
gefunden] worden.
Das muss laut Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) aufhören: „Wir wissen
überhaupt noch nicht, wie dieser Cocktail aus verschiedenen
Pflanzenschutzmitteln am Ende wirkt“, sagte sie am Dienstag zu einer Studie
des Bündnisses für eine enkeltaugliche Landwirtschaft im Auftrag des
Umweltinstituts München. Schulze forderte, bei der Zulassung von Stoffen
und mit einem deutlich reduzierten Pestizideinsatz nachzusteuern.
Laut der Untersuchung verbreiten sich Pestizide bis in Städte und
Nationalparks hinein. Selbst auf der Spitze des Brockens im Harz seien 12
Pflanzenschutzmittel nachweisbar gewesen. Insgesamt wurden 138 Stoffe mit
Agrarbezug gefunden, darunter das umstrittene Unkrautgift Glyphosat.
Ausgewertet wurden Daten zu 163 Orten im Umkreis von weniger als 100 Metern
bis zu mehr als 1.000 Metern Entfernung zum gespritzten Feld. Für die
Analyse wurden von März bis November 2019 an 116 Orten Pestizide in der
Luft ermittelt – mit Sammelgeräten, über Filtermatten in Lüftungsanlagen
von Gebäuden und über Funde in Bienenstöcken. In die Ergebnisse sei zudem
eine Analyse an Baumrinden von 2014 bis 2018 zu 47 Standorten eingegangen.
## Ackergifte kontaminieren Bio-Felder
Das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft, das unter anderem
Bio-Anbieter vertritt, kritisierte, immer wieder würden biologisch
bewirtschaftete Flächen durch Ackergifte kontaminiert.
Produkte seien dann nicht mehr als „bio“ zu verkaufen. Nötig sei ein Fonds,
der Ökolandwirten Schäden ausgleiche und durch die Pestizidhersteller
gespeist werden solle. Der Verein [2][Umweltinstitut München] forderte ein
umgehendes Verbot bestimmter Pestizide.
Das Umweltbundesamt (UBA) erklärte, die Studie liefere wertvolle und
deutschlandweite Daten zur Verbreitung über die Luft – die bisherige
Datenlage sei sehr dürftig. Für Abstände bis zu 20 Meter werde in der
Zulassung untersucht, ob Mittel Umweltrisiken hätten.
Weiter entfernt gefundene Konzentrationen hätten zumindest unmittelbar
keine Gefahr für Tiere und Pflanzen, da sie überwiegend deutlich unter dem
lägen, was im Nahbereich zugelassen würde. „Eine gewisse Sorge bereitet uns
der Ferntransport dennoch“, sagte UBA-Präsident Dirk Messner. Es sei
durchaus denkbar, dass sich Wirkstoffe an anderen Orten kombinieren und
gewissermaßen als Cocktail auf Tiere und Pflanzen wirkten.
## Studie „alarmistisch und wissenschaftlich nicht valide“
Der Industrieverband Agrar, der Pestizidhersteller vertritt, nannte die
Studie „alarmistisch und wissenschaftlich nicht valide“. Es lasse sich
heute jeder beliebige Stoff im Spurenbereich nachweisen. Die Mengen seien
jedoch minimal, so dass sie für Mensch und Umwelt unbedenklich seien.
Der Grünen-Agrarpolitiker Harald Ebner sagte, letztlich könne nur eine
wesentliche Reduktion der Pestizideinsatzmengen Mensch, Umwelt, Ökolandbau
und Imkerei sicher schützen. Das Verbreiten über die Luft werde
unzureichend untersucht, obwohl es auch bei Wirkstoffen wie Glyphosat
Hinweise auf Einträge über Bodenstaub und Wind gebe.
FDP-Fraktionsvize Frank Sitta kritisierte, indem Schulze sich der
„überdrehten Angstmacherei dieser Studie“ bediene, ersticke sie jede
sachliche Diskussion um die moderne Landwirtschaft schon im Keim.
29 Sep 2020
## LINKS
[1] https://www.presseportal.de/pm/115731/4719793?utm_source=directmail&utm…
[2] http://www.umweltinstitut.org/aktuelle-meldungen/meldungen/2020/pestizide/p…
## AUTOREN
Kai Schöneberg
## TAGS
Schwerpunkt Pestizide
Schwerpunkt Glyphosat
Svenja Schulze
Schwerpunkt Pestizide
Schwerpunkt Pestizide
Lesestück Recherche und Reportage
Südtirol
Nikotin
Mercosur
## ARTIKEL ZUM THEMA
Pestizide auf Obst und Gemüse: Wenn waschen nicht reicht
Immer wieder finden sich Pestizide auf konventioneller Ware. Was tun, um
sie zu entfernen? Und warum gibt es noch keine App zur Erkennung?
Studie zu Einsatz von Ackergiften: Bauern durch Pestizide vergiftet
Eine neue Analyse geht von global etwa 385 Millionen unbeabsichtigten
Pestizidvergiftungen pro Jahr aus. 11.000 Menschen würden daran sterben.
Chemie-Einsatz beim Weinanbau: Schmutziger Tropfen
Valérie Murat soll zahlen. Weinbauern des Bordelais fühlen sich verleumdet,
weil sie den Einsatz von Pestiziden anprangert. Wie gefährlich ist Wein?
Einschüchterung von Umweltschützern: Südtirol hält an Klage fest
Bauern und ein Landrat werfen dem Münchner Umweltinstitut weiter üble
Nachrede vor. Das bleibt bei der Kritik am Pestizideinsatz im Obstbau.
Nikotine verursachen Vogelsterben: Ein Genuss, der tötet
Ungesund für Mensch und Tier, vor allem in der Pandemie: Warum
Nikotin-Konsum nicht nur das Coronavirus verbreitet, sondern auch Vögel
tötet.
Kritik der Organisation PowerShift: Mercosurvertrag fördert Pestizide
Die EU könnte noch leichter gefährliche Chemikalien nach Südamerika
exportieren, warnen Aktivisten. Profitieren würden Konzerne wie Bayer und
BASF.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.